Investoren in der Bundesliga - Sind Unions Werte (un)verkäuflich?

Mo 29.05.23 | 15:17 Uhr | Von Till Oppermann
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Union-Fans mit einem Banner: "Nein zu Investoren in der DFL" (Quelle: IMAGO/Matthias Koch)
Bild: IMAGO/Matthias Koch

Dass Vereinspräsident Dirk Zingler für Investoren in der DFL gekämpft hat, hat viele Unioner verärgert. Dabei passt die Konstruktion des Deals zu Unions Umgang mit Investitionen. Die Diskussion über die gemeinsamen Werte des Vereins wird sich fortsetzen. Von Till Oppermann

"Man soll die Feste feiern, wie sie fallen", das wusste der Schlagersänger Chris Roberts schon in den 1970er-Jahren. Beim 1. FC Union fallen die Feste in den letzten Jahren in der Regel in den späten Mai: Seit fünf Saisons gelingt es den Köpenickern, jeweils am Ende des Jahres einen neuen Meilenstein zu erreichen.

In diesem Jahr war es die Qualifikation zur Champions League als Krönung der punktbesten Saison der Vereinsgeschichte. Nach dem 1:0-Heimsieg wurde in Köpenick getanzt, bis es wieder hell wurde. Präsident Dirk Zingler: "Wir haben uns entschieden, dass wir den ganzen Verein einladen - alle Mitarbeiter mit Familie und Freunden - und haben in der Nacht eine große Vereinsparty gemacht."

Für ihn ist dieses Fest am Ende der Saison genau richtig gefallen. Denn in den kommenden Wochen und Monaten wird er versuchen, einen Graben in der Union-Familie zu überwinden, den er selbst mit geschaufelt hat. Denn in Köpenick geht es derzeit um mehr als nur Fußball: Der 1. FC Union diskutiert über die Werte des Vereins.

Was ist der Konflikt?

Dirk Zingler gehörte zu den Vereinsbossen im deutschen Fußball, die den Plan der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Anteile an den künftigen Erlösen der Auslandsvermarktung der Bundesliga an einen Private-Equity-Investor zu verkaufen, am vehementesten auch öffentlich unterstützten. Zwei Milliarden Euro wollte die Liga für 12,5 Prozent der Erlöse im Ausland über 20 Jahre bekommen. Das Geld sollte nach der Fernsehtabelle unter den 36 Profivereinen verteilt werden.

Dieser Plan ist gescheitert, aber Zinglers Rolle dabei wird unter Fans und Mitgliedern heiß diskutiert. Denn noch vor wenigen Jahren forderte der Präsident in seinem Positionspapier zur Zukunft des deutschen Fußballs die Abschaffung dieser Art der Geldverteilung. "Die derzeitige Verteilung der Erlöse aus der Zentralverwertung verfestige den Status Quo der sportlichen Leistungsfähigkeit der Vereine und verhindere besseren Wettbewerb", so Zingler damals.

Viele Unioner sahen das ähnlich. Und nun stimmt ihr Präsident für weitere zwei Milliarden Euro, um den Status Quo einer Liga zu erhalten, die seit elf Saisons den selben Meister kürt? Dabei ist ihr Klub nach ihrem Selbstverständnis doch eine der letzten Bastionen des "echten Fußballs": ein eingetragener Verein zu 100 Prozent unter Kontrolle der Fans, die am Spieltag im Stadion stehen, wo es nur um Fußball geht. Ein ursprüngliches Stadionerlebnis ganz ohne Kiss-Cam und Werbejingles, um die Zahl der Eckbälle zu präsentieren, aber dafür singen alle vor dem Spiel "wer lässt sich nicht vom Westen kaufen".

Was schreibt Zingler?

Kein Wunder, dass sich in den vergangenen Wochen in der Alten Försterei der Protest gegen den geplanten DFL-Deal regte. Vor dem Spiel gegen Freiburg präsentierte die aktive Fanszene auf der Waldseite zahlreiche kritische Spruchbänder. Manche richteten sich direkt gegen Zingler: "Wenn Prinzipientreue vom Nutzen abhängt, sind es keine Prinzipien", warf man ihm vor.

