Protest ab Mittwoch - Klima-Aktivisten wollen Berlin unbefristet lahmlegen

Di 18.04.23 | 16:51 Uhr
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Die Hand eines Klima-Aktivisten wird vom Asphalt einer Straße mit Öl gelöst (Quelle: DPA/Ann-Marie Utz)
Video: rbb24 Abendschau | 18.04.2023 | Vanessa Materla | Bild: DPA/Ann-Marie Utz

Die Aktivisten der sogenannten "Letzten Generation" wollen den Druck noch einmal kräftig erhöhen. Nicht nur punktuell soll der Verkehr in Berlin gestört werden, sondern ab Mittwoch systemisch und dauerhaft.

Hunderte Aktivisten der Gruppe Letzte Generation wollen Berlin auf unbestimmte Zeit lahm legen, um ihre Forderungen nach einer radikalen Klimawende durchzusetzen. Von Mittwoch an seien zunächst Störungen und Blockaden im Regierungsviertel geplant, ab Montag dann in der ganzen Stadt, erklärte die Gruppe.

Sie riet Autofahrern zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr, um erwarteten Staus zu entgehen. Die Gewerkschaft der Polizei und die CDU kritisierten die Gruppe scharf. Auch die Grünen sind auf Distanz.

Die Letzte Generation hatte sich 2021 nach einem Hungerstreik gegründet und blockiert seit Anfang 2022 immer wieder den Verkehr. Meist kleben sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer fest. Autofahrer reagieren oft wütend, in einzelnen Fällen gingen sie auf Aktivisten los oder zerrten sie von der Fahrbahn. Hunderte Gerichtsverfahren laufen wegen Nötigung und anderer Delikte. Laut Umfragen lehnt eine Mehrheit die Protestformen der Gruppe ab, auch die Klimabewegung Fridays for Future äußerte daran Kritik.

Polizei hält sich bedeckt

Die Letzte Generation selbst geht dennoch von großem Rückhalt aus. Sie fordert einen Gesellschaftsrat mit 160 gelosten Mitgliedern, der das Ende der Nutzung von fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle oder Gas in Deutschland bis 2030 planen soll. Wissenschaftler und Politiker sind skeptisch, ob dies so schnell möglich ist.

Zu den geplanten Protesten in Berlin sagte Sprecherin Carla Hinrichs am Dienstag: "Wir werden die Stadt friedlich zum Innehalten bringen". Was genau wo und wie geplant ist, hält die Gruppe üblicherweise geheim, zumal die Polizei strikt gegen die illegalen Aktionen vorgeht. 800 Aktivisten hätten sich angemeldet. Hinrichs bestätigte, dass der Protest unbefristet geplant sei. Die Regierung könne die Blockaden stoppen, wenn sie den Gesellschaftsrat einsetze oder einen Plan zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels vorlege. Gemeint ist eine globale Erwärmung von nicht mehr als 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Eine Sprecherin der Berliner Polizei sagte auf Anfrage, man richte sich auf die Blockaden ein, könne aber keine Details zur Einsatzplanung oder zu den erwarteten Orten nennen. Die Polizei hatte in den vergangenen Monaten Mühe, der Blockaden Herr zu werden. Möglich sind in Berlin bis zu 48 Stunden Präventivgewahrsam. Meist werden Ermittlungsverfahren eingeleitet und an die Justiz übergeben.

Kritik auf breiter Seite

Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gab es bisher knapp 3.000 Ermittlungsverfahren und 800 Verdächtige. Die Polizei setzte rund 300.000 Arbeitsstunde ein. Die GdP warf den Demonstranten "Guerilla-Aktionen" und "extremistisches Gedankengut" vor.

