Tabellenführung ausgebaut - Der 1. FC Union hält der Liga den Spiegel vor

Mo 17.10.22 | 08:08 Uhr | Von Till Oppermann
  18
Jordan und Haberer bejubeln den Union-Sieg gegen den BVB. / imago images/Contrast
Video: Sportschau | 17.10.2022 | Sebastian Meyer | Bild: imago images/Contrast

2:0 gegen Dortmund, der 1. FC Union hat seine Tabellenführung ausgebaut. Aber sind die Köpenicker ein Titelkandidat? Das fitte Team setzt in der Bundesliga derzeit den Maßstab, profitiert dabei aber auch von Fehlern der Konkurrenz. Von Till Oppermann

In den letzten Minuten des Spiels gegen Borussia Dortmund sangen die Unioner, was sie in den letzten Wochen immer singen. "Deutscher Meister wird nur der FCU", schallte es durch die Alte Försterei. Durch das souveräne 2:0 gegen den BVB baute der 1. FC Union Berlin die Tabellenführung in der Bundesliga weiter aus.

Nach Abpfiff des Spitzenspiels übt sich Erfolgstrainer Urs Fischer trotzdem in Bescheidenheit. Die Tabelle sei ein schöner Anblick, klar, aber doch weiterhin eine Momentaufnahme. Doppeltorschütze Janik Haberer stimmte ein. Wichtig sei, wie man nächste Woche in Bochum gegen ein Team spiele, das unten steht. "Wir wissen, wo wir herkommen."

Auf dem Weg zum Titelkandidat

40 Punkte - also der sichere Klassenerhalt - sind seit dem Aufstieg 2019 das Saisonziel der Unioner. Auch als seine Mannschaft in den beiden vergangenen Saisons überraschend um die europäischen Plätze spielte und sich am Ende jeweils qualifizierte, hielt Trainer Fischer bei jeder Nachfrage nach neuen Träumen eisern an dieser Formulierung fest.

In Anbetracht von 23 Zählern aus den ersten zehn Spielen wird er in dieser Saison wohl früher von seinem Mantra abweichen müssen. Längst erklären nicht mehr nur die Fans den 1. FC Union zu einem Titelkandidaten. Keinesfalls ironisch werden die Köpenicker Konkurrenz im Meisterschaftsrennen genannt.

Union bleibt sich spielerisch treu

Die souveräne Leistung gegen Dortmund gibt dieser Meinung weiteren Auftrieb. Die 22.012 Zuschauer im ausverkauften Stadion sahen zwar kein Spitzenspiel, das lag aber nicht an den Gastgebern. Union profitierte in der achten Minute von einem Schnitzer des Dortmunder Keepers Gregor Kobel, der ausrutschte, sodass Haberer den freien Ball nur noch aus kurzer Distanz ins Tor schieben musste.

Danach zeigte die Fischer-Elf, warum sie derzeit die Liga anführt. Das aggressive Pressing erstickte den Dortmunder Spielaufbau. Während defensiv nichts anbrannte, kam Union zu weiteren Chancen. Vor Haberers zweitem Tor in der 21. Minute gewann Andras Schäfer im Mittelfeld den Ball und setzte den schnellen Sheraldo Becker ein, der spielte direkt auf Jordan, dessen Ablage Haberer aus 20 Metern flach einschoss. Laufbereitschaft, Ballgewinne im gegnerischen Spielaufbau, direktes Spiel, Effizienz: Über diese Kategorien dominiert der FCU derzeit regelmäßig.

Hohes Fitnesslevel

Aber kann Union das durchhalten? Sind die Berliner nach ihrem herausragenden Start tatsächlich ein Titelkandidat? Auch gegen Dortmund betrieb die laufstärkste Mannschaft der Liga einen enormen Aufwand und lief mit 125,2 Kilometern knapp zwölf mehr als der Gegner. Fischer schwärmt: "244 Sprints, das muss man erstmal hinbekommen." Auch wenn Dortmund in den letzten Minuten einige gute Chancen auf den Anschluss hatte, die nur der starke Frederik Rönnow vereiteln konnte, gelingt es Union in dieser Saison auch am Ende von englischen Wochen mit drei Spielen die Konzentration zu bewahren.

