"Abwarten kann Menschenleben kosten" - Berliner Amtsarzt fordert Einstellung des öffentlichen Lebens

Do 12.03.20 | 10:04 Uhr
  47
Patrick Larscheid, Amtsarzt im Berliner Bezirk Reinickendorf
Audio: Inforadio | 12.03.2020 | Dörthe Nath | Bild: dpa

Clubs und Bars schließen, sämtliche Veranstaltungen absagen: Das ist nach Einschätzung des Berliner Amtsarztes Patrick Larscheid notwendig, um die Corona-Krise noch in den Griff zu bekommen. Das habe der Senat offenbar aber noch nicht verstanden.

Was Sie jetzt wissen müssen

Der Berliner Amtsarzt Patrick Larscheid erwartet von der Regierung, dass das öffentliche Leben angesichts der Corona-Krise weitgehend eingestellt wird. Dies sei zum Schutz der Bevölkerung notwendig, sagte der Mediziner am Donnerstag im rbb-Inforadio. Larscheid ist einer von zwölf Amtsärzten der Hauptstadt, er vertritt den Bezirk Reinickendorf. Clubs und Bars müssten geschlossen werden und alle Veranstaltungen mit Publikum abgesagt werden, forderte Larscheid. "Sonst werden wir es nicht mehr kontrollieren."

"Auf ganz kleiner Ebene radikal handeln"

"Wir wissen mittlerweile sehr genau, dass wir in der jetzigen Phase der Pandemie praktisch alle sozialen Kontakte unterbinden müssen, wenn wir noch eine Chance haben wollen, die Zahl der Infizierten möglichst niedrig zu halten", erläuterte Larscheid. Es reiche nicht aus, Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern abzusagen. "Das ist gar nicht relevant. Wir haben es zum Beispiel in den Clubs gesehen, wo wir jetzt mehrere Ausbruchsgeschehen in Berlin haben." Dort seien wenige Leute zusammengekommen, hätten aber intensiven Kontakt gehabt. "Das ist viel gefährlicher als wenn Leute in großen Massen zusammensitzen."

"Wir müssen jetzt auch auf der ganz kleinen Ebene radikal handeln", betonte Larscheid. "Sonst überrollt uns das ganze Geschehen, ähnlich wie wir es in Italien vielleicht erleben."

Kritik am Verhalten des Senats

Die zwölf Amtsärzte Berlins hätten die Macht, Clubs notfalls zu schließen, sagte Larscheid. "Natürlich können wir jetzt auch alle Einzelmaßnahmen beschließen, das werden wir zur Not auch tun. Wenn es denn kein anderer tut. Wir sind längst über den Punkt hinaus, wo wir noch die Hände in den Schoß legen können. Wir glauben, dass abzuwarten im Moment tatsächlich Menschenleben kosten kann."

Larscheid äußerte sich kritisch über das bisherige Krisenmanagement des Senats: "Wir haben noch immer die Hoffnung, dass sich die Stadt Berlin einen Ruck gibt und das versteht, was alle anderen um uns herum, was auch viele Menschen in der Stadt selber längst verstanden haben." Die Amtsärzte hätten einen Affront gegen die Regierung so lange wie möglich vermeiden wollen, seien nun aber "wild entschlossen".

Kalayci: Weitere Maßnahmen könnten folgen

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wies die Kritik zurück, wonach nicht genügend Veranstaltungen abgesagt werden. Im rbb-Inforadio betonte sie, dass weitere Maßnahmen folgen könnten, wenn sich die Lage ändere. Man stimme sich mit dem Robert-Koch-Institut und auch dem Bundesgesundheitsministerium ab. Die Amtsärzte der Bezirke könnten selbstständig entscheiden, beispielsweise Clubs zu schließen. Die Ärzte arbeiteten eigenverantworlich.  

FAQ zum Umgang mit dem Coronavirus

  • Ich fürchte, infiziert zu sein. Was tun?

  • Was passiert mit möglichen Infizierten?

  • Was passiert mit Kontaktpersonen?

  • Welche Kapazitäten haben die Kliniken?

  • Welche Reisebeschränkungen gibt es?

  • Wie viele bestätigte Fälle gibt es?

  • Ist das Virus meldepflichtig?

  • Was ist das Coronavirus?

  • Woher kommt das Virus?

  • Wie kann ich mich anstecken?

  • Wie ansteckend ist das Virus?

  • Wer ist besonders gefährdet?

  • Wie funktioniert der Test?

  • Was sind die Symptome?

  • Wie kann ich mich schützen?

  • Welche Behandlung gibt es für Infizierte?

  • Gibt es Immunität gegen das Virus?

  • Wie hoch ist die Sterberate?

Kommentarfunktion am 12.03.2020, 16.05 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

47 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 47.

    In Reinickendorf steht das öffentliche Leben doch immer still... :-)))

  2. 46.