Der Angesprochene fühlt sich missverstanden. "Investoreneinstieg bei der DFL" sei seiner Meinung nach eine inhaltlich unzureichende Beschreibung der Pläne. Vielmehr habe es sich um den Versuch gehandelt, mehr Geld für alle herauszuholen. Dass Zingler den Schlüssel, nach dem dieses Geld verteilt werden soll, vor fünf Jahren selbst noch abschaffen wollte? Kein Thema mehr. Kein Wunder: Mit dem sportlichen Erfolg sind die Eisernen in der Fernsehgeldtabelle zu Großverdienern geworden und stehen mittlerweile auf dem sechsten Platz weit vor Quotenbringern wie Mönchengladbach, Bremen, Schalke oder Hamburg.

Sowieso sei es bei der Abstimmung nicht um einen Vertragsabschluss gegangen, sondern lediglich darum, der DFL-Führung das Mandat zu erteilen, weiter mit Investoren zu verhandeln, schreibt Zingler. Eingriffe in den Spielplan, Einflussnahme auf das Stadionerlebnis am Spieltag oder sogar den Spielort seien rechtlich ausgeschlossene "rote Linien" gewesen. Zingler findet: "Deshalb ist ein Ja zu Investoren eben nicht automatisch ein Nein zu Fußball für Menschen." Union sei der beste Beweis dafür, dass es auf den Einsatz der Mittel ankommt.

Ein Image als gallisches Dorf im deutschen Fußball, das einsam gegen die voranschreitende Kommerzialisierung einsteht, passt schon länger nicht mehr zu Union.

rbb24-Autor Till Oppermann

Union setzt auf ein ähnliches Modell

Ganz widersprechen mag man ihm da nicht. Denn Unions heutiger Erfolg hängt teilweise mit einem ganz ähnlichen Deal zusammen. Als die Eisernen 2016 vom Luxemburger Investmentfonds Quattrex 6,3 Millionen Euro bekamen, verkauften sie ebenfalls Anteile an zukünftigen Medienerlösen. Der Deal war also eine Wette auf den eigenen Erfolg. Um sich zu entwickeln, müsse man investieren, sagte der Logistikunternehmer schon im April in einem Interview, in dem er gemeinsam mit BVB-Boss Aki Watzke für den Investoreneinstieg bei der DFL trommelte.

In diesem Kontext wird Zinglers Kampf für den Deal noch logischer: Denn einen gewissen Anteil des Geldes hätten die Vereine zweckgebunden in ihre Infrastruktur investieren müssen. In Zeiten, in denen Union neben der finanziellen Etablierung in der Bundesliga auch ein neues Nachwuchsleistungszentrum und den geplanten Stadionausbau finanzieren muss, wäre dieses Geld goldrichtig gekommen.

Hat Zingler sich verändert?

Ein Image als gallisches Dorf im deutschen Fußball, das einsam gegen die voranschreitende Kommerzialisierung einsteht, passt schon länger nicht mehr zu Union. Die Vereinsführung wagt den anspruchsvollen Spagat zwischen rasanter sportlicher Entwicklung und möglichst wenig Veränderung rund um das Stadionerlebnis beim 1. FC Union. Und die meisten Fans gehen den Weg des Vereins gerne mit, immerhin hat Zingler sie aus der Oberliga bis in die Champions League geführt.

Es ist insbesondere Unions Kommunikationspolitik, die auch im Fall der DFL-Investoren-Diskussion zu Verstimmung im Verein geführt hat. Auf ihrer Internetseite kritisieren die Ultras, "dass einige wenige Funktionäre im Hinterzimmer Entscheidungen treffen und Weichen stellen, die über Jahrzehnte hinaus uns alle als Fußballfans betreffen."

Hätte Zingler die Mitglieder früher über seine Beweggründe und die "roten Linien" informiert, hätte seine Position zum Deal womöglich mehr Verständnis gefunden. Sein Motto ist "Union first". Zwar werde man sich weiterhin für Unions Werte und Ideen vom Fußball einsetzen, "Voraussetzung dafür ist jedoch ein starker und unabhängiger 1. FC Union Berlin e.V.", so Zingler. Ob seine Werte und die der Mehrzahl der Mitglieder dieselben sind, wird in der Zukunft noch häufig diskutiert werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 28.05.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

33 Kommentare

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  1. 33.

    "Was Sie offenbar nicht verstanden haben ist..."
    Keine Sorge, ich hab sie schon verstanden.
    So anspruchsvoll sind ihre Beiträge nicht.
    Im Gegenteil. Alles simpel und einfach als Ablenkung zu erkennen.
    Das können sie noch sooft abstreiten.
    Unser Standpunkt bezüglich DFL und Invesor hat mit dem FCUB nichts zu tun.
    Ihr FCUB steht jetzt eben in Berlin im Mittelpunkt. Akzeptieren sie das und freuen sie sich. Da gibt's eben auch mal Kritik. Aber ich wiederhole mich.

