Bertelsmann-Studie - Tausende Kita-Plätze und Hunderte Erzieher fehlen in der Region

Di 28.11.23 | 06:11 Uhr
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Symbolbild: Spielzeug liegt in einem Sandkasten in einer Kindertagesstätte. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
Audio: rbb 88.8 | 28.11.2023 | Kirsten Buchmann | Bild: dpa/Monika Skolimowska

Rund 20.000 zusätzliche Kita-Plätze werden in Berlin gebraucht, mehr als 6.000 sind es in Brandenburg. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung. Dazu kommt fehlendes Personal. Es gibt aber auch teils gute Nachrichten.

  • Erzieherinnen und Erzieher müssen laut Studie zu viele Kinder betreuen
  • Kaum Aussichten auf Lösung für den Fachkräftemangel
  • Lange Wartezeiten auf Betreuungplätze
  • Skepsis über Bertelsmann-Empfehlungen zur Verbesserung der Lage

In Berlin und Brandenburg fehlen derzeit mehrere tausend Kita-Plätze. Nach Angaben einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung gefährdet in beiden Bundesländern vor allem die geringe Zahl an Fachkräften eine kindgerechte Betreuung, tausende Familien in Berlin und Brandenburg müssen dabei lange Zeit auf einen Betreuungsplatz warten.

Hohe Betreuungszahlen, aber auch höherer Bedarf und fehlende Plätze in Brandenburg

In Brandenburg werden der Bertelsmann Studie zufolge derzeit deutlich mehr Kinder in Kitas und Krippen betreut als im Bundesdurchschnitt. Gleichzeitig liegt auch der Personalschlüssel, also die behördlichen Vorgaben, wieviele Betreuer für wieviele Kinder nötig sind, in Brandenburg deutlich über dem Bundesschnitt, so das aktuelle Ländermonitoring der Stiftung.

57 Prozent (Bundesdurchschnitt: 36 Prozent) der Unter-Dreijährigen und 94 Prozent der Über-Dreijährigen werden demnach in Brandenburg in einer Kita oder Krippe betreut – doch eigentlich wäre der Bedarf sogar noch höher, heißt es in der Studie der Bertelsmann Stiftung. Sie geht von 6.700 fehlenden Kita-Plätzen in Brandenburg aus. Hinzu kommt: In den allermeisten Fällen seien auch die Gruppen zu groß, heißt es in der Studie. In den Krippen sei eine Fachkraft in der Regel für fünf Kinder verantwortlich; in Westdeutschland seien es dagegen nur 3,4 Kinder.

In den Kitas Brandenburgs liegt der sogenannte Betreuungsschlüssel laut Studie bei einem Verhältnis von 1 zu 9,4 ebenfalls höher als der empfohlene Wert von 1 zu 7,5 (Erzieher/Erziehereinnen : Kind). Das bedeute, dass die Kitas in Brandenburg aktuell ihren Bildungsauftrag für die Mehrheit der Kinder nicht erfüllen könnten, sagt Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung.

Auch in Berlin: Keine kindgerechten Vorgaben für die Betreuung

Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Autoren der Bertelsmann Stiftung auch für Berlin. Ihnen zufolge ist der Kita-Personalschlüssel in der Hauptstadt für mehr als drei Viertel der betreuten Kinder nicht kindgerecht.

Vor allem für die Allerjüngsten seien zu wenige Fachkräfte an Bord, heißt es in dem Papier. Eine Erzieherin sei rechnerisch für mehr als fünf Kleinkinder zuständig, statt wie wissenschaftlich empfohlen nur für drei. Weil darüber hinaus etwa wegen Urlaubs- und Krankheitstagen im Kita-Alltag Erzieherinnen zeitweise nicht da sind, sei eine Fachkraft de facto sogar mit fast acht Kleinkindern befasst. Das beeinträchtigt aus Sicht der Studie die Qualität der pädagogischen Arbeit.

Positiver sieht es nach Einschätzung der Studie in Berlins Kitas für Gruppen ab drei Jahren aus mit einem Betreuungsschlüssel von 7,6 Kindern pro Erzieherin, was nahezu der wissenschaftlichen Empfehlung entspricht. Für andere Gruppen dagegen - etwa mit Zweijährigen und Älteren - ist die Betreuungsrelation in Berlin den Daten zufolge ungünstiger als in denen ab drei Jahren und als in Kleinkindgruppen.

