Landesparteitag in Potsdam - Die Brandenburger Grünen stimmen sich schon auf den Wahlkampf ein

Sa 29.04.23 | 18:12 Uhr | Von Markus Woller
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Alexandra Pichl (r), Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, und ihre neu gewählte Co-Landesvorsitzende Hanna Große Holtrup (2.v.l) stehen während des Landesparteitages von Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg neben den Fraktionsvorsitzenden Benjamin Raschke (l) und Petra Budke (M). (Quelle: dpa/Sören Stache)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 29.04.2023 | Bild: dpa/Sören Stache

Der Rücktritt von Landeschefin Julia Schmidt verursachte Unruhe bei Bündnis 90/Die Grünen. Mit Spannung wurde deshalb der Landesparteitag erwartet. Dort sorgt dann aber eine andere Personalie für Aufsehen. Eine Analyse von Markus Woller

Viel will Brandenburgs Grünen-Co-Vorsitzende Alexandra Pichl zur Causa Julia Schmidt nicht mehr sagen. Nur das: Die Partei habe eine schwere Zeit hinter sich. Pichl entschuldige sich für die missratene Krisenkommunikation, bei der Missverständnisse entstanden seien.

Drei Monate nach dem erzwungenen Rücktritt der Co-Vorsitzenden aus bis heute unklaren Grünen ist das für die Öffentlichkeit weiterhin zu wenig. Die Parteimitglieder aber scheinen das Thema mittlerweile abgehakt zu haben. Kein einziger Antrag beschäftigt sich an diesem Samstag mit der Personalie, die in den letzten Monaten im politischen Potsdam für so viel Unruhe gesorgt hat.

Politisch ein unbeschriebenes Blatt

Die Zukunft heißt Hanna Große Holtrup, 25 Jahre alt, geboren in Erfurt, Juristin, bislang Mitarbeiterin der Grünen-Landtagsfraktion. Sie war als einzige Kandidatin für den Co-Parteivorsitz angetreten. 121 von 132 Delegierten stimmten für ihre Wahl, acht dagegen.

Große Holtrup ist politisch ein völlig unbeschriebenes Blatt, war bislang vor allem mit Gremienarbeit der Partei befasst. Eine politische Newcomerin, die nun die Leitung einer Regierungspartei übernimmt. Ihre Agenda bleibt auch nach ihrer Bewerbungsrede vage: Sie stehe für eine nachhaltige, soziale Klimawende, eine menschliche Asylpolitik, wolle sich nicht nur um den gut aufgestellten Berliner Speckgürtel bemühen, sondern auch ums ländliche Brandenburg. "Wir werden nicht aufhören, unsere Koalitionspartner zu nerven", versprach die neu Co-Vorsitzende unter großem Beifall.

Raschke bringt sich als Spitzenkandidat ins Spiel

Dass sich keine erfahrenere Politikerin oder ein Politiker fand, um den hauptamtlichen Job zu übernehmen, hängt sicher auch an einer grünen Eigenart: der Trennung von Amt und Mandat. Wer in der Partei die Hinterzimmer-Kämpfe in Potsdam aus dem Effeff beherrscht, der sitzt in der Fraktion im Landtag oder in einem Ministerium und darf kein Parteiamt innehaben.

Wohl aber eine andere Funktion an der Spitze, wie Fraktionschef Benjamin Raschke an diesem Tag zeigt. Aus seiner Rede zur aktuellen Lage der Fraktion wird eine Bewerbungsrede zur Spitzenkandidatur im kommenden Jahr. Die Grünen hätten sich gemausert: Früher von anderen Parteien milde belächelten, heute für ihre Kilmaschutz-Kompetenz gefürchtet, so das Bild, das Raschke zeichnet. "Für Hundert Prozent Klimaschutz reichen zehn Prozent nicht aus", sagt der Fraktionschef und stellte ein Ergebnis deutlich im zweistelligen Bereich in Aussicht. Raschke warb für einen stark geführten Wahlkampf 2024. "Wenn ihr wollt, mit mir an der Spitze", so der 40-Jährige, der wenig später stehende Ovationen bekam.

Generationenwechsel an der Spitze

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nutzte ihre Redezeit ebenfalls dafür, für ihren früheren Mitstreiter an der Brandenburger Parteispitze zu werben. "Es gibt keinen Besseren, der uns 2024 in den Wahlkampf führen kann", so Baerbock, die in Potsdam ihren Wahlkreis hat.

Raschke hat sich damit überraschend früh mit seinen Ambitionen an die Öffentlichkeit gewagt. Offiziell wollen die Grünen erst im März nächsten Jahres ihr Spitzenpersonal für den Wahlkampf benennen. Traditionell wird dabei eine Doppelspitze mit mindestens einer Frau gewählt.

Damit leitet Raschke nun den Generationenwechsel ein. Dass sich die aktuell bekanntesten brandenburgischen Grünen-Politiker Ursula Nonnemacher und Axel Vogel aus der ersten Reihe verabschieden wollen, ist ein offenes Geheimnis im politischen Potsdam. Nun beginnt auch offiziell die Neuaufstellung, die intern durch die Querelen rund um Julia Schmidt noch einmal mächtig durcheinandergeraten sein dürfte.

