So wird das Hauptstadt-Derby (vielleicht) ablaufen - Drei Punkte fürs Herz
Es wird das sechste Aufeinandertreffen von Hertha BSC und Union Berlin in der Fußball-Bundesliga. Es wird ein Spektakel. Es wird ein Desaster. Und am Ende küssen sich zwei. Von Ilja Behnisch
Es gibt viele Gründe, den Fußball zu lieben. Zum Beispiel: Weil man sich so schön ausmalen kann, wie alles werden wird. Weshalb hier der (vielleicht) wahrscheinlich (gar nicht) exakte Fahrplan dieses sechsten Bundesliga-Hauptstadt-Derbys (mit Livestream-Vollreportage auf rbb|24) kommt. Eine Anregung.
Samstag, 9. April, 18:25 Uhr
Gänsehaut in Charlottenburg. Was klingt wie der Titel eines Arztromans ist musikalische Wirklichkeit, da die 74.475 Zuschauer ein Frank-Zander-Nina-Hagen-Mash-up-Duett zu hören bekommen, für das die beiden nachträglich sowohl mit dem Bambi (Integration) als auch mit der Goldenen Stimmgabel (ehrenhalber, nachträglich) ausgezeichnet werden. Und jetzt alle: "Den Sieg vor den Augen – den Blick weit nach vorn, und sowieso, woho, woho."
18:30 Uhr
Anstoß Hertha BSC. Klappt. Berlins beliebtester Co-Trainer, Mark Fotheringham, jubelt: Wie im Training!
5. Minute
Die Anfangsphase gehört den Gastgebern. Die Rückpässe von Peter Pekarik kommen mit chirurgischer Präzision. Die Statistiken Vladimir Daridas zeigen bereits nach fünf Minuten zwei Ballkontakte und fünf Kilometer Laufleistung an. Einzig Marvin Plattenhardt scheint nicht ganz auf der Höhe. Herthas Linksverteidiger starrt unentwegt die Balljungen an. Kein Wunder, schließlich, so stellt sich später heraus, sollte sich Plattenhardt besonders auf die ruhenden Bälle konzentrieren.
17. Minute
Ecke Trimmel, Kopfball Knoche, Tor. Der Gästeblock jubelt sich in Ekstase und auch in den sozialen Netzwerken gibt es kein Halten mehr. Twitter-User "SchlosserJunge0815" schreibt: "Jaaaaaa!!! Wie geil!!! Union führt!!!" Friedrich Merz (fm) gefällt das.
18. Minute
Marvin Plattenhardt verwandelt den folgenden Anstoss direkt und damit regelwidrig. Mark Fotheringham jubelt: Wie im Training!
28. Minute
Hertha spielt weiter gefällig bis zum Strafraum. Problem: Es ist der eigene.
41. Minute
Trotzdem beste Stimmung in den Kurven. Hier kommt aber auch wirklich jeder Kampfsport-Fan auf seine Kosten.
19:15 Uhr
Der Schiedsrichter pfeift zur Halbzeitpause. Beifall von den Rängen. Richtige Entscheidung.
19:21 Uhr
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Deshalb: Facetime in der Hertha-Kabine. "Da muss mehr kommen, Jungs! Ich weiß, es ist nicht einfach! Aber ich habe es doch auch geschafft. Ich bin jetzt an einem besseren Ort. Und ihr könnt das auch schaffen! Aber ihr müsst alles raushauen! So wie damals Kalou mit dem Facebook Live. Erinnert Ihr Euch noch? Also Vamos!!! Ha, Ho, He, Euer Matheus Cunha."
55. Minute
In der Schlange vor dem Berghain steht ein mittelalter Mann, als eine Push-Nachricht sein Handy-Display erleuchtet: "Now trending in Berlin: #BSCFCU". Nachdem die Power-Recherche ergeben hat, dass es sich bei "BSC" um einen sogenannten "Big City Club" handelt, eilt Elon Musk sofort Richtung Olympiastadion.
70. Minute
Es ist aber inzwischen auch ein mitreißendes Spiel! Dann gelingt Peter Pekarik und Vladimir Darida (aktuelle Laufdistanz: 42,195 Kilometer) ein Doppelpass. Jetzt ist alles möglich!
75. Minute
Aber weiter 1:0 für bravourös verteidigende Unioner gegen tapfer anstürmende Herthaner. An der Seitenlinie macht sich derweil Davie Selke für seine Einwechslung bereit. Auf der Pressetribüne sagt ein Klugscheißer zum nächsten: "Warum er jetzt die Defensive stärkt - kapier' ich nich'!"
81. Minute
Grundregel: Es kommt immer anders als man denkt. Außer es kommt, wie es kommen muss. Deshalb: 1:1. Plattenhardt-Freistoß. Selke-Kopfball mit dem Po. Tor. Mark Fotheringham jubelt: Wie im Training! Dann muss auch er lachen.
20.31 Uhr
Nach zehn Minuten Nachspielzeit (Schiedsrichter: "Ich wollte, dass es nie vorbei geht!"), sieben hundertprozentigen Torchancen pro Team und einem spontanen Bruderkuss zwischen Hertha-Präsident Werner Gegenbauer und Hertha-Investor Lars Windhorst vor dem Marathon-Tor des Olympiastadions kommt es auch bei der Abwanderung der Fans zu herzzerreißenden Szenen. Fans beider Vereine, wildfremde Menschen, teils sogar Familien liegen sich in den Armen, schunkeln und singen: "Den Sieg vor den Augen – den Blick weit nach vorn, und sowieso, woho, woho."
Sendung: inforadio, 09.04.2022, 15 Uhr