    Dann bleib doch einfach zu Hause. Das Gejammer nervt.

  3. 45.

    Wenn wir mit der Eigenverantwortung weiter wären würden.... Ganz simples Beispiel: Überall an den Bus- u. Tramhaltestellen sind hier Ascher, Behälter für Kippen angebracht. Einige benutzen diese. Warum nicht alle ? So ist das mit vielen Dingen. Wenn nicht zuhause, dann müßten es bereits alle Kinder in der Schule lernen. Hygiene und soziales Verhalten. In der gegenwärtigen Situation geht aber nichts ohne Zwangsmaßnahmen im Interesse aller. Polen macht uns einiges vor. Österreich auch.

  4. 44.

    Es wird getan als ginge es um die Pest, die alle dahinraffen wird. Geht es aber nicht. Das sollte langsam auch der Letzte verstanden haben.
    Warum erscheint immer nur der gleiche Amtsarzt im RBB? Haben die anderen elf etwa eine Meinung die nicht zur mediengemachten Hysterie passen könnte?
    Ich danke den verantwortlichen Politikern von R2G für Besonnenheit und Augenmaß.

  5. 43.

    Der Amtsarzt aus Reinickendorf, dessen Zuständigkeit auch den Flughafen Tegel betrifft, sollte sich vorrangig mit der Einreise von potentiellen Corona-Infizierten beschäftigen, bevor er das ganze öffentliche Leben lahmlegen möchte. Am Flughafen liegt mit den Einreisenden aus Risikogebieten die Hauptgefahrenquelle. So ist gestern eine easyJet -Maschine aus Mailand (!) mit 3 Passagieren an Bord am Flughafen Tegel gelandet. Diese Passagiere mussten lediglich ihre Adresse hinterlassen; weder wurden sie befragt, noch auf Quarantäne hingewiesen, oder gar ein Corona-Test verlangt. So konnten sie sich völlig frei innerhalb Berlins bewegen und tun dies auch heute. Sollte einer der Passagiere tatsächlich erkrankt sein, so müsste sich der Amtsarzt dafür verantwortlich zeichnen.

  6. 42.

    @Bernte: ..... guter Gedanke, doch wie bitte soll ich (und all die anderen Pflegekräfte)dann zu meinen Patienten kommen, die ich allnächtlich versorge, betreue und pflege??? ..... Die Welt der kranken Menschen, älteren Menschen, behinderten Menschen kann nicht einfach "angehalten" werden.

  7. 41.

    Das soziale Leben weitgehend einstellen ...

    Berlin ist aber kein Dorf, wo jeder seine Scholle mit Rüben und Hühnern hat, sondern eine arbeitsteilige Dienstleistungsmetropole, wo hunderttausende Menschen ihre Einkommen im sozialen Kontakt erwirtschaften. Wer sichert deren Existenz, wenn alles zugemacht wird? Die EZB mit Helikoptergeld?

    Dieser Einwand hat nichts mit Geldgier zu tun, sondern auch mit Verantwortung.

  8. 40.

    Er möchte Leben retten.

    Nur weil es auch andere Todesursachen gibt sollte man Nichts gegen die Verbreitung unternehmen? Sehr fragwürdige Einstellung.

    Zu Hause bleiben ist die beste Maßnahme. Geht leider nicht bei den meisten. Noch nicht.

  9. 39.

    Grundsätzlich befürworte ich, als Betroffene der Risikogruppe (und es kann jeden treffen-selbst eine sehr sportliche, auf gesunde Ernährung achtende Person wie mich selbst), eine drastische Einschränkung des öffentlichen Lebens natürlich sehr. Allerdings misstraue ich der Umsetzung von der Theorie in die Praxis. Gestern landete ein Nachbar von sehr lieben Freunden (70 und 80) mit einer Maschine aus Mailand (!), in der sich lediglich nur zwei weitere Passagiere befanden, auf dem Flughafen Tegel. Dort musste er zwar Namen und Adresse hinterlassen, ansonsten wurde er weder befragt, noch auf eine Quarantäne hingewiesen, ganz zu schweigen von einem Test auf das Coronavirus. Er konnte sich im folgenden frei bewegen und tut dies auch heute- hoffentlich ausschließlich in seiner eigenen Wohnung. So kann man nur an seine Vernunft appellieren und an die unzählig anderer. Möge der Kant‘sche Imperativ Hochkonjunktur haben.

  10. 38.

    Auch wenn alle Maßnahmen von der "Politik" ergriffen sind, wird das Wichtigste und Wirkungsvollste dennoch bleiben: möglichst ruhig bleiben, Kopf einschalten, verantwortungsvoll handeln, sich an die Regeln halten. Da kann nicht immer einer aus der Politik daneben stehen und sagen, was man zu tun oder zu lassen hat -> Schützen Sie sich selbst!

  11. 37.