  2. 32.

    "Ein Image als gallisches Dorf im deutschen Fußball, das einsam gegen die voranschreitende Kommerzialisierung einsteht, passt schon länger nicht mehr zu Union."

    Sehr passend diese Einschätzung Herr Oppermann. RESPEKT auch für ihren doch sehr aufschlussreichen Artikel.

  3. 31.

    Zitat: "Den Artikel hab ich gelesen und sogar verstanden."

    Darum geht es nicht. Der Artikel von Till Oppermann ist leicht zu lesen und zu verstehen. Oder meinen Sie mit "Artikel" den Kommentar von "Union1965"?

    Was Sie offenbar nicht verstanden haben ist, dass weder der User "Union1965" noch ich von Zinglers Statement ablenken wollen, sondern bei diesem Thema auch gerne "klare Kante" von den Hertha Verantwortlichen gegenüber den Fans gesehen hätten - welche, wie bei einigen Themen in den letzten Jahren, leider ausblieb. Das hat nichts mit einer von Ihnen unterstellten "Ablenkung" zu tun, wie man sie bsw. bei "Wir haben verloren, ihr aber auch" Kommentaren unterstellen könnte.

  4. 30.

    "während HBSC die Auseinandersetzung mit den eigenen Fans darüber offenbar scheut und sich wegduckt."
    Es wird nicht besser.... wieder abgelenkt.
    Den Artikel hab ich gelesen und sogar verstanden.
    Auch wenn vereinzelt Anhänger des FCUB gegen das DFL Investoren-Modell waren und die Geschäftsleitung des Clubs inzwischen vielleicht zur Zustimmung eine andere Einstellung vorgibt, ändert es nichts an der grundsätzlichen Haltung des Vereins. Das ist doch auch ok. Sie sollten eben nicht nur immer auf "Charlottenburg" zeigen.
    Aber Hauptsache sie fühlen sich wohl damit.

  5. 29.

    Und erneut beweisen Sie die von mir kritisierte Lesekompetenz. Das übergeordnete Thema ist das bei Fans stark umstrittene 'DFL Papier' zum Investoreneinstieg, zu dem sich der FCU klar und deutlich positioniert hat; während HBSC die Auseinandersetzung mit den eigenen Fans darüber offenbar scheut und sich wegduckt.

  6. 28.

    "Von den Charlottenburgern dagegen..."
    Und schon wieder wird vom FCUB abgelenkt.
    "Sinnerfassendes Lesen..." genau.
    Im Artikel geht's um FCUB und den Umgang mit der DFL im Zusammenhang mit dem geplanten Investment.
    Nicht um Hertha BSC. Aber wie's aussieht, stimmt's doch,
    ihr könnt nicht ohne die "Charlottenburger".

  7. 27.

    Einige hier scheinen des sinnerfassenden Lesens nicht mächtig zu sein. Der mehrfach kritisierte User "Union1965" hat in seinem Beitrag #6 lediglich darauf hingewiesen, dass der FCU auch bei strittigen Themen klare Worte spricht und sich der Kritik der Fans stellt. So wurde bereits am 30.04. zu einem Fantreffen mit Zingler am 08.05. eingeladen, bei dem es um besagtes DFL Papier ging. Zudem hat Zingler seine Position in einer Mail an alle FCU Mitglieder dargelegt.

    Von den Charlottenburgern dagegen, die ebenfalls in der DFL organisiert sind, kam nur Schweigen im Walde zu den Plänen. Dabei dürften auch HBSC Fans an der Positionierung ihres Vereins zum Thema interessiert sein, wie ich mal stark annehme.

  8. 25.

    Auf sich selbst konzentrieren, von einem Herthaner........,was für ein Spaß. Ausgerechnet von denen, welche als Absteiger permanent Unioner Antifussball kritisiert haben......
    Wenigstens hat man am Samstag letztmalig die große Bühne Bundesliga genutzt, um das halbe Wolfsburger Stadion zu demolieren. Hut ab. Wie immer großes Kino Westend.

  9. 24.

    Manche lassen sich eben doch vom Westen kaufen. Wundert mich bei Zingler nicht. Schön, dass die Fans in der Frage stabil sind (auch von vielen anderen Clubs).

  10. 23.