Grüne kritisieren Innenminister Stübgen

Inhaltlich wirft auf dem Parteitag der Wahlkampf seine Schatten voraus. Der Schlagabtausch mit den Koalitionspartnern ist schon seit Monaten nicht mehr wegzudiskutieren. Auf dem Parteitag arbeiten sich die Grünen vor allem an der CDU und deren verschärften Tönen in der Flüchtlingspolitik ab. Vor allem das Agieren und die Rhetorik von Innenminister Michael Stübgen (CDU) ist ihnen unerträglich: "Der ehemalige Pfarrer, Innenminister Stübgen, agiert fernab von christlicher Nächstenliebe, wenn er wieder und wieder gegen Geflüchtete hetzt und von vollen Booten fabuliert", bringt Alexandra Pichl ihre Kritik auf den Punkt. Sie wirbt für ein Einwanderungsrecht, das Migranten weiter Chancen eröffnet. Im globalen Wettbewerb sei dies auch wirtschaftlich unerlässlich, heißt es auf dem Parteitag.

Es passt in die Erzählung einer gegenseitigen Absetzbewegung, dass CDU-Chef Jan Redmann sich nur wenig später per Pressemitteilung gegen die Wortwahl Pichls verwahrt und auf die Überforderung der Kommunen verweist. "Die Grünen müssen endlich zur Vernunft kommen", lässt sich der CDU-Chef zitieren.

Mitgliederzahl verdoppelt

Eine vorwahlkampfliche Breitseite für die SPD haben die Redner vor allem in der Bildungspolitik parat. Der Rücktritt von Britta Ernst sei ein bildungspolitischer Offenbarungseid, so Petra Budke. In einem Eilantrag forderten die Delegierten den neuen Bildungsminister auf, von der Umwandlung von Lehrer- in Assistentenstellen Abstand zu nehmen. Stattdessen sollen zusätzlich 215 Assistentenstellen geschaffen werden.

Für das Superwahljahr 2024 mit Landtags-, Europa- und Kommunalwahlen sehen sich die Grünen auch nach jüngsten Meinungsumfragen gut gerüstet. Der BrandenburgTrend von Infratest dimap im Auftrag von rbb24 Brandenburg aktuell und Antenne Brandenburg sieht die Partei aktuell bei 9 Prozent. Bei der Landtagswahl 2019 erreichte die Partei noch 10,8 Prozent. Allerdings haben die Grünen seit der letzten Wahl deutlich an Mitgliedern gewinnen können, 2.624 Mitglieder bedeuten gar eine Verdopplung. Diese Entwicklung könnte sich im kommenden Jahr auszahlen, den Stimmenanteil deutlich steigern helfen, so die Hoffnung auf dem Parteitag. Benjamin Raschke gab dazu schon einmal die Parole aus: "CDU und SPD wollen sich im Wahlkampf streiten, wer auf dem Fahrersitz sitzt. Sollen sie - solange wir das Navi sind."

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 29.04.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Markus Woller

44 Kommentare

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  1. 44.

    Wird echt Zeit, dass sich Brandenburg besser für die Zukunft aufstellt. Statt den Wandel zu blockieren und die wirtschaftlichen Chancen mal wieder zu verpennen.

  2. 43.

    Das Publikum braucht keine Nachhilfe von mir. Jeder der es wissen will kann sich selbst informieren das die Ursachen der hohen Strompreise hauptsächlich bei den Fossilen zu suchen sind. Letztendlich ist es auch egal, die Energiewende ist nicht mehr aufzuhalten und das ist gut so.

  3. 42.

    "Frau Baerbock kommt vom Völkerrecht " Ich habe ich da was verpaßt? Welchen Abschluß hat sie denn und wo findet man die Abschlußarbeit?

  4. 41.

    "Extrem sicher ist gar keine Atombuden zu haben." Das ist aber strategisch "blöd", da Sie dann auch keine Kernwaffen zur Verteidigung mehr hätten - ganz schlechte Idee bei der aktuellen Weltlage.

  5. 40.

    Mit den "Kohlebuden" meinen sie bestimmt die, dank der kompetenten Entscheidungen des Herrn Wirtschaftsministers, weiterbetriebenen Kohlekraftwerke, die nun am Netz sind, weil Windmühlen sich eben nur bei ausreichend Wind drehen.
    Wenn denn aber die Überkapazitäten dieser Gerätschaften so groß sind, dass man über die Hälfte abschalten muss, warum dann noch mehr Schrott in die Landschaft stellen ? Etwa weil man derzeit den erzeugten Strom gar nicht speichern kann ?
    Vielleicht versuchen wir auch einfach mal beim Thema zu bleiben oder Sie erteilen dem Publikum mal "Nachhilfe" über die Preisspirale beim Strom.

  6. 39.

