Debatte über "Letzte Generation" in Berlin - Längere Präventivhaft oder "Maß und Mitte"?

Do 20.04.23 | 06:54 Uhr
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Klimaaktivist:innen blockieren die Straße in Berlin. (Quelle: dpa/Michael Kuenne)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.04.2023 | Angela Ulrich | Bild: dpa/Michael Kuenne

Nicht nur in der Bevölkerung wird über den Umgang mit den Klima-Protesten der "Letzten Generation" diskutiert, auch die Parteien im Abgeordnetenhaus sind sich uneins. Während einige härtere Strafen fordern, mahnen andere zu Besonnenheit.

Bei den Berliner Abgeordneten Vasili Franco und Alexander Herrmann offenbaren sich die unterschiedlichen Meinungen zu den polarisierenden Klima-Protesten der "Letzten Generation" in Berlin. Während der Grünen-Politiker Franco sagt: "Ich würde erstmal dazu raten, die Ruhe zu bewahren", findet CDU-Politiker Herrmann: "Am Ende sind es Straftäter, die unsere Stadt in Geiselhaft nehmen."

CDU fordert längere Präventivhaft, Grüne mahnen zu "Maß und Mitte"

Herrmann will, wie er sagt, schneller und härter durchgreifen, wenn sich Aktivisten auf die Straße kleben oder an Brücken festketten. "Ganz wichtig ist es hier, dass wir von den Möglichkeiten, die wir als Rechtsstaat haben, Gebrauch machen", sagt Herrmann und fordert ausdrücklich den "vorbeugenden Präventiv-Gewahrsam" - also Haft ohne Prozess. Derzeit ist dieser bis zu 48 Stunden möglich in Berlin. Mit dem künftigen Regierungspartner in spe SPD sei aber vereinbart, den Präventiv-Gewahrsam im Einzelfall auf fünf Tage auszuweiten, "um abzuschrecken, um eine Wiederholung zu verhindern", wie Herrmann sagt.

Nicht als einziger bedient Herrmann sich drastischer Worte und Forderungen, wenn es um die Aktionen der Klima-Aktivisten geht, vor allem bei Blockaden von Straßen. Auch die AfD wünscht sich mehr Präventivhaft, allerdings noch deutlich länger: Die Berliner Vorsitzende Kristin Brinker könnte sich sogar vier bis sechs Wochen vorstellen für Aktivisten, die sich immer wieder auf Straßen festkleben und spricht von einem "erzieherischen Wert".

Linke: Blockaden als Protestform legitim

Der Grünen-Politiker Vasili Franco mahnt dagegen zu mehr Besonnenheit. Er sieht einige populistische Betitelungen der Aktivisten kritisch. "Wir verlieren Maß und Mitte, wenn wir über Extremismus reden, gar von Terrorismus oder Klima-RAF - all das schadet nicht nur insgesamt der Debatte über diese Aktionsform, sondern letztendlich fällt damit auch der Klimaschutz hinten runter", sagt Franco und unterstellt den "konservativen Parteien", dass sie vielleicht genau das beabsichtigen würden.

Auch für die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus gehen die Forderungen nach härteren Strafen zu weit. Der Rechtspolitiker Sebastian Schlüsselburg sagt, es gelte, die Versammlungsfreiheit zu schützen. "Straßen und auch öffentliche Kommunikationsräume sind vollumfänglich für die Versammlungsfreiheit da", so Schlüsselburg und verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt habe, dass das "Stellungbeziehen", also Hinsetzen, und das Wählen anderer Versammlungsformen "vollumfänglich von der Versammlungsfreiheit" gedeckt sei.

Er habe deshalb einen Brief an Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geschrieben, in dem er darauf verwiesen habe, dass es nicht darum gehen dürfe, Blockaden und Aktionen von Protestierenden zu verhindern, sondern er forderte, friedliche Aktionen im Sinne des Versammlungsrechts zu schützen.

Spranger sieht keinen Schutz durch Versammlungsfreiheitsgesetz

Eine Position, mit der die Innensenatorin offenbar nicht viel anfangen kann. Sie schließt sich diesbezüglich der CDU-Linie an und sagt, dass die Stadt in "Geiselhaft" genommen werde. "Straftaten bleiben Straftaten", so Spranger. "Wir sehen es ja: Es wird festgeklebt, es wird bewusst in Kauf genommen, dass Berlinerinnen und Berliner nicht von A nach B kommen, und das schützt das Versammlungsfreiheitsrecht nicht."

