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Video: Sportschau | 03.09.2022 | Eik Galley | Quelle: imago images / Nordphoto

Unions Remis gegen Bayern in der Analyse

Keiner wird es wagen ...

Der 1. FC Union Berlin ringt Bayern München ein Unentschieden ab. Der Schlüssel war das clevere Spiel der Köpenicker, die Bayerns großartige Einzelkönner aus dem Konzept brachten. Von Till Oppermann

Die Überschrift für diesen Text lieferten Union-Fans nach dem Spiel selbst: "Keiner wird es wagen, keiner wird es wagen, unser'n FCU zu schlagen", schallte es durch das Stadion an der Alten Försterei. Zurecht. Nach dem 1:1 gegen den Rekordmeister FC Bayern München bleiben die Unioner auch nach fünf Spieltagen ungeschlagen, saisonübergreifend verloren sie keines der letzten zwölf Bundesligaspiele. Julian Ryerson lobte die Anhänger: "Die Atmosphäre im Stadion war heute wieder überragend, das hat uns sehr geholfen."

1:1 im Spitzenspiel

Union Berlin erkämpft sich Unentschieden gegen Bayern München

Im Spitzenspiel gegen Bayern München hat der 1. FC Union dem Druck des Rekordmeisters über weite Strecken standgehalten und ging sogar früh in Führung. Am Ende kann die Fischer-Elf mit dem erkämpften Unentschieden sehr zufrieden sein.

Harte Spielweise bringt den FC Bayern aus der Ruhe

Nach der Partie lobte Bayerns Thomas Müller: "Union Berlin hat genau das gezeigt, was ihnen ligaweit Respekt eingebracht hat – auch meinen." Dazu gehört das körperliche Spiel. Die Eisernen foulten 19-mal, aber die erste gelbe Karte sah Rani Khedira erst in der 87. Spielminute.

"Eklig sein" heißt das in der Fußballersprache und es gibt wohl keine Bundesligamannschaft, die so eklig ist wie die Eisernen. Man sah es schon in den ersten Minuten der Partie. Nach dem Anstoß prügelte Union den Ball in die gegnerische Hälfte, Bayerns hochdotierter Neuzugang Mathijs de Ligt verlor sein erstes von zahlreichen schmerzhaften Kopfballduellen gegen Kevin Behrens und Khedira schoss aus der zweiten Reihe. Weit übers Tor zwar, aber die Bayern wussten bereits nach 15 Sekunden, dass sie die Festung Alte Försterei nicht kampflos einnehmen würden.

Dieser Eindruck setzte sich danach fort. Obwohl Union früh traf und Bayern ebenso schnell ausglich, verfolgte der 1. FC Union stoisch den Plan, die Münchner mit einer körperlichen Spielweise und zur Not auch mit unfairen Mitteln aus dem Konzept zu bringen. „Wir haben relativ früh unsere Struktur über einen Flügel verloren“, sagte Bayern-Coach Julian Nagelsmann, der nicht sagen wollte, welche Seite er meint. Wer in der ersten Halbzeit Leroy Sané beobachtete, brauchte die Antwort des Trainers nicht. "Fiese kleine Fouls, da musst du diszipliniert sein mit deinem Ärger", analysierte Nagelsmann. Dem Nationalspieler gelang das nicht. Sané blickte nach jedem Ballverlust hilfesuchend zum Schiedsrichterassistenten, das Spiel lief an ihm vorbei.

Transferbilanz

Manager Oliver Ruhnert hat Union Berlin erneut gestärkt

Alles wie immer beim 1. FC Union: Leistungsträger gehen, und ihre Nachfolger treten schon nach wenigen Spielen so auf, als hätten sie nie woanders gespielt. Oliver Ruhnert hat viel - aber trotzdem nicht alle Ziele erreicht. Die rbb|24-Transferbilanz von Till Oppermann

Union spielt cleverer als der Rekordmeister

Was Bayern Union an individueller Klasse voraushatte, kompensierten die Gastgeber mit Cleverness. Die Unioner drangen in die Köpfe der Gäste vor und lähmten ihre Gedanken. Anstatt die kompakte Defensive mit schnellen Seitenwechseln auseinanderzuziehen, wie es beispielsweise RB Leipzig versuchte, spielte die Nagelsmann-Elf meistens durch die Mitte und blieb an rot-weißen Abwehrbeinen hängen. Freistöße bekamen sie selten, Urs Fischers Spieler loteten die Grenze, wann ein Foul zu einer Bestrafung führt, in den meisten Fällen exakt aus.

Den Bayern gelang das nicht so spielerisch. Als Andras Schäfer in der zwölften Minute nach einer Ablage von Behrens 30 Meter vor dem Tor von Manuel Neuer an den Ball kam, fehlten ihm die Anspielstationen. Also legte er sich die Kugel zu weit vor und lief gegen Dayot Upamecanos Bein. Aus einer aussichtslosen Situation wurde ein gefährlicher Freistoß, eine halbe Minute danach führte Union. Schäfer habe das sehr clever gemacht, lobte Nagelsmann und befand gleichzeitig: "Aber wer mal Fußball gespielt hat, weiß: Das war nie ein Foul."

Unions Kaderbreite besteht Test

Um Unions Punktgewinn zu verhindern, zog der Gästetrainer alle Register. Von der Bank kamen mit Thomas Müller, Leon Goretzka und Serge Gnabry drei der besten deutschen Fußballer ins Spiel. Dass nach dem Spiel vor allem über Unions Kaderbreite gesprochen wird, ist vielleicht das verrückteste an diesem finanziell eigentlich sehr ungleichen Duell. Mit Diogo Leite, Janik Haberer und Jordan Siebatcheu fielen drei Stammspieler kurzfristig aus. "Wir sind eine Einheit und haben die Umstellungen vor dem Spiel gut weggesteckt", sagte Ryerson und ergänzt: "Wir wissen, dass jeder Spieler wichtig ist."

Vom Ergänzungsspieler zur Stammkraft

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Auch Fischer lobte, dass sich die Ersatzleute Paul Jaeckel, Schäfer und Behrens nahtlos ins Team eingefügt hätten. "Das beschreibt die Mannschaft, jeder weiß, was er zu tun hat." Wer nach Gründen, für die nicht brechende Erfolgswelle der Köpenicker sucht, wird hier fündig. Die Spielprinzipien der Mannschaft – kompakte Defensive, großer Einsatz, geradliniges Offensivspiel – sind seit Jahren klar.

Spieler, die sich dieser Linie nicht anpassen, werden entweder nicht aufgestellt oder gar nicht erst verpflichtet. Fischer und Kaderplaner Oliver Ruhnert dürfen in Ruhe an einer Mannschaft arbeiten, die verinnerlicht hat, wie sie auch stärkeren Gegnern schaden kann. Zur Belohnung gibt es einen Ritterschlag von Meistertrainer Nagelsmann: "Union war unser schwerster Gegner." Und wer es als erstes wagen wird, den FCU zu schlagen, ist längst zu einer der spannendsten Fragen der Bundesliga geworden.

Sendung: Inforadio, 03.09.2022, 15.03 Uhr

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