Bertelsmann-Studie - Tausende Kita-Plätze und Hunderte Erzieher fehlen in der Region
Rund 20.000 zusätzliche Kita-Plätze werden in Berlin gebraucht, mehr als 6.000 sind es in Brandenburg. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung. Dazu kommt fehlendes Personal. Es gibt aber auch teils gute Nachrichten.
- Erzieherinnen und Erzieher müssen laut Studie zu viele Kinder betreuen
- Kaum Aussichten auf Lösung für den Fachkräftemangel
- Lange Wartezeiten auf Betreuungplätze
- Skepsis über Bertelsmann-Empfehlungen zur Verbesserung der Lage
In Berlin und Brandenburg fehlen derzeit mehrere tausend Kita-Plätze. Nach Angaben einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung gefährdet in beiden Bundesländern vor allem die geringe Zahl an Fachkräften eine kindgerechte Betreuung, tausende Familien in Berlin und Brandenburg müssen dabei lange Zeit auf einen Betreuungsplatz warten.
Hohe Betreuungszahlen, aber auch höherer Bedarf und fehlende Plätze in Brandenburg
In Brandenburg werden der Bertelsmann Studie zufolge derzeit deutlich mehr Kinder in Kitas und Krippen betreut als im Bundesdurchschnitt. Gleichzeitig liegt auch der Personalschlüssel, also die behördlichen Vorgaben, wieviele Betreuer für wieviele Kinder nötig sind, in Brandenburg deutlich über dem Bundesschnitt, so das aktuelle Ländermonitoring der Stiftung.
57 Prozent (Bundesdurchschnitt: 36 Prozent) der Unter-Dreijährigen und 94 Prozent der Über-Dreijährigen werden demnach in Brandenburg in einer Kita oder Krippe betreut – doch eigentlich wäre der Bedarf sogar noch höher, heißt es in der Studie der Bertelsmann Stiftung. Sie geht von 6.700 fehlenden Kita-Plätzen in Brandenburg aus. Hinzu kommt: In den allermeisten Fällen seien auch die Gruppen zu groß, heißt es in der Studie. In den Krippen sei eine Fachkraft in der Regel für fünf Kinder verantwortlich; in Westdeutschland seien es dagegen nur 3,4 Kinder.
In den Kitas Brandenburgs liegt der sogenannte Betreuungsschlüssel laut Studie bei einem Verhältnis von 1 zu 9,4 ebenfalls höher als der empfohlene Wert von 1 zu 7,5 (Erzieher/Erziehereinnen : Kind). Das bedeute, dass die Kitas in Brandenburg aktuell ihren Bildungsauftrag für die Mehrheit der Kinder nicht erfüllen könnten, sagt Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung.
Auch in Berlin: Keine kindgerechten Vorgaben für die Betreuung
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Autoren der Bertelsmann Stiftung auch für Berlin. Ihnen zufolge ist der Kita-Personalschlüssel in der Hauptstadt für mehr als drei Viertel der betreuten Kinder nicht kindgerecht.
Vor allem für die Allerjüngsten seien zu wenige Fachkräfte an Bord, heißt es in dem Papier. Eine Erzieherin sei rechnerisch für mehr als fünf Kleinkinder zuständig, statt wie wissenschaftlich empfohlen nur für drei. Weil darüber hinaus etwa wegen Urlaubs- und Krankheitstagen im Kita-Alltag Erzieherinnen zeitweise nicht da sind, sei eine Fachkraft de facto sogar mit fast acht Kleinkindern befasst. Das beeinträchtigt aus Sicht der Studie die Qualität der pädagogischen Arbeit.
Positiver sieht es nach Einschätzung der Studie in Berlins Kitas für Gruppen ab drei Jahren aus mit einem Betreuungsschlüssel von 7,6 Kindern pro Erzieherin, was nahezu der wissenschaftlichen Empfehlung entspricht. Für andere Gruppen dagegen - etwa mit Zweijährigen und Älteren - ist die Betreuungsrelation in Berlin den Daten zufolge ungünstiger als in denen ab drei Jahren und als in Kleinkindgruppen.
Nötig sind laut der Studie für Berlin fast 20.000 weitere Kita-Plätze, weil in der Stadt den Daten zufolge nur knapp die Hälfte der unter Dreijährigen betreut wird, trotz des deutlich höheren Bedarfs. Von den Kindern ab drei Jahren haben 92 Prozent einen Betreuungsplatz, nötig hätten ihn ebenfalls mehr.
Die Quote der in einer Kita oder Krippe betreuten Kinder liegt in Berlin bei 47 Prozent und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt (36 Prozent) und deutlich unter der Quote in Brandenburg (57).
Bessere Aussichten erst für 2030 in Brandenburg
Die detailierten Auswertung der Betreuung in Brandenburg zeigt ähnlich wie in Berlin: Der Personalschlüssel fällt noch schlechter aus, wenn die Urlaubs- und Krankheitstage der Erzieherinnen und Erzieher sowie Zeiten für die Vor- und Nachbereitung hinzugerechnet werden.
Allerdings sieht die Studie gute Chancen, dass Brandenburg bis 2030 die empfohlenen Personalschlüssel umsetzen kann: Dafür sprächen zum Beispiel die sinkenden Kinderzahlen. Außerdem müssten dafür rund 1.100 Fachkräfte neu für die Kitas gewonnen und die Erzieherinnen und Erzieher von nicht-pädagogischen Aufgaben entlastet werden - beispielsweise in den Bereichen Hauswirtschaft und Verwaltung. Eine weitere Möglichkeit, um bessere Betreuungsschlüssel zu erreichen, sehen die Studienautorinnen in verkürzten Kita-Öffnungszeiten – sieben Stunden schlagen sie vor.
Klare Empfehlungen: Anpassungen durch den Arbeitgeber für bessere Betreuung
Arbeitgeber müssten die Arbeitszeiten von Eltern stärker an die Öffnungszeiten von Kitas anpassen, heißt es in den Empfehlungen der Studie. Das jedoch halten Elternverbände, Arbeitnehmervertreter und Kita-Träger für unrealistisch – schließlich seien viele Eltern auf entsprechende Betreuungszeiten angewiesen, und auch Fachkräfte in Vollzeit müssten auf ihre Stunden und damit auf ein bestimmtes Gehalt kommen können.
Die Bertelsmann-Studie appelliert an die Politik, mehr Fachkräfte in die Kitas zu holen, etwa, indem alle Erzieherinnenausbildungs-Absolventinnen auch eingestellt werden und dazu Quereinsteigerinnen. Gleichzeitig müssten Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte die Erzieherinnen von nicht-pädagogischen Aufgaben entlasten.
Für das "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" wurden statistische Daten des Bundes und der Länder ausgewertet.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 28.11.2023, 19:30 Uhr