Luftwaffenstützpunkt Holzdorf - Neues Raketenabwehrsystem soll Wirtschaftswachstum bringen

Mo 16.10.23 | 19:22 Uhr
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Besuch des Verteidigungsministers von Israel anlässlich der Zeichnung Joint Declaration of Intent und des Vertrags zu Raketenabwehrsystem ARROW 3 mit Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung und Frau Oberstarzt Dr. Sonja Fischer, Leiterin Protokoll . (Quelle: Imago Images/Chris Emil Janssen)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 16.10.2023 | Material: Katrin Neumann | Bild: Imago Images/Chris Emil Janssen

Ein neues Raketenabwehrsystem und eine Hubschrauber-Staffel sollen in Holzdorf stationiert werden. Sicherheitsbedenken weisen die Entscheider zurück - sie erwarten mehr Sicherheit für die Region. Und Wirtschaftswachstum. Von Stephanie Teistler

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) landet mit einem Hubschrauber der Luftwaffe auf dem Stützpunkt Holzdorf. Ihm schließen sich auch die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen-Anhalt an: Dietmar Woidke (SPD) und Reiner Haseloff (CDU) lassen sich auf dem Gelände zeigen, wo die Raketenwerfer stehen sollen, die ihrerseits in der Lage sind, feindliche Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2.400 Kilometern in der Stratosphäre abzufangen.

Raketenabwehrsystem für zukünftige Gefahren

Die Entscheidung, am Fliegerhorst Holzdorf das von Israel und den USA entwickelte Raketenabwehrsystem Arrow 3 zu stationieren, werde den Standort noch "größer und wichtiger" machen, sagt Pistorius. Derzeit sind hier etwa 1.800 Soldatinnen und Soldaten sowie Zivilistinnen und Zivilisten beschäftigt. Zwar gebe es derzeit keine akute Angriffsgefahr. Man beschaffe das System, um das Land in Zukunft vor Bedrohungen zu schützen, "weil wir merken, dass die Gefahr näher rückt und es einen aggressiven Nachbarn in Europa gibt".

Arrow 3 soll 2025 an dem Standort stationiert werden, der im Grenzgebiet von Sachsen-Anhalt und dem Brandenburger Landkreis Elbe-Elster liegt. Ob es wegen des Kriegs in Israel dabei zu Verzögerungen kommen werde, weil sich die Situation auf Produktions- oder Lieferzeiträume auswirke, konnte Pistorius noch nicht sagen. Bisher gebe es keine Zeitverzögerungen.

Neben dem Raketenabwehrsystem soll am Fliegerhorst eine neue Hubschrauber-Staffel stationiert werden. Es handelt sich um insgesamt 47 "Chinook"-Transporthubschrauber von Boeing. Ab 2027 rechne man mit den ersten drei Maschinen, so Pistorius. Eine Investition von insgesamt 700 Millionen Euro in den kommenden Jahren sei damit geplant. Finanziert aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr.

Gemischte Erwartungen in der Region

Eine nicht-repräsentative Umfrage im nahegelegenen Schönewalde zeigt, dass mit der Stationierung Hoffnungen, aber auch Ängste verbunden sind. Eine Rettungssanitäterin schildert dem rbb, sie mache sich durchaus Gedanken, ob das Raketenabwehrsystem in unmittelbarer Nähe auch ein Angriffspunkt sein könne. Eine Hauswirtschafterin im Pflegedienst berichtet davon, dass sich besonders ältere Menschen deshalb sorgten. Sie gehe dann auf die positiven Seiten ein und hofft selbst, dass der Ort etwa kulturell von dem wachsenden Luftwaffenstandort profitieren könne.

So sieht es auch ein Mitgesellschafter einer Agrargenossenschaft: "Ich hoffe, das bringt ein bisschen Aufschwung in unseren kleinen Ort." Er erwarte mehr Arbeitsplätze, mehr Menschen, die sich in den Dörfern niederlassen, und dadurch wieder mehr Geschäfte.