Nötig sind laut der Studie für Berlin fast 20.000 weitere Kita-Plätze, weil in der Stadt den Daten zufolge nur knapp die Hälfte der unter Dreijährigen betreut wird, trotz des deutlich höheren Bedarfs. Von den Kindern ab drei Jahren haben 92 Prozent einen Betreuungsplatz, nötig hätten ihn ebenfalls mehr.

Die Quote der in einer Kita oder Krippe betreuten Kinder liegt in Berlin bei 47 Prozent und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt (36 Prozent) und deutlich unter der Quote in Brandenburg (57).

Bessere Aussichten erst für 2030 in Brandenburg

Die detailierten Auswertung der Betreuung in Brandenburg zeigt ähnlich wie in Berlin: Der Personalschlüssel fällt noch schlechter aus, wenn die Urlaubs- und Krankheitstage der Erzieherinnen und Erzieher sowie Zeiten für die Vor- und Nachbereitung hinzugerechnet werden.

Allerdings sieht die Studie gute Chancen, dass Brandenburg bis 2030 die empfohlenen Personalschlüssel umsetzen kann: Dafür sprächen zum Beispiel die sinkenden Kinderzahlen. Außerdem müssten dafür rund 1.100 Fachkräfte neu für die Kitas gewonnen und die Erzieherinnen und Erzieher von nicht-pädagogischen Aufgaben entlastet werden - beispielsweise in den Bereichen Hauswirtschaft und Verwaltung. Eine weitere Möglichkeit, um bessere Betreuungsschlüssel zu erreichen, sehen die Studienautorinnen in verkürzten Kita-Öffnungszeiten – sieben Stunden schlagen sie vor.

Klare Empfehlungen: Anpassungen durch den Arbeitgeber für bessere Betreuung

Arbeitgeber müssten die Arbeitszeiten von Eltern stärker an die Öffnungszeiten von Kitas anpassen, heißt es in den Empfehlungen der Studie. Das jedoch halten Elternverbände, Arbeitnehmervertreter und Kita-Träger für unrealistisch – schließlich seien viele Eltern auf entsprechende Betreuungszeiten angewiesen, und auch Fachkräfte in Vollzeit müssten auf ihre Stunden und damit auf ein bestimmtes Gehalt kommen können.

Die Bertelsmann-Studie appelliert an die Politik, mehr Fachkräfte in die Kitas zu holen, etwa, indem alle Erzieherinnenausbildungs-Absolventinnen auch eingestellt werden und dazu Quereinsteigerinnen. Gleichzeitig müssten Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte die Erzieherinnen von nicht-pädagogischen Aufgaben entlasten.

Für das "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" wurden statistische Daten des Bundes und der Länder ausgewertet.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 28.11.2023, 19:30 Uhr

28 Kommentare

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  1. 28.

    Ich hab grundsätzlich und auch leider ein sehr gutes Erinnerungsvermögen. Im übrigen sind das gerade in diesem Alter sehr eindrucksvolle Empfindungen, die bei entsprechendem Trigger an die Oberfläche kommen. Ich muß aber auch zugeben, daß meine Mutter mir einige Dinge erzählt andere aber auch bestätigt hat.

  2. 27.

    Aha, kompletter Unfug, seltsam das Untersuchungen was ganz anderes zeigen.
    Aber was nicht sein darf, kann natürlich nicht sein ;)

    Gruß ein Erzieher

  3. 26.

    Lieber Steffen,
    auch wir Erzieher* innen haben Kinder,die dann ebenfalls Kia oder Schulferien, sowie Brückentage haben!
    Wir arbeiten fast durchgehend personell unterbesetzt, aufgrund von Krankheiten ( Kollegen oder Kind krank), sowie unbesetzte Stellen wegen Fachkräftemangel.
    Unsere Azubi' s wollen oftmals noch etwas anderes machen,nach der Ausbildung zum Erzieher....
    Auch ich mit 56 Jahren, weiß nicht wie lange ich es noch schaffe...unter den beschriebenen Umständen.

  4. 25.

