Nach den Siegen in Pokal und Derby - Vier Beobachtungen zum Saisonstart von Union Berlin

Fr 12.08.22 | 06:11 Uhr | Von Jakob Lobach
Gemeinsamer Jubl: Unions Spieler um Torschütze Jordan Siebatcheu während des Derbys (Bild: IMAGO/Matthias Koch)
Bild: IMAGO/Matthias Koch

Mit dem Weiterkommen im DFB-Pokal und dem Sieg im Derby gegen Hertha hätte die Saison von Union Berlin kaum besser starten können. Vier Erkenntnisse aus den ersten Pflichtspielen lassen die Gründe hierfür erkennen. Von Jakob Lobach

Manchmal wirkt sie fast schon ein wenig übertrieben, die Bescheidenheit, mit der Union Berlin auch in diesem Jahr in die neue Saison gestartet ist. Nach drei sehr erfolgreichen Bundesligajahren, die zuletzt im Erreichen der Europa League gipfelten, bleibt beim Köpenicker Bundesligisten der Klassenerhalt das erklärte Ziel.

Nun ist es natürlich eher vernünftig als verwerflich, sich realistische Ziele zu setzen, anstatt sich von Träumereien leiten zu lassen. Ob Union Berlin in dieser Saison allerdings tatsächlich in die Verlegenheit kommen wird, gegen den Abstieg spielen zu müssen, scheint fraglich. So bot zumindest der Saisonstart der Mannschaft von Trainer Urs Fischer bereits einige Indizien dafür, dass Union sich auch in der Saison 2022/23 eher in höheren Tabellengefilden herumtreiben dürfte.

Die Neuzugänge überzeugen

Zugegeben: Nach ein paar sommerlichen Testspielen, der Pokal-Partie in Chemnitz und dem Derby gegen Hertha lassen sich noch keine endgültigen Schlüsse zum Spiel von Union ziehen oder gar detaillierte Prognosen abgeben. Dennoch fiel insbesondere gegen Hertha durchaus bereits auf, dass Unions Zugänge schnell und gut bei ihrem neuen Arbeitgeber angekommen sind.

In Janik Haberer, Diogo Leite und Jordan Siebatcheu standen beim Derby drei Neue in der Startaufstellung von Trainer Urs Fischer, in Jamie Leweling und Milos Pantovic wurden zwei weitere eingewechselt. Gemeinsam sorgten sie dafür, dass die neuerlichen Abgänge von Leistungsträgern wie Taiwo Awoniyi oder Grischa Prömel nicht übermäßig ins Gewicht zu fallen schienen. Während Siebatcheu Unions Sieg mit seinem Tor zum 1:0 einleitete, trug Haberer mit seiner starken Leistung ebenfalls entscheidend zu diesem bei. Vom zentralen Mittelfeld aus belebt der 28-jährige Rechtsfuß Unions Spiel mit einer gesunden Mischung aus Kreativität, Umtriebigkeit in den richtigen Räumen und Erfahrung. Auch Diogo Leite wusste gegen Hertha eine Kette weiter hinten bereits zu überzeugen und machte sowohl defensiv als auch in der Spieleröffnung eine gute Figur.

Jordan Siebatcheu funktioniert früh

Zu einer prägenden Figur im Spiel von Union Berlin soll natürlich auch bereits erwähnter Siebatcheu werden. Die Fußstapfen, die der abgewanderte Taiwo Awoniyi hinterlassen hat, sind nach dessen zuletzt 20 Saisontore und fünf Vorlagen naturgemäß groß. Nicht nur Siebatcheus Tore in Pokal und Derby lassen jedoch früh die Hoffnung aufkeimen, dass Union in dem gebürtigen US-Amerikaner einen würdigen Nachfolger Awoniyis gefunden hat.

Während Awoniyi immer dann besonders für Union glänzte, wenn er seine robuste Physis beim Sprint in freie Räume einsetzen konnte, erscheint Siebatcheus Spiel flexibler. Im Pokal bewies er seine Stärken im Spiel mit dem Rücken zum Tor, gegen Hertha stellte er nicht nur beim Führungstor seine Qualitäten im Kopfballspiel unter Beweis. Hinzu kommen technische Finesse, ein Auge für die Mitspieler und eine gute Orientierung im gegnerischen Strafraum – allesamt Fähigkeiten, die Siebatcheu ebenfalls gegen Hertha erkennen ließ.

Zugute kommt Unions neuem Stürmer dabei natürlich auch das Spielsystem, das Trainer Fischer in den vergangenen Wochen auf Siebatcheu zugeschnitten hat. Spieler wie Sheraldo Becker, Christopher Trimmel und auch Janik Haberer haben den klaren Auftrag, auf den Flügeln ihr Tempo gnadenlos auch dafür zu nutzen, ihren neuen Mann vor dem Tor in Szene zu setzen. Ein Plan, der zum Saisonstart bereits bestens aufging.

Julian Ryerson drängt sich auf

Bestens aufgegangen ist gegen Hertha auch Urs Fischers Idee, Julian Ryerson als Linksverteidiger und nicht auf dessen angestammter rechter Seite aufzustellen. Dass Fischer den Norweger für dessen Qualitäten schätzt, ist kein Geheimnis. In den wettbewerbsübergreifend 47 Union-Spielen stand Ryerson 36 Mal auf dem Platz. Einziges Problem aus Sicht des 24-Jährigen: Lediglich 15 dieser 36 Spiele durfte er von Beginn an bestreiten – auch, weil es Ryerson bis zuletzt nicht gelang, sich an Christopher Trimmel vorbeizuspielen.

In den ersten beiden Pflichtspielen der neuen Saison standen nun beide gemeinsam auf dem Rasen: Trimmel jeweils als rechter Defensivmann, Ryerson als dessen Pendant auf der linken Seite. Während Letzterer im Pokal erneut von der Bank kam, stand er gegen Hertha in der Startaufstellung und wusste von Beginn an zu glänzen. Nicht nur gelang es Ryerson defensiv das Tempo des schnellen Dodi Lukebakio zu neutralisieren, offensiv sorgte er ebenfalls für unerwartete Furore. Auch dank seiner neuen Position war Ryerson in der Lage, ausgehend vom linken Flügel gleich mehrfach nach innen zu ziehen, anschließend entweder selbst zu schießen oder seine Mitspieler zu bedienen. So scheint es nicht ausgeschlossen, dass Trainer Urs Fischer endlich auch auf dem Platz die geeignete Rolle für seinen zweiten Vizekapitän gefunden hat.

Gute Stimmung für guten Fußball

Sowohl auf als auch neben dem Platz fällt bei Union dieser Tage noch etwas besonders ins Auge: Die gute Stimmung, mit der alle beteiligten Köpenicker ihrer Arbeit nachgehen. Es wirkt, als sei es der Mannschaft von Urs Fischer, aber auch dem gesamten Verein gelungen, die Euphorie der so erfolgreichen Vorsaison in die neue Spielzeit mitzunehmen. Trotz zahlreicher Ab- und Zugänge wirkt Unions Mannschaft bereits zum Saisonstart harmonisch, das Teamgefüge intakt und die Stimmung unter den Spielern ausgezeichnet. Und was für einen Unterschied es machen kann, wenn eine Mannschaft befreit und beflügelt aufspielen kann, hat nicht zuletzt das Derby einmal mehr bewiesen.

Sendung: rbb24, 11.08.2022, 18 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

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