Die wirtschaftlichen Chancen betonen ein paar Kilometer entfernt auch die beiden Ministerpräsidenten und der Bundesverteidigungsminister. Sorgen vor einer höheren Gefahr für die Region durch das stationierte Raketenabwehrsystem weisen sie zurück. "Es gibt keine höhere Gefährdung als vorher, eigentlich sogar eine niedrigere", so Pistorius. Schließlich werde das gesamte Luftverteidigungssystem neu ausgerichtet.

Wirtschaftsimpuls für strukturschwache Region

Auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Haseloff spricht von einer verteidigungspolitischen Grundsatzentscheidung, die für die gesamte Region ein Impuls sei. Er erwarte darüber hinaus positive Auswirkungen für die Region in einem Umkreis von 50 bis 100 Kilometern. "Das wird Sogwirkung haben", so Haseloff, die man "von der Größenordnung her" gar nicht groß genug einschätzen könne. Etwa 700 zusätzliche Soldaten und Soldatinnen sowie Zivilistinnen und Zivilisten werden am Standort erwartet.

Auf die wirtschaftliche Strahlkraft dieser militärischen Ansiedlung auf die sonst eher strukturschwache Region setzt auch der Brandenburger Ministerpräsident Woidke. Er erwartet, dass die Infrastruktur rund um den Fliegerhorst schnell mitwachsen müsse. Die Rede ist von Kita- und Schulplätzen, neue Baugebiete für Wohnhäuser, aber auch der Anbindung an Straßen- und Schienenverkehr.

Geld aus dem Kohleausstieg flankiert die Luftwaffen-Erweiterung

Für die schnelle Umsetzung wolle man auch Mittel aus dem Kohleausstieg einsetzen. Man wolle Geld aus dem Strukturstärkungsgesetz "nicht nur für die Bedürfnisse der Bundeswehr, sondern auch vor allen Dingen für die Bedürfnisse der wirtschaftlichen Entwicklung der Region insgesamt" einsetzen, sagte Woidke. Außerdem kündigte er eine Taskforce an, in der die betroffenen Länder, die Luftwaffe und die kommunale Ebene vertreten seien.

Im August hatte sich Deutschland für das Raketenabwehrsystem Arrow 3 entschieden. Es soll laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein "Sicherheitsgewinn für ganz Europa" sein. Arrow 3 fängt ballistische Mittel- und Langstreckenraketen in einer Höhe von bis zu 100 Kilometern ab.

Insgesamt wolle die Bundesregierung vier Milliarden Euro dafür ausgeben. Arrow 3 soll im Nato-Verbund einen Raketenschutzschirm bilden – und die Abwehr von Luftangriffen aus kurzer oder mittlerer Entfernung ergänzen. Neben dem Standort in Holzdorf sind noch zwei weitere Standorte in Süd- und Norddeutschland geplant. Die würden derzeit geprüft, so Pistorius.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.10.2023, 19:30 Uhr

21 Kommentare

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  1. 20.

    Sind wir wieder an einem Punkt der deutschen Geschichte angelangt in der Waffen und Kriegspolitik gleichzusetzen ist mit Wirtschaftswachstum? Willkommen im Jahr 1933 - und wieder ist es die SPD

  2. 19.

    Also ich habe mit absoluter und einheitlicher Zustimmung mit dem Motto "Ja das schaffen wir" aller Kommentatoren gerechnet.
    Wurde sicher auch schon vor der Wahl in Polen beschlossen.
    Sei es drum, nun empfinde ich es um ein gewaltiges Stück sicherer in Deutschland/Europa.
    In diesen Sinne - Frieden schaffen mit noch mehr Waffen!!!

  3. 18.

    Holzendorfer, Ihr seid auf dem Holzweg und nun ein legitimes Atombombenziel des Gegners.
    Wir gratulieren!

  4. 16.

    Nach kurzer Recherche zu Arrow3. Das System könnte man auch als ICBM-Schutzschirm für die USA gegen ICBMs aus Richtung O bzw. SO einsetzen.

  5. 15.

    "feindliche Raketen mit einer Reichweite von bis zu 2.400 Kilometern in der Stratosphäre abzufangen." Wo wäre der Zielort einer solchen Rakete, die man über D abfängt? Sind das auch Interkontinentalraketen welche man auf der Flugbahn Richtung weit entfernter Endziele hier früh abfangen könnte?