Das sah im Vorjahr anders aus, als man im Herbst an den Wochenenden nach den sechs Gruppenspielen der Conference League nur einmal gewann und mehrmals kurz vor Schluss Spiele aus der Hand gab. "Die Jungs lieben es, alle zwei Tage zu spielen", erklärt Urs Fischer. Wichtig sei eben, wie man dazwischen regeneriere. Diese Belastungssteuerung zeigt sich auch am Spieltag. Einerseits standen am Sonntag mit Jaeckel und Haraguchi zwei Startelfkandidaten nicht im Kader, um sich auszuruhen, andererseits verstehen sich die Kollegen mittlerweile darin, die eigene Intensität klug an verschiedene Spielphasen anzupassen.

Achse ist schwer zu ersetzen

Vielleicht bleibt die Mannschaft auch deshalb weitestgehend von Verletzungen verschont. Denn Fischers häufige Rotation in der Abwehr, auf den Außenbahnen und im zentralen Mittelfeld sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Säulen sehr schwer zu ersetzen sind. Gegen Dortmund zeigte sich das, als in der 67. Minute Jordan verletzt liegen blieb und Kevin Behrens eingewechselt wurde. Zwar hängte sich der Ersatzstürmer ins Zeug, aber anders als der Rekordtransfer Jordan konnte er nicht mit festgemachten Bällen für Entlastung sorgen.

Weitere besonders schwer zu ersetzende Spieler sind Topscorer Sheraldo Becker, Abwehrchef Robin Knoche und Rani Khedira, der im Union-System gleichermaßen für die Kommandos im Pressing wie für das Schließen entstehender Lücken sorgt. "Ich bin für die Balance zuständig und habe eine sehr wichtige Position", fasst er zusammen. Würde einer dieser zentralen Spieler länger ausfallen, könnte Unions Höhenflug an natürliche Grenzen stoßen.

Unions Erfolg hängt auch an den Fehlern der Gegner

Wie die Unioner auch mit Knoche, Khedira, Becker und Jordan Probleme bekommen können, zeigten in der aktuellen Saison die Niederlagen gegen Frankfurt in der Liga und Saint-Gilles im Europapokal. Sobald sie in Rückstand geraten und das Spiel machen müssen, fehlt es an Durchschlagskraft und Kreativität, insbesondere wenn die Räume für Tiefenläufe geschlossen sind. Es bleibt abzuwarten, was passiert, wenn die Fischer-Elf mal mehrere Spiele nicht in Führung geht.

Dass es dazu überhaupt kommt, steht aber keinesfalls fest, denn kaum eine Mannschaft ist so gut darin wie Union, gegnerische Fehler zu erzwingen und zu bestrafen. Das musste Dortmund am Sonntag gleich zweimal feststellen. Ob Union noch als Tabellenführer zum Rückspiel reist, hängt also auch davon ab, wie fehlerfrei die Gegner agieren. Man könnte sagen, der Tabellenführer Union hält der Liga den Spiegel vor. Durch die lange WM-Pause hat Fischer im Winter viel Zeit, um weiter an seinem Erfolgsrezept zu feilen. Bis dahin trägt das Momentum: "Die 23 Punkte sind außergewöhnlich, das hilft uns enorm, um die nächsten vier Wochen zu überstehen", so Fischer.

Sendung: rbb24, 16.10.2022, 21:45 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

18 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 18.

    Und noch was Herr Oppermann, gerade weil Union nicht oft in Rückstand gerät, sind sie so stark. Statistisch gesehen, drehen nur irgendwas um 5% Mannschaften Spiele. Also da steht Union nicht alleine da.
    EISERN

  2. 17.

    Wirklich grauenhaft, was manche sogenannte Unioner oder Herthanern hier von sich lassen. Total an Thema und Realität vorbei. Nicht das mir einer abgeht, weil ein Herthanern uns Unioner lobt. Nein, aber ein Kommentar, der die Realität wiederspiegelt.
    So sollte man miteinander umgehen.
    Habe das Spiel gegen das Konstrukt aus Oberösterreich gesehen. Alleine schon wegen des Theaters um den Elfer für euch, hättet ihr den Sieg verdient gehabt.
    EISERN

  3. 16.

    Wehrter Herr Oppermann, eigentlich immer interessant, Ihre Artikel. Aber mittlerweile sollten sie Trainer Fischer und die Fans besser kennen. 1.müssen muss Fischer erst mal gar nichts, und er wird auch seine " Mantra" nicht ändern, bis die 40 Punkte erreicht sind. 2. Kein Unioner behauptet, wir sind Titelkandidaten . Wo sie das her haben, weiß ich nicht. 3. Jede Saison verlassen Kaderstützen den Verein, wir wurden trotzdem immer besser. Also warum sollten Ausfälle uns schwächer machen ?
    EISERN

  4. 15.

