Frankfurts Christopher Lenz im Porträt - Adler auf der Brust, Berlin im Herzen

Mi 28.09.22 | 13:48 Uhr | Von Fabian Friedmann
Christopher Lenz (Eintracht Frankfurt) gegen Christopher Trimmel (1. FC Union). (Bild: IMAGO / Matthias Koch)
Bild: IMAGO / Matthias Koch

Am Samstag geht es für Bundesliga-Spitzenreiter 1. FC Union zu Eintracht Frankfurt. Für den gebürtigen Berliner und Ex-Unioner Christopher Lenz ein besonderes Spiel – auch wenn seine sportlichen Anfänge tief blau-weiß gefärbt sind. Von Fabian Friedmann

Ein gellendes Pfeifkonzert strich durch das Stadion Ramón Sánchez Pizjuán in Sevilla an diesem 18. Mai 2022. Der erste Schütze legte sich direkt vor dem Fanblock der wütenden Anhänger der Glasgow Rangers den Ball auf dem Elfmeterpunkt zurecht. Kopf nach unten, mit schnellem Anlauf verwandelte der Spieler ohne Nerven und mit Wucht ins rechte, obere Eck. Anschließend nahm der Spieler den Blick hoch, plusterte seine Backen auf und tippte sich mit dem Zeigefinger über die Lippen, um den Rangers-Fans anzuzeigen: Kommt mal runter! Der Rest ist Geschichte.

Denn der gebürtige Berliner Christopher Lenz hatte gerade im Finale der Europa League einen weiteren, wichtigen Grundstein für den großen Triumph von Eintracht Frankfurt gelegt. Fünf Minuten später war er der erste Ex-Unioner, der einen Europapokal gewonnen hatte. "Wenn ich daran zurückdenke oder mir Bilder und Videos von damals anschaue, bekomme ich noch immer Gänsehaut", sagt Lenz heute. Am Samstag trifft der 28-jährige Linksverteidiger im Heimspiel der Eintracht auf seine alte Liebe Union Berlin.

Vor fünf Jahren noch Dritte Liga

Fünf Jahre zuvor hatte nichts darauf hingedeutet, dass Lenz einmal dieser Coup gelingen könnte. Der Linksfuß ließ sich 2017 von Union in die 3. Liga nach Kiel verleihen, um dort Spielpraxis zu sammeln. Er wurde Stammspieler, stieg mit den Störchen in die 2. Liga auf und ging nach einer für ihn persönlich schwierigen und von Verletzungen geprägten Spielzeit zurück zu den Eisernen, mit denen er 2019 in die Bundesliga aufstieg. Zum Stammspieler wurde er aber erst in der darauffolgenden Saison, der ersten in der Bundesliga für die Köpenicker.

"Ich glaube, ich habe viele richtige Schritte gemacht, auch wenn einige Leute manche von außen vielleicht nicht nachvollziehen konnten. Auch der Wechsel zur Eintracht war einer, wo sich viele gefragt haben: 'Warum macht er das, wenn er in Berlin jedes Spiel spielen kann und gerade Stammspieler ist'?", erklärt Lenz seinen kontinuierlichen Werdegang. Denn Union-Trainer Urs Fischer hatte Lenz in der Bundesliga häufiger im linken Mittelfeld aufgeboten. Der zahlte es ihm mit guten Leistungen zurück. Frankfurt wurde aufmerksam auf den antrittsschnellen Linksaußen und verpflichtete ihn zu Beginn der letzten Saison ablösefrei. Seitdem trägt er den Adler, das Vereinswappen der Eintracht, auf der Brust und lief zuletzt sogar von Beginn an in der Champions League auf.

Kein Vertrauen gespürt von den Hertha-Verantwortlichen

Was wohl nur vielen Kennern der Berliner Fußballszene bekannt sein dürfte. Lenz kommt ursprünglich, wie so viele spätere Bundesliga-Profis, aus der Jugendabteilung von Hertha BSC. Dreizehn Jahre verbrachte er dort, durchlief fast alle Jugendmannschaften, wurde U18-Nationalspieler, doch emotional wendete er sich irgendwann ab von den Blau-Weißen. Im Sommer 2012 kam es zum Bruch mit den Verantwortlichen. Was war geschehen?

"Zu dem Zeitpunkt, wo ich das Vertrauen gebraucht habe, um den Schritt in den Profibereich zu schaffen, hatte ich dieses Gefühl bei Hertha nicht. Deswegen bin ich mit 17 Jahren gegangen." Wie Lenz ging es vielen Hertha-Jugendspielern, die woanders ihr Glück fanden, weil zu früh zu viel von ihnen verlangt wurde: "Wenn ich zum Beispiel Robert Andrich nehme oder auch Hany Mukhtar. Das sind so Jungs, die haben ein paar Jahre gebraucht oder ein, zwei Stationen mehr, um sich zu entwickeln", erklärt Lenz.

Lenz wechselte schließlich von Hertha zu Gladbach, entwickelte sich dort in der U23 der Borussia weiter, ehe es ihn zurück nach Berlin zog - zu Union. Der Anfang seiner innigen Beziehung, denn bei Union schafft er mit Mitte 20 unter Urs Fischer schließlich denn Durchbruch als Bundesliga-Spieler. "Gönnen würde ich Union alles, außer vielleicht drei Punkte gegen uns. Sonst können sie gerne von mir aus alle Spiele gewinnen", sagt Lenz, der es selbst kaum glauben kann, dass er am Samstag auf einen rot-weißen Spitzenreiter trifft, der mal nicht aus München, sondern aus Berlin kommt.

Ich bin fast jeden freien Tag in Berlin. Ich habe alle Leute, die ich liebe, noch in der Stadt. Mein Zuhause ist Berlin. Deswegen werde ich auch immer Berlin im Herzen tragen.

Christopher Lenz

"Union hat mit die beste Defensive der Liga"

Was sind aus seiner Sicht die Gründe für diesen eisernen Höhenflug? "Unions Defensive ist auf jeden Fall sehr stark. Ich glaube, sie haben mit die beste Defensive der Liga. Jeder weiß, was zu tun ist. Jeder ist bereit, sich für den anderen aufzuopfern. Bei Union steht das an erster Stelle und daraus kreierst du dann deine Chancen." In der Offensive hätten die Eisernen darüber hinaus mit Sheraldo Becker "unfassbares Tempo", meint Lenz. Das sei für gegnerische Mannschaften dann äußerst gefährlich, "wenn du gegen Union das Spiel machst und eventuell zu hoch stehst."

Ob Christopher Lenz am Samstag überhaupt mitwirken kann, steht aber noch nicht abschließend fest. Anfang September zog er sich bei seinem Debüt in der Champions League gegen Sporting Lissabon (0:3) eine Oberschenkelverletzung zu. Erst seit dieser Woche kann Lenz wieder voll mittrainieren. Sein Trainer Oliver Glasner wird wohl erst kurzfristig entscheiden, ob der Linksverteidiger eine Option fürs Union-Spiel sein wird.

Die starke Bindung zur Heimat

Auch wenn seine berufliche Heimat mittlerweile die Mainmetropole darstellt, so ist die Bindung zur Hauptstadt nach wie vor eine große. "Ich bin fast jeden freien Tag in Berlin. Ich habe alle Leute, die ich liebe, noch in der Stadt. Mein Zuhause ist Berlin. Deswegen werde ich auch immer Berlin im Herzen tragen."

Sendung: rbb24|Inforadio, 28.09.2022, 17:15 Uhr

Beitrag von Fabian Friedmann

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