Interview | Berliner LSB-Präsident über Ehrenamt - "Die Vereine haben durchaus Schwierigkeiten, junge Leute zu gewinnen"

Di 27.06.23 | 15:43 Uhr
Thomas Härtel, Präsident des Landessportbund Berlin. Quelle: imago images/Metodi Popow
Bild: imago images/Metodi Popow

Der Landessportbund Berlin veranstaltet am Dienstag seine jährliche Ehrenamtsgala. LSB-Präsident Thomas Härtel spricht im Interview über den aktuellen Zustand des Ehrenamts im Berliner Sport und über Punkte, die ihm Kopfschmerzen bereiten.

rbb|24: Herr Härtel, wie geht es dem Ehrenamt im Berliner Sport - gibt es Grund zu feiern am Dienstagabend?

Härtel: Den feierlichen Anlass gibt es sicherlich: Wir wollen Ehrenamtliche im Berliner Sport würdigen und ihre Arbeit anerkennen. Deswegen veranstalten wir jedes Jahr gemeinsam mit der Feuersozietät die Gala. Wir stellen aber schon fest, dass wir einige Herausforderungen zu bestehen haben. Bei uns sind rund 60.000 Ehrenamtliche engagiert, die tagein, tagaus den Sport organisieren müssen. Dabei stehen sie durchaus vor einigen Hürden. Zusätlich brauchen wir wegen unserer Mitgliederentwicklung viele Ehrenamtliche, um die Vereinstätigkeit vor Ort so am Leben zu halten, wie wir uns das wünschen.

Die vergangenen Jahre waren auch in den Sportvereinen und im Spielbetrieb beeinflusst durch die Corona-Pandemie. Wie hat sich das aufs Ehrenamt im Sport ausgewirkt?

Der Sport fand praktisch nicht statt. Viele Ehrenamtliche konnten das, was sie sich zur Aufgabe gemacht haben, nicht ausüben. Zeitgleich standen sie aber auch vor großen Anforderungen. Sie mussten schauen, wie sie die Mitglieder in ihrem Verein halten und betreuen können. Dabei ging es zum Beispiel um Angebote wie Videokonferenzen und andere digitale Angebote. Das war eine ziemliche Herausforderung. Das gilt auch für die finanzielle Belastung der Vereine, die wir durch den Rettungsschirm des Senats abgemildert haben. Dort mussten Gelder beantragt werden und so der Vereinsbetrieb sichergestellt werden, um die Corona-Zeit zu überstehen.

Haben Sie festgestellt, dass sich Menschen in dieser Zeit vom Sport distanziert haben und es nun weniger ehrenamtliche Mitarbeiter gibt?

Nein, das ist nicht der Fall. Unsere ehrenamtlichen Engagierten, und von ihnen lebt der Sport, sind uns treu geblieben. Sie haben ihre Aufgaben wahrgenommen - wenn auch eingeschränkt. Was aber eine Belastung war, ist, dass wir in dieser Zeit keine neuen Ehrenamtlichen gefunden haben - das ist das Problem. Viele Menschen, die vielleicht ein Interesse hatten, sich ehrenamtlich zu engagieren, wussten, dass wenig Veranstaltungen und Aktivitäten stattfanden. Sie haben den Zugang zu Sportvereinen nicht gefunden. Das müssen wir jetzt aufarbeiten und für das Ehrenamt werben.

Wie würden Sie die Altersstruktur bei ehrenamtlichen Helfern beschreiben? Rücken genügend junge Menschen nach?

Bei jungen Leuten ist es etwas schwieriger. Wir haben schon eine Alterstruktur, in der ehrenamtliche Helfer im etwas höheren Alter sind - sich in der Rente oder im Ruhestand befinden. Die mittlere Altersgruppe ist durch den Beruf oder die Ausbildung belastet. Bei junge Leuten, die wir immer wieder versuchen anzuwerben, ist es oft so, dass sie sich eher projektbezogen und zielgruppenspezifisch einbringen wollen anstatt in der typischen Vereinstätigkeit, wie zum Beispiel in einem Vorstand. Es ist also eine etwas andere Form des Ehrenamts. Sie wollen eher einen Beitrag zur Inklusion, der Nachhaltigkeit oder zum Klimaschutz leisten.

Ist das ein Problem?

Ja. Wir können Vorstände oft nicht in dem Umfang besetzen, wie es nach der Satzung notwendig ist. Die Vereine haben durchaus Schwierigkeiten, junge Leute zu gewinnen, weil sie eben eine andere Ausrichtung haben. Ebenso haben wir Probleme den Frauenanteil zu erhöhen, weil sie durch die Ausbildung und die familiäre Belastung oft nicht die Zeit für ein Ehrenamt finden. Die Vereine müssen ihren Beitrag leisten, um beides in eine zeitliche Abfolge zu bringen. Auch Unternehmen und Verwaltungen sollten dazu bereit sein, das Ehrenamt zu würdigen und anzuerkennen. Wer neben dem Beruf ein Ehrenamt ausübt, sollte die Unterstützung seines Arbeitsgebers erhalten.

In Berlin fanden zuletzt die Special Olympics mit 16.000 freiwilligen Helfern statt. Inwiefern war der LSB dort involviert oder kann sogar nachhaltig davon profitieren?

Wir haben unseren Beitrag geleistet, indem wir über unsere Vereine Freiwillige für das Ereignis gewinnen konnten. Ich glaube auch, dass wir langfristig etwas davon haben. Ich konnte mit vielen Volunteers sprechen, die sich für die Special Olympics Bildungsurlaub genommen und sich engagiert haben. Sie haben wirklich positive Eindrücke mitgenommen, sodass ich hoffe, dass wir sie auch für Tätigkeiten in den Vereinen gewinnen können. Inklusion ist in den Vereinen eine große Herausforderung. Wir haben jetzt also eine Zielgruppe, die wir ansprechen und sagen können: Liebe Leute, schön, dass ihr bei den Special Olympics mitgemacht habt und wir bieten an euch mit euren tollen Erfahrungen auch weiterhin in unseren Vereinen zu engagieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jonas Bürgener.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.06.23, 18:15 Uhr

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