    Ist Panikmache und Alarmismus Teil des Arbeitsvertrags des Herrn Dr. Amtsarztes von Reinickendorf? Wenn nicht: Er soll einfach seinen Arztjob gut machen, statt (Partei-?)Politik mit Amts-Bonus zu betreiben.
    Hat er sich schon mal gefragt, wie viele Leute durch Arztfehler um's Leben kommen?

  12. 36.

    Ich finde es klasse, die meisten Menschen haben begriffen, das endlich mehr getan werden muss, anstatt immer nur zu labern. Wann, wann endlich wacht unsere Politik auf, um nicht das zu erleben, was gerade in Italien passiert!? Trump macht es richtig, aber eine von der Leyhen regt sich darüber auf. Ja geht's noch??? Schützt uns endlich!

  13. 35.

    Was bitte soll man von einem Amtsarzt halten, der Macht und Möglichkeit hat, Maßnahmen zu verhängen, die nach seinen Worten sofort notwendig sind und Leben retten können, es aber nicht macht? Wer als Verantwortungsträger so Stimmung macht, dem sind offensichtlich jetzt schon die Nerven durch gegangen. Geschenkt, ich hoffe nur der Mann hat ein Fünkchen Bewusstsein dafür, was er außerhalb seiner amtsärztlichen Dunstglocke "draußen"anrichtet.

  14. 34.

    Vor ca. einer Woche schrieb ich hier sinngemäß : Einfach mal die Welt anhalten. Ich bekam so einiges an Kritik zu lesen. Ich dachte nur an die vielen Urlauber in der bereits befallenen "Welt". An die Vielfliegerei und die vollen S-und U-Bahnen auch in Berlin. Ich überlegte was man alles nicht tun sollte. Messen, ITB u.ä. waren ja schon genannt. Wenn unser Gesundheitssystem zusammenbricht können wir einpacken. Es könnten aber auch Klagen folgen; unterlassene Hilfeleistung... Wir sind alle aufeinander angewiesen und nach so vielen Beschwichtigungen u. wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt-schaut jetzt die Welt auf Deutschland. Wir müssen da durch-helfen wir den Ärzten.

  15. 33.

    Genau das ist das Problem. In Deutschland wird alles hinterfragt und keiner steht zum Staat. Ergo wägen die Politiker ab, bevor Sie etwas entscheiden. Hier gibt es doch genügend, die schon wegen der Fußballspiele die Politik kritisieren.

  16. 32.

    "Der Fahrer vorne ist geschützt Und was ist mit den übrigen Fahrgästen "

    Es geht ja auch um das Fahrpersonal. Oder wollen Sie, dass das ausfällt? Wer soll denn dann die Busse fahren?

  17. 31.

    Sie sollten morgens nicht aufstehen, Sie müssen eh abends wieder ins Bett... Meine Güte. Es geht, darum welche Risiken wie vermieden werden können und mit welchem Aufwand und mit welchen Einschränkungen mal leben kann. Irgendwer muss aber alles am Laufen halten.

  18. 30.

    Vergessen Sie nicht, dass der bekannte Virologe Herr Drosden schon vor so einer Woche vor dem Befall von 70% der Bürger in Deutschland warnte. Es ist schließlich kein harmloser Schnupfen oder Husten. Das so gemeine an dieser Pest ist, dass ein Erkrankter das lange nicht bemerkt und dabei aber schon andere anstecken kann. Die Erkrankung dauert auch relativ lange wodurch sich ganz kritische Merkmale erst spät einstellen. Dann beginnt der eigentliche Kampf der Ärzte um jedes Leben. Wir wären Unholde würden wir heute nicht alles tun um das zu verhindern was man verhindern kann. Cool bleiben erinnert eher an: Mir kann keiner. Der Amtsarzt hat sich mit Sicherheit zuvor gründlich informiert und mit Verantwortung Maßnahmen in Betracht gezogen. Lesen Sie mal NetDoktor. Covid ist perfekt angepasst um in unsere Zellen einzudringen.

  19. 29.

    "Cool bleiben - sich wohlfühlen - und - das wichtigste - sich nicht von der Angst infizieren lassen, das ist wichtiger als sich vom Virus zu infizieren !!"

    Das kann einfach nicht Ihr Ernst sein. Haben Sie sich überhaupt informiert? Sie sollten mal ein Krankenhaus in Italien besuchen. Dann würden Ihnen evtl. die Augen geöffnet. Und falls Sie jetzt sagen, "Wir sind hier aber nicht in Italien": das interessiert das Virus nicht.

  20. 28.

    Eine klare Linie hat RRG nicht und den A in der Hose eine Entscheidung zu treffen auch nicht. Gestern das fast ständige Geschrei von Herrn Müller das der Bund was machen muss, ist doch ein Armutszeugnis. Wir leben in einem föderalem System und somit muss er als regierender was Berlin betrifft entscheiden.

Das könnte Sie auch interessieren