Alle Aktivisten seien sich bewusst, dass sie im Gefängnis landen könnten, sagte Hinrichs. Kritik konterte sie mit den Worten: "Wir sind Bürgerinnen, die sich zusammen geschlossen haben, um Widerstand zu leisten gegen eine Regierung, die gerade unsere Verfassung bricht." In der Bundespolitik ist kein Wille erkennbar, auf die Forderungen einzugehen.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte die Aktionen. Im Gegensatz zu Fridays for Future, die etwa in Lützerath gegen den Braunkohletagebau protestiert hätten [tagesschau.de], richte die Letzte Generation ihre Proteste nicht gegen die Verursacher der besorgniserregenden Klimakrise. "Proteste wie die letzte Generation sie macht, wo sie im Endeffekt den normalen Menschen in ihrem Alltag auf die Nerven gehen, sie behindern, das hat mit Ursache und Wirkung nicht viel zu tun. Das verstehen die Leute auch nicht, und das ist aus meiner Sicht am Ende kontraproduktiv."

CDU-Generalsekretär Mario Czaja nannte die Letzte Generation im Deutschlandfunk "Extremisten", die Bürger in Geiselhaft nähmen und mit Gewalt ihre Positionen durchsetzen wollten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht jedoch keinen Beleg für Extremismus bei der Letzten Generation. Die Aktivisten begingen Straftaten, die geahndet werden müssten, sagte Präsident Thomas Haldenwang Ende März. Die Grundhaltung der Gruppe sei jedoch, auf aktive Gewalt zu verzichten.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.04.2023, 19.30 Uhr

75 Kommentare

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  1. 75.

    Nun ja, die Grünen haben angekündigt die von der 5% Partei initiierte Verwässerung des Klimagesetzes im Bundesrat zu blockieren. Schon mal ein Lichtblick.
    Heute in Brüssel Ausweitung der CO2 Bepreisung beschlossen, sehr gut.
    Trotzdem sind die Aktionen der Jugend zumindest verständlich, zeigt sich doch hier in der Diskussion das viele die Tragweite der notwendigen Veränderungen nicht begriffen haben oder begreifen wollen. Wie hier schon einer geschrieben hat, China macht unsere wirtschaftliche Grundlage, die Autoindustrie platt und ein Teil denkt es kann alles weitergehen wie bisher. Die werden sich noch wundern.

  2. 74.

    >"Jedenfalls wird es auch die Letzte Generation nicht schaffen, unsere Gesellschaft bzw. die Mehrheit der Mitbürger auf einen langfristig nachhaltigen Weg zu bringen."
    Na so auf jeden Fall nicht. Die Rahmenbedingungen setzen gewählte Politiker nach dem Willen der Wählermehrheiten. Den Wähler einen Willen aufzuzwingen bewirkt eher das Gegenteil bei den nächsten Wahlen.
    Es gibt schon eine Mehrheit der Einsicht in der Bevölkerung. Das ganze aber in gemäßigten Schritten oder wenns ganz brachial sein soll, dann darf es den Alltag und das Haushaltsbudget nicht übergebühr belasten. So siehts nämlich aus im Alltag der allermeisten arbeitenden Menschen.

  3. 73.

    Vom Senat hört und liest man nichts mehr. Außer dass die A100 weiter gebaut wird. Der Verkehr wird mehr.
    In Mailand gibt es einen Innenstadt - Maut für alle Fahrzeuge und das funktioniert, sodass weniger Verkehr besteht.
    Leider gibt es kein Senatsforum die Ideen aufnehmen und umsetzen wollen.

  4. 71.

    In Deutschland wird immer gewartet gewartet und gewartet und diskutiert. Den Assozialen müssten viel härtere Strafen bevorstehen und die Mühe des Polizisteneinsatzes in voller Höhe bezahlen müssen. Die sollen arbeiten gehen und Handys abgeben,....

  5. 70.