    "Jeder Tisch für sich"
    Das merkt euch mal, wenn's wieder mal um Hertha BSC geht.
    Da glänzt ihr ja auch immer mit Zurückhaltung, stimmt's ?
    Also... nicht weinen, sondern Tatsachen akzeptieren.

  11. 22.

    Jetzt kommentieren hier die Profi Fussballversteher,besonders aus der Absteiger Ecke.In der Kneipe würde man sagen,,Jeder Tisch für sich''

  12. 21.

    Es ist einfach nur bedauerlich, wie groß der Unterschied bei Union zwischen Außendarstellung (…wir lassen uns nicht vom Westen kaufen!) und kommerzieller Wirklichkeit (Hauptsponsor aus der Schweiz / Ausrüster aus den alten Bundesländern/Ärmelsponsor aus den USA…) ist.

    Quelle: Unions Web-Seite

  13. 20.

    Jetzt nerv die Anhänger der FCUB Blase mal nicht mit Realitäten.
    Die kommen schon früh genug dahinter, was es bedeutet, im Profifußball oben aktiv zu sein.
    Solange sollen sie ruhig denken, sie seien etwas Besonderes.
    Ist für andere doch auch mal lustig, dabei zu sein, wenn ihre Luftblasen platzen. Also, ich gönne ihnen den Erfolg, mit allem was dazu gehört.
    Auch mit den guten Seiten.

  14. 19.

    Man stelle sich mal vor, der Deal wäre vor 5 Jahren geschlossen worden. Union selbst hätte damals aufgrund der Position in Liga 2
    kaum etwas vom Geld abbekommen, würde heute aber 12,5 % weniger TV-Einnahmen pro Jahr einheimsen. Da würde Zingler sich in jeder größeren Fußballkulturzeitung mit Kritik am Modell und der Ungerechtigkeit zitieren lassen. Aus einer Position der Stärke heraus ist man nun plötzlich dafür. Das ist genau das Gegenteil der Integrität, die ich bei meinem Verein immer geschätzt habe.

  15. 18.

    Zum Wohle der heutigen 36 sollen Rechte auf 20 Jahre verkauft werden. Und was ist mit den anderen? Wer spielt in 20 Jahren in den ersten zwei Ligen? Ich finde den Deal grotesk ungerecht. Das ausgerechnet mein Club dafür stimmt macht mir sorgen.

  16. 17.

    Ohje, da scheint es beim Fußball ja um Geld zu gehen. Wie das?
    Aber ganz im Vertrauen, die zwei Milliarden schmelzen dahin wie Herthas 370 Millionen, für Hertha würde der Anteil ja nicht mal ein halbes Jahr reichen. Und gegen England sind das wirklich nur Peanuts. Es lebe die Regionalliga!

  17. 16.

    Union - Fans, Spieler, Verein : Lasst Euch nicht verkaufen und bleibt bodenständig, denn es geht in erster Linie um Sport. Viel Glück.

  18. 15.

    Wow, ein Unioner beschwert sich über die einseitige Berichterstattung. Vielleicht kann dann auch ein Unioner mal erleben wie es ist im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Willkommen, da weht ein anderer Wind. Und es werden auch mal kritische Berichte erscheinen. Hertha durfte das jetzt lange genug ertragen und darf sich inner Zweiten mal ein bisschen erholen von der medialen Schikane. Danke fürs Ablösen und (hoffentlich) bis nächstes Jahr :)

  19. 14.

    Autsch! Das tut wirklich weh. Würde hier rbb24 genutzt werden, wäre man besser informiert...

    Der Sponsor Aroundtown war und ist bei Union nicht unumstritten, ist aber hauptsächlich in Gewerbeimmobilien unterwegs...

    Da wir uns im Profifußball bewegen, sollte man sich mal das Ding von Oliver Ruhnert erklären lassen. Der ist da sehr sachlich und nüchtern.

    Tickets per Los? Was willst du tun, wenn dich dein eigener Erfolg überholt? Tickets versteigern? Passt ja zur Grundeinstellung des Kommentars...

    Eintrittspreise: So preiswert kommst du nirgendwo in der Bundessliga zu Spiel... Stehplätze...

    Orban... Das steht plötzlich ein Staatsoberhaupt vor deiner Tür und du sagst: "Ich mag dich aber nicht???"

    Und Frauenfußball... Gerne in Adlershof an jedem Spieltag... Gerade hier ist Union sehr engagiert... Mal hinkommen und zusehen, dann erst kommentieren...

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