Mehrwegangebotspflicht in der Gastronomie - Neues Gesetz zur Müllvermeidung wird kaum kontrolliert

Mo 08.05.23 | 08:12 Uhr | Von Oliver Noffke
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Ein übervoller Mülleimer am 22.02.2021 mit Einwegverpackungen im Treptower Park. (Quelle: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.05.2023 | Helena Daehler | Bild: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Kohlroulade im Styroporsarg, Salat aus der Plastikschüssel: Wer sein Essen "to go" bestellt, erhält es oft in Einmalverpackungen. Seit Jahresbeginn muss die Gastronomie auch Mehrweg anbieten. Kontrolliert wird das bislang kaum. Von Oliver Noffke

Ein neues Gesetz zur Vermeidung von Verpackungsmüll in der Gastronomie wird in der Region offenbar nur in geringem Maße umgesetzt und bislang so gut wie gar nicht kontrolliert.

Seit Januar gilt die sogenannte Mehrwegangebotspflicht. Seitdem müssen viele Restaurants und andere gastronomische Betriebe Mehrwegbehälter bereitstellen, wenn sie Speisen und Getränke zum Mitnehmen in Einwegverpackungen anbieten. Ausgenommen sind kleine Betriebe mit höchstens fünf Angestellten und einer Verkaufsfläche von nicht mehr als 80 Quadratmetern [bundesregierung.de].

In Berlin wurde bislang lediglich in zwei von zwölf Bezirken gezielt kontrolliert, ob sich Gastronomen an das neue Gesetz halten. In Brandenburg haben diesbezüglich offenbar noch gar keine gezielten Überprüfungen stattgefunden. Das geht aus den Antworten auf einen Fragenkatalog hervor, den der rbb an sämtliche Kommunalverwaltungen in der Region gesendet hat. Zu prüfen, ob das Gesetz eingehalten wird, liegt in ihrer Zuständigkeit.

Bezirksamt Mitte kündigt "scharfe Kontrollen" an

In den Bezirken Mitte und Reinickendorf haben bereits Rundgänge der Ordnungsämter stattgefunden, bei denen explizit kontrolliert wurde, ob Betriebe Mehrwegverpackungen vorhalten. Bei den ersten Rundgängen sei das Ergebnis recht ernüchternd gewesen, sagte die zuständige Bezirksstadträtin in Mitte Almut Neumann (Bündnis 90/Die Grünen) dem rbb. "Die Kolleg:innen sind in die Betriebe rein und tatsächlich ist keiner dieser Mehrwegangebotspflicht nachgekommen."

Bislang sei in solchen Fällen über die Änderung aufgeklärt worden, etwa durch Broschüren, so Neumann. Bußgelder habe man noch nicht verhängt. Das werde sich bald ändern, sagte die Bezirksstadträtin. "Wir werden ab Mitte Mai jetzt tatsächlich auch mit scharfen Kontrollen anfangen. Natürlich vor allem bei den Betrieben, bei denen schon einmal kontrolliert worden ist." Laut Gesetz kann bei Nichteinhaltung ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro verhängt werden. Der Bezirk Mitte werde anfangs eine Strafgebühr von 55 Euro erheben, sagte sie.

In den übrigen Bezirken haben noch keine gezielten Überprüfungen stattgefunden, was meist mit Personalmangel begründet wird. Aus den Rathäusern von Neukölln und Treptow-Köpenick hieß es auf Nachfrage des rbb, dass Abstimmungsbedarf mit der Senatsverwaltung bestehe, beziehungsweise dass die Zuständigkeiten nicht eindeutig geklärt seien. Auch deshalb sei bislang nicht kontrolliert worden. Die Senatsverwaltung für Umwelt teilte auf Anfrage mit: "Die Kontrolle der Mehrwegangebotspflicht ist in jedem Fall Bezirksangelegenheit."