    Sehens deshalb habe ich den Namen unseres Bundeswirtschaftsminister/Energieministers ohne Abschluss in den jeweiligen Bereichen falsch geschrieben, damit sich Leute wie Paulschen ablenken können....

  7. 38.

    "Deshalb schlage ich vor, dass wir noch mehr davon bauen !"
    Sehr gute Idee, wir brauchen noch einige Tausend davon. Also zügig anfangen und nicht weiter trödeln ist die Devise. Gut dass auch Sie das erkannt haben.

  8. 37.

    Es gibt Ihnen nicht mal zu denken weshalb angeblich 80% abgeschaltet waren.
    Ich gebe Ihnen Nachilfe, entweder weil ein paar Meter daneben kein Wind wehte oder weil Kohlebuden weiter laufen und Sonntag kaum Strom gebraucht wird....
    Das mit den paar Metern ist gut, merken Sie selbst...oder doch nicht.

  9. 36.

    Ihre Grünen Phobie ist ja schon ....
    Leider kommt konstruktives nie von Ihnen.
    Nicht mal den Namen vom Bundeswirtschaftsminister können Sie richtig schreiben.
    Ist also mit der Bildung so eine Sache....

  10. 35.

    Die Frage stell ich mir schon lange.
    Vielleicht weil alle anderen schlau genug sind zu wissen, dass man in der Politik kaum gewinnen kann und deshalb die Finger davon lassen oder einfach die Politik Politik sein lassen und sich alltäglich um die realen Lösungen der Probleme kümmern.

  11. 34.

    "Die sind schon vor dem Start pleite weil EE viel billiger sind"
    Jetzt weiß ich endlich warum Deutschland trotz abgeschalteter KKW die höchsten Strompreise in der Welt hat.
    Ich bin übrigens heute an der A20 an mehreren Windparks vorbeigefahren. Schätzungsweise 80% der Rädchen standen still. Deshalb schlage ich vor, dass wir noch mehr davon bauen !

  12. 33.

    Danke Heidekind,ich bin schon lange raus,Klientelpolitik, Vetternwirtschaft,aber such dann über andere Parteien aufregen.Neee Danke.Schlimm,wenn man Macht schnuppert.Denke nur an die Urgrünen,ganz viele sind da jetzt dicke Fette Wohlstandsbürger.

  13. 32.

    ....und Herr Harbeck schreibt Märchenbücher und wird ohne kaufmännische/technische Ausbildung Deutschlands Wirtschaftsminister und Energieminister,- wir dürfen gespannt sein....

  14. 31.

    Extrem sicher ist gar keine Atombuden zu haben. Nachweislich haben sich Terroristen auch für Jülich interessiert. Auch wenn angeblich weniger Müll anfällt bleibt die Lagerung ungeklärt.
    Das es keine Kernforschung mehr gibt stimmt auch nicht. Sechs Anlagen forschen weiter im Bereich Medizin.
    Zu den Kosten schreiben Sie gar nichts, deshalb kann man ganz gelassen sein zu den "geplanten" AKW in Europa. Die sind schon vor dem Start pleite weil EE viel billiger sind.

  15. 30.

    Warum denn so kleinlich? Frau Baerbock kommt vom Völkerrecht und wird deswegen Aussenministerin.

  16. 29.

    Die Antwort steckt in den Atomkraftwerken der neusten Generation, extrem sicher, kaum Müll. Aber aus dieser Forschung hat sich Deutschland ja verabschiedet und wiederholt immer die alten Lügen von der gefährlichen Atomkraft.

  17. 28.

    Stellt sich die Frage, warum vertreten im Bundestag nur Juristen und Lehrer das deutsche Volk?

  18. 27.

    Dachte immer Habeck sei unser größter Philosoph, gut das es Sie gibt. Wäre von selbst nicht darauf gekommen. Problem...hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
    @Insulaner57, die Fragen von Erhard sind berechtigt, wo sind denn nun die Lösungsvorschläge?

  19. 26.

    Der größte Klimaschutz ist... mit Abstand.... großem Abstand:
    Krieg verhindern/beenden. (Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin)

  20. 25.

    Und wo ist das Problem?
    Andere Parteien haben Leute mit Doktortitel u.ä an der Spitze oder mit der Wirtschaft eng verklüngelte Juristen.
    Was dabei rauskommt, haben wir nun die letzten Jahrzehnte gesehen.
    Ein Staat mit einer juristischen Bürokratie, die zu einer nahezu kompletten Lähmung des gesamten Apparats geführt hat.
    Zusätzlich werden die genannten berufserfahrenen Politikexperten in regelmäßiger Wiederkehr von den oberen Juristen des Landes immer wieder in ihre Schranken verwiesen.Die Expertise scheint also auch nicht so weit zu reichen.
    Da wagen die Grünen eben das Experiment, warum nicht? Alte weiße erfahrene Männer und Frauen hatten wir doch nun zur Genüge.
    Größte Wählerschicht der Grünen liegt ziemlich genau in in der Bevölkerungsgruppe der jungen Frau.

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