Flüchtlingspolitik - Innenminister Stübgen warnt vor "Asyltourismus" über die Balkanroute

Fr 14.10.22 | 14:30 Uhr
Michael Stübgen (CDU), Minister des Innern und für Kommunales (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Audio: rbb24 Inforadio | 14.10.2022 | Astrid Corall | Bild: dpa/Fabian Sommer

CDU-Chef Merz löste mit "Sozialtourismus" auch parteiintern Kritik aus, jetzt benutzt der Brandenburger Innenminister Stübgen das Wort "Asyltourismus". Die Linken und auch der Grüne Koalitionspartner finden deutliche Worte.

Der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) warnt vor immer mehr Flüchtlingen, die über die Balkanroute nach Deutschland kommen könnten. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sprach er am Freitag von "Asyltourismus", den Serbien wie zuvor schon Belarus durch eine neue weitgehende Visafreiheit verursacht habe.

"Und damit entsteht ein Asyltourismus diesmal über Belgrad, nicht über Minsk", kritisierte er. "Und diese Flüchtlinge kommen dann auf dem Landweg nahezu ausschließlich nach Deutschland."

Stübgen fordert EU-Strafen gegen Serbien

Daher sei es richtig, die Grenzkontrollen zu Österreich fortzuführen und auch an den Grenzen zu Polen und Tschechien zu kontrollieren. "Es gibt überhaupt keinen Grund, dass wir Flüchtlinge aus Österreich übernehmen", erklärte der Minister. Auch Österreich und etwa Tschechien müssten ihre Verpflichtungen im Asylsystem wahrnehmen.

Stübgen plädierte auch für harte diplomatische Reaktionen der EU gegenüber Serbien, um die neue Balkanroute zu schließen. "Serbien ist im Gegensatz zu Belarus ein Beitrittskandidat. Sie bekommen von der EU Beitrittshilfen und organisieren jetzt staatlich unterstützt Asyltourismus", kritisierte er. "Das ist völlig inakzeptabel."

Linke: "Rechtspopulistische Rumpelkammer!"

Von der Brandenburger Linken wurde Stübgen für den Begriff "Asyltourismus" scharf kritisiert. Nach CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Friedrich Merz komme nun auch der Brandenburgische Innenminister mit diesem Begriff um die Ecke, monierte die Flüchtlingspolitikerin der Linken, Andrea Johlige.

"Diese Wortwahl ist nach der langen politischen Diskussion kein Versehen, sondern bewusst gesetzt. Das ist verantwortungslos!", heißt es in ihrer Mitteilung. "Geflüchtete kommen nicht auf dem Luxusliner ins Asyl geschippert, sondern verlassen ihre Heimat aufgrund von Krieg und Terror", so Johlige. Stübgen hole "den absurden Vorwurf von Asyltourismus gegenüber den Geflüchteten aus der rechtspopulistischen Rumpelkammer! Beifall von ganz rechts außen ist ihm dafür gewiss." Stübgen müsse sich öffentlich entschuldigen.

Auf scharfen Widerspruch stieß Stübgen auch beim Koalitionspartner: Die Grünen-Landtagsabgeordnete Marie Schäffer erinnerte den Minister per Twitter an einen Satz des Flucht-Kapitels im Koalitionsvertrag: "Brandenburg ist ein weltoffenes und solidarisches Land". "Vokabeln wie Asyltourismus entsprechen nicht diesem Wertekonsens und vergiften den öffentlichen Diskurs", mahnte sie.

Erst kürzlich hatte CDU-Chef Friedrich Merz auch in den eigenen Reihen Kritik ausgelöst, nachdem er in einem "Bild"-Interview "Sozialtourismus" von ukrainischen Flüchtlingen nach Deutschland beklagt hatte. "Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine", sagte Merz. Später entschuldigte er sich für diese Äußerungen.

Flüchtlingsrat widerspricht Stübgen

Der Brandenburger Innenminister Stübgen äußerte sich derweil in dem Deutschlandfunk-Interview am Freitag auch zur Flüchtlingszahl in dem Land. Nach seinen Angaben hat Brandenburg in diesem Jahr bereits mehr als 40.000 Flüchtlinge aufgenommen, darunter rund 25.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Dies seien mehr Menschen als im Jahr 2015 aufgenommen wurden. Die zentrale Erstaufnahme des Landes könne dies noch bewältigen, sagte der Minister. Die Kommunen seien aber am Limit und nicht mehr in der Lage, zusätzliche neue Flüchtlingswellen aufzunehmen.

Der Flüchtlingsrat Brandenburg hält die Kommunen dagegen nicht für überlastet. "Uns liegen keine entsprechenden Zahlen oder Berichte vor", sagte die Sprecherin des Flüchtlingsrates, Henrike Koch, der Deutschen Presse-Agentur (DPA). "Problemanzeigen aus den Kommunen, die uns erreichen, kreisen weniger um Wohnungsplätze und vielmehr um Schwierigkeiten in Ausländerbehörden und Sozialämtern, zum Beispiel bei der Erstattung von Mietkosten."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 14. Oktober 2022, 19:30 Uhr

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