Bei der Berliner Polizei laufen wegen Klima-Protesten in den vergangenen Monaten insgesamt bereits rund 3.000 Ermittlungsverfahren wegen Nötigung oder gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Auch Strafgebühren sind bereits verschickt worden - jeweils in Höhe von 241 Euro. Innensenatorin Spranger rief wartende Autofahrer allerdings dazu auf, nicht zur Selbstjustiz zu greifen, sondern die Polizei zu rufen.

"Letzte Generation" fordert Politik zum Handeln auf

Die Gruppe "Letzte Generation" hatte diese Woche "unbefristete" Aktionen angekündigt, um die Stadt "lahmzulegen". Am Mittwoch hatte es erste Aktionen gegeben.

Sprecherin Aimée van Baalen wertete diese als Erfolg. Der rbb24 Abendschau sagte van Baalen am Mittwoch, es hätten sich Passanten spontan den Aktionen angeschlossen. Auch habe es viel mehr Teilnehmer gegeben als in der Vergangenheit. "Und trotzdem muss man sagen, es ist nicht unsere Aufgabe, die Mehrheiten zu gewinnen, sondern die Aufgabe der Politik, sich ehrlich zu machen, und sich wirklich mal hinzustellen und zu sagen: Wir sind in einer riesigen Katastrophe. Erst dann kann man davon ausgehen, dass man die Leute eben auch vom Klimaschutz mehr überzeugt." Van Baalen forderte, einen Gesellschaftsrat einzurichten. Dieser solle ausarbeiten, "wofür die Menschen sind, also wofür es Mehrheiten gibt und wofür nicht".

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.04.2023, 6 Uhr

69 Kommentare

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  1. 69.

    Ich würde es echt gut finden, wenn man diese Menschen einfach kleben und sitzen lässt und eine Straßeabsperrung drum rum baut. Sollen sie sich selbst befreien und die Polizei nicht weiter beschäftigen. Wäre auch eine Form von Präventivhaft...

  2. 68.

    Es geht wohl ehr um den Abgasskandal und das Blockieren der Verkehrswende. Schade dass sie sowas ausblenden.

  3. 67.

    Ganz genau, vor allem erleben Sie dann die Klimaerwärmung bei 9 Grad Ende April mal hautnah.

  4. 66.

    Da haste nen Punkt !

    Wenn ich mir angucke, wie schnell das mit Gazprom (den Gasspeicherableger) ging, mit der staatlichen Zwangsverwaltung... da hätte ich mir ähnliches bereits vor Jahren bei VW, Porsche und co gewünscht ! Spätestens als die angefangen haben, überhaupt diese k.ck Plug-in-Hybride mit (steuermindernden) Entwicklungskosten zu bedienen !

    Wissing kommt mir immer (in seinem Handeln) irgendwie vor wie Gollom... da kann ich den Unmut vieler junger Menschen schon durchaus verstehen !

  5. 65.

    Da ist Berlin etwas rückständig, ja. Ich habe vor 15 Jahren bereits erlebt, wie gut, deeaskalierend (sofern möglich), aber ratzfatz auch sowas von schnell und für die Öffentlichkeit nahezu unbeschwerend ROBUST, weil völlig diskret erfolgend (gefühlte Nanonsekunde, da sass der Krawallmacher nach dem ersten Angriffsversuch im BUS), in Nürnberg (Bahnhof) agiert wurde ! Das hat danach noch so gut 10 Jahre gedauert, bis ähnliches auch in Berlin überhaupt denkbar war.

    Hier wurden doch bis zuletzt selbst Spuck, Beiss und Messerattacken gegen Polizisten verteidigt, indem stets die Ursachenforschung beim Täter als noch nicht abgeschlossen galt ! (die letzten 4,5 Jahre ist immerhin mal nen bisschen was an den grossen Bahnhöfen passiert). Kutschi, Cottie, Schöneweide, uva ?

    Habe da hohe Erwartungen an die neue Regierung, kaum vorstellbar, dass das Innenressort so weiter geführt wird wie bisher.

  6. 64.

    Individuelles Fahren und Reisen mit eigenen Fahrzeugen ist im ökosozialistischen Transhumanismus nicht mehr vorgesehen.

  7. 63.