Brandenburger Kommunen klagen über Personalmangel

In den Brandenburger Landkreisen und kreisfreien Städten sollen sich die Unteren Abfallbehörden um die Kontrollen der Mehrwegangebotspflicht kümmern. Passiert ist das bisher offenbar nicht. Zehn der angefragten Kommunen teilten mit, dass sie bisher nicht gezielt auf das neue Gesetz hin Betriebe überprüft hätten. Entsprechend wurden auch noch keine Bußgelder in dieser Sache ausgestellt. Mehrere Landkreise wichen einer klaren Antwort aus, drei beantworteten die Fragen des rbb auch auf Nachfrage nicht.

Lediglich die Stadtverwaltung von Frankfurt an der Oder teilte mit, dass "sporadische Gelegenheitskontrollen bei Backstuben und Imbissen" stattgefunden hätten. Dabei sei festgestellt worden, dass viele dieser Betriebe bereits Mehrweglösungen bereithielten; wo Nachholbedarf bestanden habe, seien Beratungsgespräche durchgeführt worden. Für mehr fehle schlicht das Personal, hieß es. Knapp mehr als die Hälfte der angefragten Kommunen in Brandenburg nannten Personalmangel ebenfalls als Grund für die fehlende Kontrolle.

Gaststättenverband kritisiert Regelung

Der Hotel- und Gastronomieverband Berlin (Dehoga), geht davon aus, dass viele Wirte, Café- oder Gaststättenbetreiberinnen und andere betroffene Unternehmer nach wie vor gar nicht wissen, dass sie nun eventuell Mehrwegverpackungen bereitstellen müssen. "Kontrollen müssen sein", sagte Thomas Lengfeld, Dehoga-Hauptgeschäftsführer, dem rbb. "Scharfe Kontrollen" seien jedoch nicht zielführend. "Ich finde, wir sollten kommunizieren und letztendlich den Gewerbetreibenden auffordern, das Gesetz einzuhalten."

Dass Betriebe mit weniger als 80 Quadratmetern Verkaufsfläche von dem Gesetz nicht betroffen sind, sieht Lengfelder kritisch. "Wenn man ehrlich ist: Gerade diese Betriebe sind natürlich die Hauptverursacher dieses Mülls, wenn man an das 'To go'-Geschäft denkt", sagte er. "Wenn die letztendlich nicht mit inbegriffen sind, dann macht das Gesetz wenig Sinn."

Umweltschutzverein klagt gegen große Verursacher

Laut Umweltbundesamt ist das Aufkommen von Verpackungsabfällen in den vergangenen drei Jahrzehnten massiv angestiegen. Zuletzt fielen demnach in Deutschland jährlich knapp 19 Millionen Tonnen Verpackungsmüll an [umweltbundesamt.de].

Wie viel Einweg- und Verpackungsmüll in der Gastronomie anfällt, wird in Berlin und Brandenburg nicht zentral erfasst. Die Betriebe müssen die Entsorgung selbst beauftragen. Als größte Verursacher gelten große Fast-Food-Ketten, aber auch Supermärkte, Kinos, Tankstellen und ähnliche.

Die Deutsche Umwelthilfe hat unterdessen Klage gegen eine Reihe von Konzernen und großen Franchisenehmern innerhalb großer Ketten eingereicht. Diese würden sich nicht an das neue Gesetz halten, heißt es zur Begründung am Montag. "Nachdem die [Deutsche Umwelthilfe] im Januar bei Testbesuchen zahlreiche Verstöße festgestellt hatte, wollten sich die Unternehmen nicht zur Einhaltung der gesetzlichen Mehrwegangebotsregelung verpflichten", teilte der Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzverein mit.

Konkret richtet sich die Klage gegen Edeka, Rewe, Starbucks und Yormas. Andere Unternehmen wie Cinestar, Cineplex oder Backwerk hätten ihr Mehrwegangebot nach Testbesuchen der Deutschen Umwelthilfe zu Jahresbeginn nachgebessert und sich verpflichtet, die gesetzlichen Vorgaben künftig einzuhalten, hieß es.

Der rbb hat sämtliche kommunale Verwaltungen in Berlin und Brandenburg zur aktuellen Lage der Kontrollen befragt. Antworten aus dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf sowie den Landkreisen Märkisch-Oderland, Ostprignitz-Ruppin und Uckermark blieben bis Redaktionsschluss aus.