    Ich halte das nicht ausreichende Handeln unserer Regierung für im hohen Maße unverantwortlich. Den AktivistInnen der letzten Generation bin ich dankbar für ihr mutiges Eintreten für sofortige gesetzgeberische Maßnahmen, die ein Erreichen des 1,5 Grad-Zieles noch möglich machen könnten.
    Die Aktivisten nehmen massive persönliche Nachteile wie Verunglimpfungen, ungerechtfertigte Strafverfolgung und zum Teil gewalttätige Angriffe in Kauf, um sich für unser aller Wohl einzusetzen. Danke für Euren Mut und Eure Beharrlichkeit!

  6. 66.

    Ich weiß natürlich, das die Protagonisten die Menschen nicht erreichen möchten. Trotzdem eine kleine Aufmerksamkeit am Rande: je mehr und öfter diese Leute versuchen mich zu erziehen, desto mehr werde ich mein persönliches, und bis dato Umwelt-bewusstes Verhalten wieder ändern und genau das Gegenteil machen ...

  7. 65.

    Guter Ansatz! Ich meine der Verkehr regelt sich schon nach ein paar Minuten selbst, wie bei einer ausgefallenen Ampel.

  8. 64.

    Mit welchem Körperteil denken manche Menschen? In der Mongolei werden täglich tausende Tonnen Kohle gefördert und nach China verschickt, um dort verstromt zu werden. Wenn hier kein CO" mehr frei würde, dann hätte dies keinen Effekt auf das Klima. Und wer sagt eigentlich, dass der Klimawandel menschen gemacht ist? Es gab die kleine Eiszeit ohne Autos etc.

  9. 63.

    Die Polizei sollte morgen mal in ihren Abschnitten bleiben. Mal sehen ob sich diese Menschen dann auch ankleben, ohne Polizeischutz.

  10. 62.

    160 geloste Mitglieder eines Gesellschaftsrates. Klingt nicht schlecht. Nur wenn dieser Rat, der dann ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, zur Erkenntnis kommt das ein fossiler Ausstieg bis 2030 nicht zu machen ist. Was macht ihr dann? Und einen ähnlichen Rat gibt es schon mit der sogenannten Kohlekommission. Dieser wird von euch abgelehnt weil dort gesellschaftliche Kompromisse verhandelt wurden und nicht eure Maximalforderung.

  11. 61.

    Leider gibt es in Berlin und auch Hamburg keine so konsequente Richterin wie in Heilbronn. Die Dame bekommt 100 Punkte von mir.

  12. 60.

    Tun Sie es nicht ... Sie sind am Ende der "Böse" und werden bestraft ...
    So ist das derzeitige System ;-(

  13. 59.

    Die Klimakrise ist real und hier macht die Politik zu wenig. Was wenn die ganzen Schnappatmer mitbekommen wie China mit dem E Auto Boom gerade unsere Autoindustrie platt macht? Gehen die dann für den Verbrenner demonstrieren?

  14. 58.

    Da fragen Sie doch mal Herrn Prof. Harald Lesch, was er so von der "Grundlast" hält ...
    Von "modernen" Stromnetzen mit ausreichenden Speichermöglichkeiten sind wir wohl noch etwas entfernt.

  15. 57.

    Da hoffe ich doch, dass die Polizei aufgestockt wurde und Schnellgericht eingerichtet werden.
    Es kann doch nicht angehen, dass ein Mob, egal welcher politischen Ausrichtung, den Großteil der Bürger in Geiselhaft nehmen.
    Auch hoffe ich, da es angekündigte strafbare Handlungen sind, dass die Strafen die volle Höhe der im Gesetz verankerten Rahmen, ausgeschöpft werden.

  16. 56.

    Sind Sie ein großer Fan von Prof. Kemfert/DIW o.ä.? Ich bin zwar Laie und kein Marketingexperte, aber Grundlast bzw. Grundlastfähigkeit, Grundlastkraftwerke sind durchaus im heutigen Sprachgebrauch anzutreffen, in der Politik und auch von Physikern. Was ist für Sie Vor-Computer-Zeit? Ich benutze Computertechnik sei den Achtzigern und dies nicht zum Zeitvertreib.

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