Lernleistungen - Deutsche Schüler erreichen bisher schlechtestes Ergebnis in Pisa-Studie

Di 05.12.23 | 16:54 Uhr
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Symbolfoto / Archiv, 28.11.2018: Ein Schüler am Gymnasium Carolinum nutzt sein iPad im Matheunterricht (Quelle: dpa / Britta Pedersen).
ZB
Video: rbb24 | 05.12.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: ZB

In der neuesten Pisa-Studie schneiden deutsche Schülerinnen und Schüler in Mathematik und beim Lesen so schlecht ab wie noch nie. Unternehmen in Berlin und Brandenburg warnen vor deutlichen Konsequenzen für die regionale Wirtschaft.

  • Deutsche Pisa-Ergebnisse haben sich weiter verschlechtert
  • Besonders schwaches Abschneiden in Mathe, Naturwissenschaften und Lesen
  • Bildungssenatorin will Basiskompetenzen stärken
  • Regionale Unternehmen reagieren besorgt auf Pisa-Ergebnisse

Die deutschen Schülerinnen und Schüler haben in der Pisa-Studie zum internationalen Vergleich von Lernleistungen so schlecht abgeschnitten wie noch nie. Laut den am Dienstag von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Berlin veröffentlichten Ergebnissen verschlechterten sich die Leistungen in den drei untersuchten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz deutlich.

Als einen Grund sieht die OECD die Folgen der Schulschließungen in der Coronapandemie - allerdings gebe es in Deutschland wie in vielen anderen Ländern einen auch schon vor der Coronakrise begonnenen Trend zu schlechteren Schulleistungen.

International knapp über dem Durchschnitt

In Mathematik lag der für Deutschland ermittelte Mittelwert bei 475 Punkten. Das sind 25 weniger als 2018. Der Mittelwert liegt nur noch knapp über dem OECD-Durchschnitt, der um 15 auf 472 Zähler sank.

Die Spitzenreiter Singapur (575), Japan (536) und Südkorea (527) liegen im Bereich Mathematik weit vorn, aber auch Nachbarländer wie die Schweiz (508) und die Niederlande (493) liegen klar vor der Bundesrepublik.

In Sachen Lesekompetenz rutschte Deutschland um 18 auf 480 Punkte ab, was ebenfalls knapp über dem OECD-Schnitt liegt, der um 10 auf 476 Zähler nachgab.

Schülerinnen und Schüler aus 81 Staaten getestet

Ein weiterer Aspekt der Pisa-Studie: Die Schulleistungen unterscheiden sich je nach Geschlecht. Schüler schneiden in Mathematik besser ab, Schülerinnen im Lesen.

Gefragt wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie auch nach ihrem Wohlergehen. Nach wie vor antworteten zwar rund drei Viertel der Schülerinnen und Schüler in Deutschland, sie fühlten sich ihrer Schule zugehörig. Gestiegen ist aber der Anteil der 15-Jährigen in Deutschland, die mit ihrem Leben allgemein nicht zufrieden sind - von 17 Prozent 2018 auf 22 Prozent im vergangenen Jahr.

Für die neueste Pisa-Studie wurden Schülerinnen und Schüler aus 81 Staaten in Mathe, Lesen und Naturwissenschaften getestet. Die Pisa-Daten werden regulär alle drei Jahre erhoben, wegen der Coronapandemie wurden die Tests zuletzt allerdings um ein Jahr auf 2022 verschoben. Ergebnisse zu einzelnen deutschen Bundesländern liegen nicht vor.

Bildungssenatorin will Basiskompetenzen stärken

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sagte bei der Vorstellung des Berichts, wichtig sei nun, die Basiskompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Damit müsse - wie schon in Berlin - bereits in den Kitas angefangen werden.

Die Berliner AfD sieht sich in ihrer Kritik am Berliner Bildungssystem bestätigt. "Der zentrale Baustein für die Schule der Zukunft liegt im Wandel der Schulkultur und in der Konzentration auf Kernfächer wie Deutsch oder Mathematik. Mit Verhätschelung und Absenkung von Standards tut man den Schülern keinen Gefallen; sie müssen gefördert und gefordert werden, um Lernfreude und Leistungswillen zu entwickeln", teilte der AfD-Bildungspolitiker Thorsten Weiß mit.