  6. 14.

    "das von Israel und den USA entwickelte Raketenabwehrsystem Arrow 3" Warum ist Deutschland nicht mehr in der Lage solche militärisch strategischen Mittel selbst zu entwickeln?

  7. 13.

    Der Schwachsinn wird immer größer, statt in Bildung und Forschung zu investieren, werden
    Raketen Abwehr Systeme für teures Geld im Ausland gekauft. Wenn der böse Putin Raketen auf Deutschland abschiesst dann sind wir im Atomkrieg. Da hilft uns das eine Raketen Abwehr System auch nicht mehr weiter. Ich frage mich langsam was geht in den Köpfen der Politiker so vor. Das schlimme ist es sind unser aller Steuergelder die sinnlos
    Vergeudet werden.

  8. 12.

    Das mit dem regionalen Wirtschaftszuwachs ist nicht an irgendwelche Produktionen gebunden, sondern allein durch die Anwesenheit der vielen Soldaten und der Aufträge an regionale Unternehmen im zivilen Verwaltungsbereich.
    So ein Bundeswehrstützpunkt braucht nämlich viel mehr als nur ein paar Platzpatronen und Granaten. Die brauchen täglich Versorgung, Handwerker, Servicekräfte usw... Auf so nem Kasernenhof arbeiten auch unzählige Zivilangestellte.

  9. 11.

    In Israel kann man jetzt tägich die tolle Wirksamkeit von Arrow 3 erleben. Massenhaft schlagen dort Hamas-Raketen ein.

  10. 10.

    "Sicherheitsgewinn für ganz Europa".
    Ich Frage mich was der Mann unter Sicherheit versteht.
    Friedenspolitik, gemeinsamer Handel, kultureller Austausch das ist Sicherheitspolitik. Alles andere nennt man Aufrüstung, die zu Nachrüstung auf der Gegenseite führt.

  11. 9.

    Schon allein die euphorische Überschrift - ein Raketensystem bringt Wirtschaftswachstum - ist ein Anachronismus. Was brauchen wir eine hohe Arbeitsproduktivität wenn es mit Waffen geht.

  12. 8.

    "Neues Raketenabwehrsystem soll Wirtschaftswachstum bringen" - na dann viel viel mehr davon!!!

  13. 7.

    Wirtschaftswachstum durch Militär,.....wird dort auch produziert?.....oder ein neues Badeparadies gebaut?

  14. 6.

    Also 700 gut bezahlte Menschen ist schon eine Hausnummer.
    Schleswig Holstein und Niedersachsen haben seinerzeit ziemlich gut davon profitiert.
    Wenn ich mich an meinen Wehrdienst erinnere, habe ich den Großteil des Soldes in der lokalen Schankwirtschaft und am WE auch mal an der Nordsee oder in den Diskotheken der schleswigschen Dörfer liegen lassen.

  15. 5.

    Wir gratulieren Holzendorf zu diesem zusätzlichen Gewinn an Sicherheit.

  16. 4.

    Wachstum durch Rüstung? Da muss man die Volkswirtschaft fragen - bisher stand Rüstung immer auf der Ausgabenseite.
    Ganz lokal mag ja irgendwer meinen, aus der Sache ein Geschäft machen zu können. Aber am Ende produzieren die da nix, was als Ware gewinnbringend verkauft werden könnte. Es ist die Illusion von Sicherheit und Unbesiegbarkeit, die der Verständigung der Völker, und somit der wirklichen Sicherheit nur im Weg steht.
    Schon im ersten Weltkrieg gab es Beispiele, daß Frontsoldaten, die die Kämpfer der Gegenseite kennengelernt hatten, nicht mehr kämpfen wollten. Warum also nicht gleich so?

  17. 3.

    Ich wünschte, mich gäbe es wirklich. Eine Welt ohne Waffen. Hex, Hex.....

  18. 2.

    Bin gespannt was der Eulenspiegel nun wieder zum Text von Frau Teistler zu sagen hat.

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