Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 22. Tür: Nachdenken, basteln und Abheben - ein Berliner Überflieger

Do 22.12.22 | 06:07 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Adventskalender: Otto Lilienthal mit seinem Gleitschirm (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt
Holzleisten, Stoff und Bretter nutzte er, um abzuheben: Flugpionier Otto Lilienthal. Er konstruierte in der Maschinenfabrik seiner Familie in Berlin-Mitte Flügel, mit denen er von den Hügeln vor der Stadt abhob. Rausfahren und abheben - so funktioniert das bis heute.

 

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

"Ein Flugzeug zu erfinden, ist nichts. Es zu bauen, ein Anfang. Fliegen, das ist alles." Dieser Satz steht an der Innenseite dieses Kalendertürchens. Und diesen Satz wird Engelbert Lütke Daldrup in zwanzig Jahren ins Goldene Buch des Roten Rathauses schreiben. Weihnachten 2042 wird man sich endlich an den ehemaligen BER-Chef als Helden erinnern. Es wird die Zeit sein, in der Flugzeuge aus Holz mit Wasserstoff betankt lautlos auf unversiegelten bunten Brandenburger Wiesen landen und starten. Nach dem Auschecken der Passagiere werden diese grünen Jets mit den Meisen Fangen spielen, weil die netten Berliner Taxifahrer davon schon ganz erschöpft sind.

Aber dort nun, also zurück im Festsaal des Roten Rathauses, werden bei dieser Zeremonie die anwesenden Senatorinnen und Senatoren dem grauhaarigen Alten bejahend zunicken und ihm nach seiner Widmung den Füller mit dem historischen Gleitschirm auf der Kappe wieder abnehmen. Alle versuchen zu lachen, als bekannt wird, was er da reingeschrieben hat. Wenn jemand BER-Witze machen darf, dann doch wohl Engelbert Lütke Daldrup.

Ein Fliegerparadies

Aber nein, er ist viel zu schlau, um BER-Witze zu machen. Er schlägt nämlich mit seinem Zitat den Bogen zu dem großen Flugpionier, der Berlin einst und zuallererst vom Fliegen träumen ließ. Otto Lilienthal war es, der "Fliegen, das ist alles" sagte und 1891 mit selbstgebastelten Flügeln rund 25 bis 30 Meter flog. Lilienthal versuchte das Fliegen, indem er von Hügeln sprang. Er machte Berlin und Brandenburg so zum Fliegerparadies.

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

Bretter aus Spanholz, Leisten und Leinstoffbahnen bildeten einst das recycelbare Gerüst des Flügelapparats Otto Lilienthals. Seine Flügel baute Lilienthal in der Maschinenfabrik der Familie immer wieder um, erschuf neue Konstruktionen und machte aus seinen ersten rund 25 Flugmetern in fünf Jahren das Zehnfache: 250 Meter. Einer seiner Übungshänge war der Gollenberg in Stölln, was heute zu Rhinow gehört, im Havelland. Vorher und irgendwie parallel hatte er dann noch die Rauen Berge in Steglitz als Versuchsfeld genutzt sowie einen Hügel in Derwitz bei Werder/Havel. Und Lilienthal baute sich nach seinen ersten Versuchen und seiner ewigen Suche nach geeigneten Anhöhen einen eigenen Berg zum Üben, gleich um die Ecke bei sich in Lichterfelde.

Viele Straßen aber nur einen Hafen

Etwa 15 Jahre dauerten den Historikern zufolge Lilienthals theoretische Flugstudien, erst 1889 startete er im Alter von etwa 40 Jahren erste Flugversuche. Sechs, sieben Jahre Konstruieren und Probieren blieben ihm nur. Er verunglückte 1896 tödlich bei einem Flugversuch am Gollenberg im Havelland. Seitdem erinnern viele Städte an Otto Lilienthal. Es gibt Lilienthalplätze - etwa in Hamburg und Braunschweig, es gibt Otto-Lilienthal-Straßen in Bremen, Merseburg und Friedrichshafen, und - das ist das wichtigste - es gibt einen Flughafen, der nach ihm benannt wurde, natürlich in Berlin. Dort in Tegel wird aber schon lange nicht mehr geflogen.

Lilienthal machte es vor. Heute eifert man ihm nach: Wenn die Hinterhöfe in Berlin zu klein werden, geht's in die Fläche nach Brandenburg. Lilienthal hat nicht nur das Fliegen sondern auch den BER erfunden. Und über leichte Umwege kommt er dafür bald ins Goldene Buch.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

1 Kommentar

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  1. 1.

    Auch in "Over the rainbow" wird die Sehnsucht des Menschen nach dem Fliegen besungen und doch ist in den Liedzeilen schon ein handfestes Missverständnis enthalten: Es den Vögeln schlichtweg zu neiden.

    Die simple menschliche Neugier buchstäblich zu Höhenflügen zu verleiten und daraus neue Möglichkeiten zu entwickeln, ist das eine. Der übermenschliche Anspruch auf Alleskönnerschaft ist das andere. Daraus resultiert dann m. E. auch die Inflation der Fliegerei, die dieses eigentliche Wunder, was es ist, zum schnöden Alltag macht, zumindest doch zu dreimal jährlichem Urlaubserlebnis.

    Das hat diese wunderbare Möglichkeit nicht verdient: Sekt, der jeden dritten Tag auf den Tisch kommt, ist kein Sekt mehr - von der Flüssigkeit her schon, nicht aber von dem einmaligen, besonderen Erlebnis.

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