    Was ist mit dem Bahn- und Flughafenstreik heute und morgen? Da werden nicht nur ein paar hundert ausgebremst, sondern Millionen Menschen. Ich halte nichts von Straßenblokaden, weil sie bei den politisch verantwortlichen ohnehin nicht ankommen. Der öffentliche Personenverkehr darf nicht bestreikt werden, nicht durch Kleber auf der Straße und auch nicht durch Bahnangestellte.

  8. 62.

    Mannomann, vor was hat die Politik denn Angst? Das die Mehrheit der Bürger, falls härtere Strafen folgen, sich für die Aktivisten einsetzen und dies gutheißen?
    Glaube weniger. Diese Aktivisten sollten die Höchststrafe des Gesetzes spüren. Ob es das ist, für was diese von der Organisation bezahlt werden, gut ist, wird sich in den Polizei Führungszeugnissen später rausstellen.
    Unsere Oberpolizistin sollte nicht mimimi , sondern hart durch greifen, oder wird sie von der Jarrasch manipuliert?

  9. 61.

    Warum Kleber aus Erdöl,Banner aus Plastik.Warum gehen diese Menschen nicht in den Wald und Forsten diesen auf. Thüringen,Hessen, Bayern, Brandenburg.Es ist sinnlos sich den Hass,der Menschen zuzuführen für eine Gute Sache die so ,nicht förderlich ist.Gewalt ob friedlich ,macht keinen Sinn.Ich nenne es Anarchie.

  10. 59.

    Juhu da wir haben wir wieder ein Feindbild, können/ wollen wieder einsperren, Menschen, weil sie Stau verursachen!?. Wie sagte Max Liebermann: ich garnicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte

  11. 58.

    Nur zum Verständnis, sie wären auch für Präventivhaft für Autofahrer, die den Fahrradweg und den Gehweg blockieren?

  12. 57.

    Die Polizei speziell in Berlin sollte mit genau der gleichen Maß und Mitte gegen Klimademonstranten vorgehen wie man es gegen Coronamaßnahmen-Kritiker getan hat.

  13. 56.

    Dass Linke und Grüne lieber auf Mimimi machen, sollte nicht verwundern. Und wenn RGR bleiben würde, dann werden die Extremisten weiter mit Samthandschuhen angefasst. Denen geht es nicht um Klimaschutz, sondern um Systemveränderung.

  14. 55.

    Was ist dann eigentlich mit Aktionen, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, deren Illegimiität sich aber ggf. nicht unbedingt ergibt ? Die Linken, auch Klimaaktivisten, müssen aufpassen, dass wenn der (juristische) Samthandschuh eingefordert wird (weil es doch für die gute Sache ist) nicht das Gegenteil dessen zu bekommen, was sie wollen.

    Da der 1. Mai naht: Da geht es ja nicht nur um Linke Verschwurbeler, aber der ein- oder andere sollte ggf. mal bedenken, dass er durch bestimmte Maßnahmen ja auch geschützt wird ! Ich kenne die Anträge der Aktivisten und derer juristischen Beistände im einzelnen nicht, aber z.B. die Präventivhaft als unzumutbar hinzustellen, das würde das Risiko, Opfer einer Gewaltstraftat zu werden verdoppeln, da ja hiervon auch ganz andere Kaliber profitieren würden !

  15. 54.

    Die Letzte Generation hat keine Mehrheit hinter sich, sondern will der Regierung etwas diktieren und droht dazu mit weiteren Straftaten.

  16. 53.

    Der Begriff "Klima-RAF" bzw. "grüne RAF" ist übrigens erst durch extreme Vertreter dieser "Aktivisten"-Szene geprägt geworden, die damit ihre mögliche Radikalisierung androhten. Vom dogmatischen Duktus ihrer Sprache her sind sie schon nah am Vorbild dran.

  17. 52.

    Scheint ja in Bayern gut zu funktionieren, sind deswegen bei euch auch die Grünen bei 20 %.

  18. 51.

    Ich nehme an, so sollte man auch mit den Falschparkern und den Blockierern bei den Autofahrern umgehen. Oder wird dann wieder rumgeheult?

  19. 50.

    Gibt eine Rettungsgasse, das machen die Aktivisten auch. Als "Berufskraftfahrer" kennt man sowas wahrscheinlich nicht, da ist sich jeder selbst der nächste.

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