Mitarbeit: Bärbel Lampe, Caroline Neubert und Henrike Reintjes

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.05.2023, 19.30 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

67 Kommentare

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  1. 67.

    Es ist auch die Frage, ob jedes kleine Teil, Obst und Gemüse in Plastik verpackt ist, überall Einweghanschuhe (Bäcker, Fleischer, Gastronomie...) verwendet werden müssen. Einwegflaschen sind das Non plus ultra, dabei gibg es früher mit Mehrweg.
    Da gäbe es auch andere Lösungen.
    Grundsätzlich ist es sinnvoll weniger Einweg zu verwenden

  2. 66.

    "Ich bin schon ein Alter Sack, mit etwas Lebenserfahrung und sagt mir, es könnte alles so bleiben, wenn die Leute ihren Dreck ordentlich entsorgen, oder zb. Pfandflaschen zurück geben."

    Selbst wenn das die Leute machen würden werden davon die Plastik Müllberge nicht kleiner.

  3. 65.

    Es ist wirklich erstaunlich wie ihr euch alle rund macht, jeder möchte recht haben aber es hat keiner recht! Ich bin schon ein Alter Sack, mit etwas Lebenserfahrung und sagt mir, es könnte alles so bleiben, wenn die Leute ihren Dreck ordentlich entsorgen, oder zb. Pfandflaschen zurück geben. Natürlich ist es besser alles von zuhause mit zunehmen, so wars früher mal aber die Welt dreht sich weiter. Ich gestehe auch ich bestelle Pizza, ist halt bequem. Weiter machen, aber sauber alles trennen!

  4. 64.

    Genau da liegt das Problem: Es gibt kein einheitliches Pfandsystem und eigenes Geschirr darf nicht in den Hygienebereich des Restaurants oder Geschäfts gelangen. Das ist gesetzlich verboten und könnte sehr teuer werden. Macht auch Sinn, weil keine Keime von außen eingeschleppt werden sollen. Der Gastronom kann ja nicht garantieren, dass das mitgebrachte Geschirr hygienisch einwandfrei ist. Man kann dann höchstens vom Einweggeschirr selbst ins eigene umfüllen, was natürlich unsinnig ist, wenn man eben dieses vermeiden will. Mehrweg lohnt sich für die Kunden im Grunde nur dann, wenn man regelmäßig Essen von einem bestimmten Restaurant abholt. Für alles andere ist der Aufwand eigentlich auf beiden Seiten zu hoch.

  5. 63.

    Etwas lebensfremd sind Sie schon, oder? Sie werden Menschen nicht vorschreiben, wann und wo und wie sie essen und trinken. Ich werde Ihnen nicht erklären, weshalb Sie überziehen. Das können Sie durch Teilnahme am Alltag der arbeitenden Bevölkerung selbst herausfinden.

  6. 62.

    Jedes Gesetz was nicht kontrolliert werden kann ist ein Gesetz für Betrüger. Besser sind Steuererleichterungen da der sie haben will es nachweisen muss, aber das ist ja pöse Fdp Politik. Verbote ohne Kontrolle wollen dann doch die Meisten.

  7. 61.

    Wer macht eigentlich wo was sauber ? Ich fühle mich hier beim Mehrweg nicht ausreichend informiert (bei Themen wie Gasheizungen eher überinformiert, hier reduziert sich das ganze wohl auf pro oder contra bescheisser).

    Warum nicht auch beim Mehrweg ? Klar ist das ein Wettbewerbsnachteil für diejenigen, die es richtig und gesetzestreu machen !

    Den Hilferuf seitens der Ordnungsbehörden gab es doch schon ! Warum nicht BVG-Kontrolleure damit befassen und nach einer Woche wäre das Gesetz flächendeckend durchgesetzt !?

    Ohne Kontrollen fallen zuerst diejenigen um, die sich an Gesetze halten, Ne Betriebsschliessung zu erwirken (wenn nen Inhaber auf alle Gesetzte pfeifft) dauert nen Jahr !