Brandenburgs Bildungsminister verweist auf Corona

Auch Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) unterstrich in seiner Reaktion, man müsse sich auf die Kernfächer konzentrieren. Brandenburg habe bereits im vergangenen Jahr nach der nationalen IQB-Bildungsstudie reagiert und den Unterrichtsschwerpunkt auf Mathematik und Deutsch gelegt, sagte Freiberg am Dienstag in Potsdam. Und am 1. April sei das Projekt "Abako" zur Förderung mathematischer Basiskompetenzen an Grundschulen gestartet worden, erklärte Freiberg.

Zur Einordnung der jüngsten Pisa-Ergebnisse gehöre aber auch, dass die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse ab April 2022 an den Pisa-Tests teilgenommen hätten, sagte der Minister. "Dieser Jahrgang ist erheblich von den Einschränkungen des Unterrichts in der Corona-Pandemie betroffen."

Die mitregierende CDU sprach von "alarmierenden Ergebnissen". Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, Gordon Hoffmann, forderte konkret: "Am Ende der Klasse 4 braucht es für wirklich alle Schülerinnen und Schülern eine Lesen-Schreiben-Rechnen-Garantie."

Von den Brandenburger Grünen hieß es, die Pisa-Ergebnisse seien "erschreckend" - aber zugleich wegen der Pandemie und des Lehrkräftemangels "leider vorhersehbar". "Wir brauchen mehr individuelle Angebote, damit alle Schüler*innen ihren Bedürfnissen entsprechend gefördert werden", teilte die Grünen-Bildungspolitikerin Petra Budke mit. Lehrkräfte bräuchten Entlastung durch multiprofessionelle Teams.

Unternehmerverbände fordern "Zeitenwende"

Unterdessen warnt der Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Sven Weickert, vor Pisa-Folgen für die regionale Wirtschaft: "Die wirtschaftlichen Folgen des jahrelangen Nicht-Handelns werden uns schon bald einholen. Nationen, die ihren Nachwuchs besser ausbilden, werden uns noch stärker Konkurrenz machen", teilte er am Dienstag mit. Für den Strukturwandel, die Künstliche Intelligenz und andere Zukunftstechniken brauche die junge Generation "erstklassige digitale Kompetenzen".

Am Geld liege der aktuelle Misserfolg nicht, so der Unternehmer weiter. Deutschland gebe pro Kopf fast doppelt so viel für Bildung aus wie der OECD-Schnitt. Vielmehr brauche es "eine Zeitenwende auch in der Bildung". Vor allem in Berlin und Brandenburg brauche es mehr und besser qualifiziertes Personal und eine gezielte Förderung und Integration von benachteiligten Kindern, gerade beim Spracherwerb.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.12.2023, 11 Uhr

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102 Kommentare

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  1. 102.

    Komisch, und ich ging immer davon aus, Corona hätte als Pandemie international alle (Schul-)Systeme & Familien - arm (und nochmal anders arm als in Deutschland!) wie reich - betroffen. Welch Irrtum. Es betraf offenbar nur Deutschland. Alle asiatischen PISA-Erfolgsstaaten waren demnach coronafrei.
    Zum Glück hält Corona jetzt noch für viele Jahre als billige Entschuldigung für allerlei Bildungsdefizite her! Ich sehe in meinen Klassen darin definitiv nicht die Erklärung für den PISA-Schock 23.0.

  2. 101.

    Erstens ist dass das perfekte Argument für DE, weil wir Schulschließungen hatten.

    Zweitens: andere auch Schulschließungen hatten -> siehe Durchschnitt.

    Drittens: nicht alle hatten Schulschließungen bzw. In welchem Ausmaß oder besser in Digitalisierung. Können das ja mal auseinanderdröseln.

    Das wichtigste an PISA ist die Erkenntnis, dass in kaum einen anderen Industrieland schulischer Erfolg so stark vom Elternhaus abhängt.

    PS: Nicht vergessen: gab und gibt auch erhebliche Krankenstände.

  3. 100.