    Ich habe das Gefühl, dass sie glauben was sie schreiben. Kinder in der Krippe und in der Kita vom Staat beeinflusst. Woher haben sie denn diesen Unfug. Die Kinder waren zwischen 3 Monaten und 6 Jahren alt.

  5. 24.

    Respekt, dass Sie sich an Ihre ersten drei Lebensjahre erinnern können. Haben Sie sich dafür hypnotisieren lassen oder können Sie es einfach so?

  6. 23.

    Im Prinzip gibt es bei Kinderbetreuung und in Senioreneinrichtungen gleiche Probleme. Fachkräftemangel, der durch ausufernde Bürokratie noch verstärkt wird. Wenn ein Kind in seiner altersgerechten Entwicklung anderen hinterherhinkt, z.B. Sprache, Motorik, muss man darüber nicht ellenlange Beurteilungen zu Papier bringen, sondern mit den Eltern reden und Empfehlungen zu geben, wie man dem Kind helfen könnte.
    Im Seniorenheim interessiert sich höchstens der MDK für die sinnfreien Aufzeichnungen, mit deren Erstellung die Pflegekräfte dauernd beschäftigt sind und das ist die Zeit, die für die Alten im Heim und für die Kleinen in der Kita fehlt.

  7. 22.

    Dann definieren Sie doch bitte Ihr "möglichst" früh. Mein Kind ist mit gut einem Jahr in die Krippe(!) gekommen. Die ersten drei Wochen waren schwierig, dann erst mal drei Wochen krank und dann voller Begeisterung.
    Ich selbst wurde, bis ich drei war, häufig bei meiner Großmutter untergestellt, da meine Eltern selbständig und für sie Betreuungsplätze nicht zugänglich waren, wie für Arbeiter und Angestellte. Meine Mutter teilte sich die Geschäftsräume mit ihrem Vater und so trudelte ich dort häufig herum. Dabei kam ich mir manches Mal sehr im Wege vor (im Laden wie auch bei meiner Großmutter, die eigentlich auch keine Zeit für mich hatte). Dann gab es endlich, wenn auch nur halbtags, einen Kindergartenplatz für mich und ich war seelig.
    Sie sehen, ich spreche aus Erfahrung.

  8. 21.

    Bitte gründlich lesen! Von Schäden habe ich nichts geschrieben.
    In ehemaligen DDR war der Staat an einer frühen Kinderbetreuung interessiert, damit die Kinder schon früh im Sinne des Staates beeinflusst werden konnten.

  9. 20.

    Sie sollten meinen Text genau lesen. Ich hatte nur "möglichst früh" geschrieben und nirgendwo, dass Kinder nie eine Betreuungseinrichtung von innen sehen sollen.

  10. 19.

    Das stimmt so nicht. Ich habe mit Anfang 30 nochmal angefangen, im Kindergarten, dual. Das die „Studierenden“, ja, so wurden wir genannt in der Fachschule für Sozialpädagogik dem Personalschlüssel angerechnet wurden war schon doof, weil die Ausbildungsqualität darunter gelitten hat. Ich habe in der Praxis Kollegen erlebt die froh sind endlich in Rente zu gehen. Junge Leute wie mich werden schnell verbrannt. Super! Da kam ich bereits vorher her. Ein Headhunter meinte zu mir nach dem Abschluss: ich bewundere ihre Motivation, ich gebe ihnen 5 Jahre, dann sind wieder raus aus dem Job, so wie einige vor Ihnen.

  11. 18.

    Wenn Sie den Beruf nach Anerkennung ausgesucht haben, dies scheint zumindest ein Beweggrund gewesen zu sein, dann ist es eh die falsche Berufswahl

  12. 17.

    Wenn die Frau nicht allein erziehende ist, dann kann doch auch der Mann zuhause blieben. Problem gelösr

  13. 16.

    "Arbeitgeber müssten die Arbeitszeiten von Eltern stärker an die Öffnungszeiten von Kitas anpassen, heißt es in den Empfehlungen der Studie."
    Echt? Klingt nach Kapitulation und war doch eigentlich andersrum geplant.. Vielleicht nicht immer mehr kostenlos anbieten, sondern auch auf die Finanzierung achten. Und den Erzieherinnen nicht alles vorschreiben, sondern wieder mehr Freiraum gestatten, das motiviert und hält das Personal. Wenn ich daran denken, was unsere Große vor 20 Jahren in der Kita alles so erleben durfte, verglichen mit unserem Jüngsten vor 10 Jahren, will ich gar nicht darüber nachdenken, was heute alles (nicht mehr) gemacht werden darf und wie viele engagierte Erzieherinnen sich noch enttäuscht abgewandt haben.