    Soviel Zeit haben viele redliche Inhaber nicht, Dicke Autos sind oft Indiz für Verstösse, wenn nicht gar Gammelware-EK !

  8. 60.

    Nein, das ist nicht (nur) ein Problem verwahrloster urbaner Lebensräume, sondern eher der sich immer stärker beschleunigenden Lebensweise geschuldet. Mancher hat dadurch weder Zeit noch Kraft täglich zu kochen. Und da man heute fast überall und jederzeit fertiges Essen zum Mitnehmen bekommt, muss man das ja auch nicht mehr. Natürlich nimmt das mitunter kaum nachvollziehbare Ausmaße an. Warum muss man auf dem Weg zur Arbeit einen Coffee to go kaufen, wenn man sowohl zuhause als auch bei der Arbeit Kaffee und Kaffeemaschine hat? Oft fehlt es nachher an Möglichkeiten, die Einwegsverpackungen ordentlich zu entsorgen, und dann stellt man sie eben neben übervolle Mülleimer. Mehrwegsverpackungen wären eine Lösung. Aber nur, wenn sie genormt werden und es dafür überall Pfandautomaten gibt. Niemand möchte mit schmutzigem Geschirr in der Handtasche herumlaufen.

  9. 59.

    Pizzakartons können allerdings wegen der Verschmutzung mit Lebensmittelresten nicht als Papier recycelt werden und gehören in den Restmüll.

  10. 58.

    Sie sind aber auch nicht gerade auf dem neuesten Stand. In den Lifestyle-Magazinen gibt es aktuell jede Menge Rezepte für schicke Bowls, die man als Mittagessen zur Arbeit mitnehmen kann. Inzwischen sind nämlich gerade junge Leute drauf gekommen, dass das gesünder, billiger und unweltbewusster ist als Fastfood aus der Einwegbox. ;-)

  11. 57.

    Genau. Gut erkannt. Das ist das Problem im normalen Alltag. Ich trage bestimmt kein leeres Geschirr u.ä. mit mir herum.

  12. 55.

    Einweg ist bei uns eh die Ausnahme, denn bei uns wird noch gekocht. Vielleicht ist das alles nur ein Problem von etwas verwahrlosten urbanen Räumen?

  13. 54.

    Ständig wird geredet weniger Einweg auch bei Restaurants Kantinen etc.
    Die Nichtkontrolle wäre das Problem. Das sehe ich anders warum wird kein Wort wie soll das in der Praxis aussehen, bin ich dann mit Pfandgeschirr gebunden an einem bestimmten Anbieter? Wie wäre es wenn ich selber mein eigen Mehrweggeschirr mitbringe. Selbiges habe ich schon sehr oft getan. Leider wurde mir auch oft die Befüllung abgelehnt, nicht hygienisch verboten. Meine Frage bei diesem Gesetz. Was ist nun wirklich war?

  14. 53.

    Antwort auf sabi 16.41 Uhr

    "Die Pizzaschachtel kommt in den Restmüll. "

    Bei mir nicht - ich könnte auch zum Schadstoffmobil fahren..............

  15. 51.

    Das ist wahrhaftig nicht das einzige Gesetz, welches nicht kontrolliert wird in diesem Land.

  16. 50.

    Ihre ständigen, hasserfüllten Kommentare sind das eine, einen Mitdiskutanten mit Umweltsau zu betiteln das andere. Was glauben Sie eigentlich wer Sie sind?

  17. 49.

    Einem Ignoranten dem die Umwelt egal ist, dem der Planet auf dem wir alle leben, zu sagen was ich von dem halte ist unhöflich?
    Na gut, nehme alles zurück. Umweltsau passt wohl eher.....

  18. 48.

    Nein, auch wenn alles verputzt ist ;-)
    Die Schachteln müssen unbeschichtet sein ...
    auch nichts für die Papiertonne wegen Beschichtung sind z.B. Backpapier, Kassenzettel, Fahrscheine
    (Quelle: BSR)

    P.S. Gibt jetzt ein großes Problem mit "besonderen" Papiertüten aus dem Supermarkt. Recycling nicht möglich.

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