    …eine Gesellschaft, die systematisch Leistung abschafft & herabwürdigt, weil sie als etwas Qualvolles, Unmenschliches, per se Krankmachendes sowie Unnatürliches dargestellt wird, braucht sich nicht wundern, wenn Leistung in den nachfolgenden Generationen auch nicht mehr erbracht wird - wozu auch, das ist ja kein Selbstläufer. Bildung & Leistung, Fleiß & Ausdauer haben keinen kollektiven erstrebenswerten Wert mehr. International laufen uns andere Staaten da schlichtweg den Rang ab.

  4. 99.

    >"Das Argument ist unlogisch von der OECD für D, da es kein Alleinstellungsmerkmal von D innerhalb der OECD ist."
    Das meine ich auch. Andere Länder haben es eben besser überstanden mit der Bildung, weil deren Schulsysteme anders funktionieren als hier - oder besser: wohl auch richtig gut funktionieren. Wohl auch mit besserem Plan B, wenn mal nicht alle in die Schule können.

  5. 98.

    Also wenn die Jugend Wikipedia liest, ist doch alles in Ordnung.

    Ich lese auch lieber Doktorarbeiten als Krimibücher....

  6. 97.

    "Ich verstehe auch die hohen Anforderungen an Schüler, die Messlatte von heute ist mit früher nicht vergleichbar, die Schüler müssen extrem viel leisten." Da kenne ich andere Meinungen von älteren Lehrern. Ich würde das auch anders bewerten anhand der eigenen Kinder. Früher ging es um Wissen, heute nur noch um Kompetenzen und dementsprechend dünn ist heute das Wissen bei vielen Schülern.

  7. 96.

    Kein Wunder, in der Bildungspolitik quatschen bis auf den Weihnachtsmann und der liebe Gott so ziemlich alle der Bildungsvermittlung fremden Personen mit uns bestimmen den Weg der Schulen.
    Und leider wird so vor allem noch mehr von dem gemacht, was bisher nicht funktioniert hat. Dabei setzt man schön auf uralte Rezepte und verpflichtet die paar Menschen, die noch bereit sind sich vor Klassen zu stellen und diese zu unterrichten zur Mangelverwaltung.
    Dank der Milliardärsloverpartei und Erbeninteressenvertretung FDP wird auch eher hier weiter mehr gespart, als endlich investiert.
    Es ist zum Kotzen, sorry

  8. 95.

    >"Es ging mit um die Klassengröße."
    Ja eben! Solche Klassengrößen mit nur einem Lehrer gehen nur, wenn die Gesellschaft an sich ein großes Ganzes ist mit Disziplin und Umsicht und nicht wie hier jeder für sich und politisch mal hü mal hott.
    In Japan und Korea werden die Menschen schon von Kindesbeinen an so erzogen, dass Menschenmasse auf engem Raum auch funktioniert.

  9. 94.

    ""Als einen Grund sieht die OECD die Folgen der Schulschließungen in der Coronapandemie"" Das Argument ist unlogisch von der OECD für D, da es kein Alleinstellungsmerkmal von D innerhalb der OECD ist.

  10. 93.

    Kennen Sie die Nachkriegsgeneration? Not-Abi ohne Prüfung und Unterricht? Keine Lehrer, alles Quereinsteiger, Mangel überall an Fachkräften. Quereinsteiger, die einfach unterrichteten, aber eigentlich Gärtner oder Schneider waren. Rohrstock, fliegende Schlüsselbunde? Autoritär mit Fahnenappel und Kleiderkontrolle. Und wehe, man hatte zum überbewerteten Sportunterricht nicht den Waschbeutel mit, oje, da gab es einen Eintrag.

    Gerade diese Menschen wurden Ärzte, Lehrer und Wissenschaftler, oder Krankenschwestern oder Piloten.
    Ich denke an die Boomer, vielleicht 10Jahre vor ihnen, haben genau das erlebt und niemand sagte, oh, was soll aus den Kindern werden, alle konnten etwas werden und sind etwas geworden.

    Ich kenne eigentlich nur engagierte Lehrer, viele verstehen ihre Profession und ich danke ihnen für ihre tolle Arbeit. Ich verstehe auch die hohen Anforderungen an Schüler, die Messlatte von heute ist mit früher nicht vergleichbar, die Schüler müssen extrem viel leisten.

  11. 92.