  14. 15.

    Da fällt mir die Aussage meiner kleinen Tochter von vor 50 Jahren ein: „Mama, du gehst jeden Tag arbeiten, aber Tante Anita kann in den Kindergarten gehen“
    Es gibt Berufe, die haben mit Berufung zu tun und Verantwortung! Daran hapert es ja schon.
    Wir haben freie Berufswahl und es gibt sooo viel offene Stellen. Aber die meisten wollen doch nur noch viel Geld und wenig arbeiten. Das ist weder für das eigene noch für das Portemonnaie des Staates förderlich!

  15. 14.

    Das mit dem frühzeitigen Unterbringen in einer Kita und den möglichen Schäden ist ja nun kompletter Unfug. Zig Tausend Kinder wurden zu DDR Zeiten in solche Einrichtung gebracht damit die Mütter ihrer Arbeit nachgehen konnten. Die Einrichtungen waren durchgehend von 6.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Ich kenne keinen Menschen der dadurch einen Schaden erlitten hat, im Gegenteil. Viele der heutigen, neuen Methoden führen aber in diese Richtung.

  16. 13.

    Das sind doch keine neuen Nachrichten, das höre ich schon seit gefühlt 30 Jahren. Es ist schon bemerkenswert, dass jetzt bei der Haushaltskrise nicht mal im Geringsten daran gedacht wird, endlich die Vermögenden heranzuziehen. Die Energiekonzerne wissen nicht, wohin mit ihren Übergewinnen.

  17. 12.

    Nach meiner Lebenserfahrung haben Menschen, die ständig an Mutters Schürzenzippel hingen und Kindereinrichtungen nur von außen gesehen haben, eher Probleme im sozialen Umgang.

  18. 11.

    Kinder werden also "abgeschoben", wenn beide Elternteile arbeiten gehen? Ich kann hier gar nicht alle Möglichkeiten und Bedürftigkeit durchdeklinieren warum Kinder eine Betreuung brauchen. Allem voran Kontakt mit anderen, auch gleichaltrigen Kindern, Bildung (mein Horizont und meine Fähigkeiten sind nicht der Weisheit letzter Schluß), Schichtarbeit eines oder beider Elternteile (auch in sozialen oder "systemrelevanten" Berufen), arbeitende Eltern - um gerade auch dem Kind einen gewissen Lebensstandard zu bieten. Menschen die einfach arbeiten, um in gewissem Umfang wirtschaftlich unabhängig zu sein und ihre ganz persönlichen Talente und Fähigkeiten auf diese Weise umsetzen möchten. Letzteres gilt auch für Mütter.

  19. 10.

    "Arbeitgeber müssten die Arbeitszeiten von Eltern stärker an die Öffnungszeiten von Kitas anpassen, heißt es in den Empfehlungen der Studie." Wie soll das denn gehen? Selbst in Büros mit variablen Arbeitszeiten ist es Eltern nahezu unmöglich, Vollzeit zu arbeiten, weil die Kita frühmorgens noch und abends schon wieder geschlossen hat. Wäre es nicht Aufgabe des Staates, die Kita-Öffnungszeiten an die Lebensrealitäten anzupassen? Und bei der Gelegenheit sollte man auch gleich mal noch die ständige Schließung an Brückentagen oder die Kita-Ferien im Sommer abschaffen. Nicht alle Eltern können ihre Urlaube nach den Vorgaben der Kita planen.

  20. 9.

    Nun liegt es, meiner Meinung nach, nicht nur an der Bezahlung das sich nicht genug Leute für unseren Beruf begeistern, es sind vor allem die Arbeitsbedingungen und das gesellschaftliche Ansehen. Während andere in Schweden oder Japan auf einer Party sagen "Wow, du bist Erzieher, Respekt!", bekomme ich hier immer ein mitleidiges Lächeln, wenn ich meinen Beruf erwähne...

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