    Also die Meisterschaft holt Union nicht. Dafür sind die Bayern einfach zu stark, es wird leider ganz oben ausgehen wie immer. Ich traue Union aber dieses Jahr durchaus einen Platz unter den Top 4 zu, sofern sie von Verletzungen verschont bleiben. 6 Gegentore in 10 Spielen (darunter BVB und FCB) ist top und zeigt, dass sie zurecht dort oben sind aktuell.

    Definitiv landen sie wieder vor meiner Hertha, was mir nicht so recht passt, aber Union ist halt seit einigen Jahren besser, man muss das halt auch anerkennen können.

  5. 14.

    Von "Big City Clubs" redet nur ein Einziger, nämlich Sie, Lausitzer.

    Und wie es dann weiter heißt: Aber von Big City Club (nicht Clubs) zu reden, war wirklich die Krönung. Richtig, "war", d. h. vor längerer Zeit und liegt nun schon einige Jahre zurück. Und es war nur ein gewisser Jürgen Klinsmann und vielleicht sein Boss Lars Windhorst. In der Hertha-Führung war das nie ein Thema.

  6. 13.

    Zwei Erfolgsfaktoren des Aufstiegs von Union sind Demut und Realismus. Und genau das fehlte Hertha unter den letzten Vereinsführungen. Aufgabe: beides Üben!

  7. 12.

    >"...dann kam der Absturz.... Macht bitte nicht den gleichen Fehler"
    Ich sowieso nicht. In meinem Alltag ist Fußball nur eine unterhaltende Randnotiz.
    Aber stimmt schon. Außer Höhen gibts immer mal auch Tiefen. Richtige Fans sollte dann auch zum Club halten.
    So wie bei Hertha. Was die alles mitmachen müssen die letzten Jahre...

  8. 11.

    Passt lieber auf, daß doch für die alte Dame eine Liga tiefer geht. Gegen Schalke eine Niederlage, dann geht die Angst um. Und das als selbsternannter "Big City Clubs". Die Führungsriege bei Union und die meisten Fans können das momentan gut einschätzen. Nicht umsonst ist das oberste Ziel erneuter Klassenerhalt. Und das ist der Unterschied zu Hertha. Nicht missverstehen, ich bin einer, der für beide Vereine die Daumen drückt und das schon seit den 70-er Jahre. Aber von "Big City Clubs" zu reden, war wirklich die Krönung.

  9. 9.

    Macht jetzt nicht den gleichen Fehler wie es bei Hertha gemacht wurde..... Kaum läuft es mal ein paar Spiele gut und man ist Tabellenspitze wird gleich von Meisterschaft gesprochen.... Hertha tat das nicht gut und dann kam der Absturz.... Macht bitte nicht den gleichen Fehler

  10. 8.

    >"Es gibt nur einen Top-Verein in Berlin und der heißt Hertha."
    Welchem historischen Fußball-Jahrzehnt entstammt denn diese auf sportlichen Tatsachen beruhende Feststellung?

  11. 7.

    Ich finde es schon faszinierend, wie man von einem Berliner Club reden kann,der seit einiger Zeit,kein Bein mehr auf den Boden bekommt.
    Leider zeugt die Tabelle und Europa, dass nicht Hertha dieser Club ist.

  12. 4.

    Danke, Union, für eine bisher einzigartige Saison. Klar profitieren Mannschaften auch von Fehlern der Gegner.
    Diese Aussage trifft aber nicht nur auf die Unioner zu.
    Ein Team, im wahrsten Sinne des Wortes, ein solider, fähiger Trainer, Fans, die seit Jahrzehnten in guten wie in schlechten Zeiten zu Union stehen - das ist die Einheit und die Motivation, die diese Mannschaften erfolgreich machen.
    Ja, sie hätten das Zeug dazu, Großes zu leisten...

  13. 3.

    >"Ich denke auch weiter so erfolgreich spielen und Euch kann keiner die Meisterschaft nehmen.
    Die erste Meisterschaft ist bestimmt die schönste."
    1. FCU Meisterschaft??? Oh je... in Bayern ist jetzt schon Krise! Dann wäre aber wohl Abgesang...
    Zu wünschen wäre es ja, damit die Bundesliga mal abwechselungsreicher wird.
    Glückwunsch den Eisernen noch zum 2:0 gegen Dortmund! Und weiter so!

  14. 2.

    Es gibt nur einen Top-Verein in Berlin und der heißt Hertha.

  15. 1.

    Ich denke auch weiter so erfolgreich spielen und Euch kann keiner die Meisterschaft nehmen.
    Die erste Meisterschaft ist bestimmt die schönste.

Nächster Artikel