Neues Regelwerk im Handball - Zwischen Geschwindigkeit, Zeitspiel und selbstklebenden Bällen

Di 06.09.22 | 15:10 Uhr | Von Jonas Schützeberg
Paul Drux im Sprungwurf
Audio: rbb24 Inforadio | 05.09.2022 | Jens-Christian Gussmann | Bild: www.imago-images.de

Die Revolution fällt klein aus und doch verändern die neuen Regeln den Handball-Sport in Teilen extrem. Nach dem ersten Bundesliga-Spieltag der aktuellen Saison ordnen die Füchse Berlin gegenüber dem rbb die Veränderungen ein. Von Jonas Schützeberg

Sechs Jahre hat es gedauert, bis sich die Handball-Welt im Regelwerk weitergedreht hat. Seit dem 1. Juli gelten neue Bestimmungen. Drei der neuen Regeln sind für den deutschen Handball relevant. Nach dem Sieg der Füchse zum Auftakt der Bundesliga-Spielzeit 2022/23 gegen Göppingen ziehen Nationalspieler Paul Drux und Sportvorstand Stefan Kretzschmar ein Fazit.

Noch mehr Tempo bei der Schnellen Mitte

Regel 1: Anwurf. Bislang musste der ausführende Spieler mit einem Fuß auf der Mittellinie stehen. Nun erfolgt der Anwurf aus dem neuen Anwurfkreis, der einen Durchmesser von vier Metern hat und in der Mitte der Mittellinie platziert ist. Der Anwurf darf somit künftig aus der Bewegung heraus erfolgen. Dadurch werden neue Situationen bei der sogenannten Schnellen Mitte entstehen.

Das sagen die Experten:
"Die schnelle Mitte aus dem Lauf heraus ergibt natürlich Sinn und kann das Tempo erhöhen, aber vor allem vermeidet sie viele Rückpfiffe. Ich finde, das ist eine gute Regelveränderung, die jetzt aber nicht revolutionär sein wird." (Stefan Kretzschmar)

"Der Kreis kommt mir gar nicht so viel größer vor. Gut ist, dass man jetzt nicht mehr genau auf dem Punkt stehen muss, das macht das Spiel viel schneller und spannender." (Paul Drux)

Beim Zeitspiel kommt jetzt Panik auf

Regel 2: Beim Passivspiel, auch Zeitspiel genannt, durfte die angreifende Mannschaft beim Vorwarnzeichen der Schiedsrichter (gehobener Arm) bislang noch sechs Pässe spielen, bis der Torwurf erfolgen musste. Diese Passanzahl wird auf vier reduziert. Bereits der fünfte Pass wird also von den Schiedsrichtern abgepfiffen und die abwehrende Mannschaft bekommt den Freiwurf.

Das sagen die Experten:
"Vier Pässe machen das Spiel stressiger. Man sieht jetzt schon in der Bundesliga, dass nicht mehr ruhig gespielt wird, sondern Panik aufkommt. Das ist eine wesentlich höhere Bestrafung bei passivem Spiel als wir sie früher hatten." (Stefan Kretzschmar)

"Ich finde es sehr gut. Bei sechs Pässen wurde es früher oft ausgereizt, einen Freiwurf zu provozieren und noch einen und noch einen. Es wurde viel Zeit geschunden, das fällt jetzt weg." (Paul Drux)

Zwei-Minuten-Strafe oder Rote Karte?

Regel 3: Wird der Torwart aus einer freien Spiel- beziehungsweise Wurfsituation heraus am Kopf getroffen, ist eine Zwei-Minuten-Zeitstrafe des Werfers möglich. Es ist eine weitere Möglichkeit, unsportliches Verhalten zu unterbinden.

Kopftreffer gegen den sich nicht bewegenden Torwart oder gegen den Kopf eines Abwehrspielers beim direkten Freiwurf wurden bereits zuvor im Handball geahndet - und zwar mit einer Disqualifikation, also einer Roten Karte.

Das sagen die Experten:
"Die rote Karte oder zwei Minuten bei einem Kopftreffer, das wird relativ selten aus dem Spiel heraus angewendet. Das wird keine großen Veränderungen mit sich bringen." (Stefan Kretzschmar)

"Für die Schiedsrichter ist es schwierig zu beurteilen, was ein freier Wurf war und was nicht, und ob es einen Kontakt mit dem Gegenspieler gegeben hat. Es wird viele Situationen geben, die nicht einfach zu beurteilen sind." (Paul Drux)

Noch offen: Videobeweis und selbstklebende Bälle

Zusätzlich läuft aktuell auch die Diskussion über einen Videobeweis im Handball. Stefan Kretzschmar würde diesen begrüßen: "Ich glaube, der soll ja im Winter kommen, das hoffe ich zumindest auch. Und ich hoffe, dass die Schiedsrichter ihn nehmen können und nicht die Bänke oder die Spieler. In der Schlussphase finde ich ihn auf jeden Fall hilfreich."

Paul Drux ist mit den jetzigen Änderungen zufrieden, da sie das Spiel voranbrächten und nicht verkomplizieren würde. Eine Sache schließt er aber konsequent aus: das Verbot von Harz und die Einführung von selbstklebenden Bällen. "Das habe ich bereits ausprobiert. Solche Bälle können das Harz nicht ansatzweise ersetzen und würden die Sportart grundlegend verändern."

Sendung: rbb24, 06.09.2022, 18:00 Uhr

Beitrag von Jonas Schützeberg

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