    >"Als einen Grund sieht die OECD die Folgen der Schulschließungen in der Coronapandemie"
    Ich sage mal so... wenn ein Ding schon lange auf dem letzten Loch pfeifft, dann brauchts nur noch einen kleinen Schlag und nichts geht mehr. Es ist halt vieles auf Kante genäht hier. Da brauchts nur eine kleine ungeplante Unregelmäßigkeit und schon gehts richtig bergab. Ein erfolgreiches Schulsystem hätte die Coronazeit für die Schüler auch wesentlich besser überstanden.

  12. 91.

    "Schon gesehen, wo Frankreich liegt im Ranking? Sogar hinter Deutschland" Die Antwort bezog sich auf den Medienkonsum und dessen Steuerung. Welchen Anteil der Medienkonsum am Gesamtergebnis hat, wird nicht explizit ausgewiesen - damit könnten andere Gründe in F maßgeblich sein oder auch nicht, es gibt die Auswertung nicht her - aber gegen zu hohen Medienkonsum gibt es viele wissenschaftliche Argumente.

  13. 90.

    Hoch lebe das deutsche Bildungssystem wie alles liegt dieses auch am Boden. Sehr traurig was daraus geworden ist. So kann man unsere Kinder auch auf das Leben vorbereiten.

  14. 89.

    Es ging mit um die Klassengröße. Und die ist damit nicht per se ein Hinderungsgrund. Siehe auch weiter unter auf der Seite einige Erhebungen dazu. Die Umsetzung hier würde sich sicher von der ostasiatischen Variante unterscheiden, das ist klar.

  15. 88.

    Warum eröffnet man dann nicht neue Sonderschulen, sondern drängt diese Kinder mit besonderem Förderbedarf in die normalen Klassen zum Schaden der betroffenen Kinder und auch zum Schaden des Unterrichts in den Regelschulen?

  16. 87.

    Es liest sich gut. Ein Bericht über Bildung in der richtigen Grammatik. Vorbildlich. Über eine Ausnahme, im Zitat, kann hinweggesehen werden: „ "Wir brauchen mehr individuelle Angebote, damit alle Schüler*innen ihren Bedürfnissen entsprechend gefördert werden", teilte die Grünen-Bildungspolitikerin Petra Budke mit.“ Sie hat das Problem der schlechten Ergebnisse ohnehin nicht erkannt. „Grün:innen“ und Bildungspolitik gipfelt in der Freiwilligkeit und in Angeboten, es werden also Angebote zum auswählen gemacht? Na ja, singen gehört nicht in die PISA Studie.
    Enttäuschung tritt ein, beim BM Freiberg: „Wir haben bereits...“ Dazu kann ich nur sagen: Typisch. Fehlt nur noch „jetzt sind andere dran“. Die Wähler werden die Verbesserungen (?) nächstes Jahr erkennen und sich an diesen Satz erinnern.

  17. 86.

    "Warum werden diese Kinder dann nicht auf Sonderschule beschult, wenn sie in einer Regelschule nicht beschulbar sind?"
    Weil es nicht genug Plätze gibt.

  18. 85.

    Schon gesehen, wo Frankreich liegt im Ranking? Sogar hinter Deutschland

  19. 84.

    >"da z.Bsp. Japan und Korea wesentlich besser abschneiden aber größere Klassen als in Deutschland haben"
    Dann versuchen Sie mal, hier solch ein Schulregime wie in Japan oder Korea einzuführen. Sie werden sehr schnell als Diktator gebrandmarkt. Schuluniform, alles in Reih und Glied, du bist Teil einer großen Gemeinschaft und solltest dich auch so verhalten, Disziplin, Ordnung... Das hat zum Teil im DDR Schulsystem so auch gut funktioniert. Geht aber nicht in unserer ach so freien und jeder macht das was er will - Gesellschaft. Schüler werden nicht zu einem Teil eines großen Teams erzogen, sondern jeder ist ein Individuum nur für sich allein. Alles kleine Prinzessinnen und Prinzen. Daher funktioniert das hier nicht mit großen Klassen so erfolgreich.

  20. 83.

    "Wenn die Lehrer gerade in den Grundschulen schwerpunktmäßig die drei bis fünf eigentlich nicht klassisch beschulbaren Kinder irgendwie im Zaum zu halten" Warum werden diese Kinder dann nicht auf Sonderschule beschult, wenn sie in einer Regelschule nicht beschulbar sind?

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