Interview | Dirk Westphal zur Zukunft des Volleyball-Bundesligisten - "Man ist froh, dass die Netzhoppers als Urgestein am Leben gehalten wurden"

Di 27.06.23 | 14:43 Uhr
Dirk Westphal im Trikot der Netzhoppers KW-Bestensee (Bild: IMAGO/Nordphoto)
Bild: IMAGO/Nordphoto

Die Netzhoppers haben trotz ihres Insolvenzverfahrens die vorläufige Lizenz für die Volleyball-Bundesliga bewilligt bekommen. Bis Ende Juni müssen sie nachbessern. Dirk Westphal über die neue, alte Spielstätte, den Kader und einen kürzeren Namen.

rbb|24: Dirk Westphal, wie fühlt es sich an, nach Monaten der Ungewissheit und unzähliger Wenn-Dann-Szenarien die Lizenz für die 1. Volleyball-Bundesliga so gut wie bewilligt zu haben?

Dirk Westphal: Eigentlich sehr, sehr gut. Man muss immer noch dazusagen, dass es erstmal nur eine vorläufige Lizenz ist und sie an weitere Auflagen gebunden ist, aber das ist eine große Entschädigung und Erleichterung. Da kann man sich im Moment der Ruhe auch mal auf die Schulter klopfen und sagen, dass man da ganz gut vorangekommen ist. Natürlich ist man froh, dass die Netzhoppers als Urgestein am Leben gehalten wurden und hoffentlich noch lange, lange der Bundesliga erhalten bleiben.

Zur Person

Dirk Westphal (geb. 31.01.1986) erlernte das Volleyballspielen beim TSC Berlin und absolvierte beim SCC Berlin (heute BR Volleys) seine erste Profistation. Ab 2009 spielte der 2,03 m große Außenangreifer acht Jahre bei verschiedenen Klubs im Ausland: in Italien, Belgien, Polen, Frankreich und Iran.

Ab 2018 war er bei den Netzhoppers Königs Wusterhausen aktiv, für die er außerdem als Sportdirektor arbeitete. Mit der deutschen A-Nationalmannschaft gewann er 2014 WM-Bronze, sein größter Erfolg. Außer Hallenvolleyball spielte Westphal professionelles Beachvolleyball.

Seit Bekanntwerden des Insolvenzverfahrens arbeitet Westphal als angehender Geschäftsführer einer neuen Spielbetriebsgesellschaft an der Erhaltung der Netzhoppers.

Bis Ende Mai mussten alle Bundesligisten 80 Prozent der Finanzierung vorlegen. Die Liga hat jetzt alles geprüft und grünes Licht gegeben. Wie läuft es mit den restlichen 20 Prozent, die bis zur Frist Ende Juni präsentiert werden sollen?

Wir haben noch andere Partner, die wir in der Kürze der Zeit im Mai noch nicht abgeklappert haben. Da wurden nochmal Gespräche geführt und die Zeichen sehen gut aus. Ich bin optimistisch. Aber der größte Fehler wäre, sich auszuruhen, weil noch ein paar andere Baustellen zu bearbeiten sind.

Ehrlicherweise waren die 100 Prozent immer unser Minimalziel. Eigentlich wäre es ja schön, wenn wir auf ein bisschen mehr und eher auf 120 bis 140 Prozent kommen. Dann können wir auch wieder Volleyball auf einem anderen Niveau präsentieren.

Während Sie im letzten Monat vor allem mit der Zukunft beschäftigt waren, hat sich ein Teil des Teams mit der Vergangenheit beschäftigt. Wie sieht es bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens aus?

Nach meinem Kenntnisstand ist das Verfahren jetzt eröffnet worden. Es geht mit der Liquidation der Vermögensgegenstände weiter. Ich weiß nicht, in welchem Zeithorizont sich das bewegt, aber es wird die alte Spielbetriebsgesellschaft in absehbarer Zeit nicht mehr geben.

Ist der Weg für die neue GmbH damit schon frei oder kann das erst geschehen, wenn das Verfahren abgeschlossen ist?

Es war für uns schon wichtig zu wissen, was mit der alten GmbH passiert. Zwei Spielbetriebsgesellschaften zu haben, war nicht unser Wunschszenario. Aber beim Lizenzantrag ist die GmbH nicht involviert, weil immer der eingetragene Verein die Lizenz beantragt und sie im zweiten Schritt weitergibt. Da müssen wir die Details noch mit der Liga klären.

Die anderen Bundesligisten haben in den letzten Wochen einen Neuzugang nach dem anderen verkündet. Bei den Netzhoppers war die Kaderplanung bis vor Kurzem wegen der Ungewissheit on hold. Wie soll die Mannschaft für die nächste Saison aussehen?

So wie wir ins Rennen gegangen sind, gestaltet sich jetzt auch der Kader: mit jungen, lokalen Spielern. Wir haben jetzt auch schon mehr als die Starting Six unter Vertrag und werden die - zum größten Teil - Neuzugänge dann peu à peu präsentieren und etwas detaillierter vorstellen. Wir haben jetzt schon eine Mannschaft zusammen, die nach meiner Einschätzung in der Lage ist, Bundesliga-Spiele zu gewinnen und gerade gegen die Neuaufsteiger ein Wörtchen mitreden wird. Da sollte man sich keine Sorgen machen. Ob wir in die Playoffs kommen, kann ich jetzt noch nicht vorhersehen, aber ich bin erstmal nicht unzufrieden, was die Kaderplanung betrifft.

Der erste Neuzugang, Zuspieler Djifa Amedegnato, kommt vom VCO Berlin. Und auch "junge, lokale Spieler" klingt nach einer Übernahme des VCO-Kaders, der in der letzten Saison mit dem Sonderspielrecht zwar viel gelernt, aber trotzdem unten mitgespielt hat.

Den Eindruck könnte man natürlich gewinnen. Aber viele der VCO-Spieler sind schon in anderen Vereinen untergekommen. Natürlich gibt es da eine große Überschneidungsmenge. Da wird auch der eine oder andere VCO-Spieler dabei sein. So viel kann ich schon mal verraten. Aber weil sie in der Ausbildungskostenentschädigung durch ihren Werdegang am Stützpunkt leider relativ teuer sind, steht das ein bisschen im Widerspruch zu unserer aktuellen finanziellen Situation.

Es werden auch ein paar Jungs sein, die man bisher noch nicht so richtig auf dem Zettel hatte. Sie kommen teilweise aus der 2. Liga, aber auch von anderen Vereinen aus der Bundesliga. Dort hatten sie vielleicht weniger Spielpraxis und versprechen sich bei uns mehr Zeit. Das ist ein Potpourri aus verschiedenen Spielerquellen.

Auch an der Seitenlinie wird es ein neues Gesicht geben. Cheftrainer Tomasz Wasilkowski geht nach Straubing. Wie laufen die Gespräche zur Trainerposition?

Sie laufen, aber da bin ich noch nicht so weit, wie mit der Kaderplanung. Ich denke, wir haben ein attraktives Produkt und ich bin optimistisch, dass wir auf der Position in Kürze auch Fortschritte machen. Aber de facto haben wir momentan noch keinen Trainer.

Fest steht aber jetzt schon: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger wird er für die Spiele nicht mehr in die Landkost-Arena nach Bestensee fahren. Neuer, alter Spielort soll die Paul-Dinter-Halle in Königs Wusterhausen sein. Die Kapazität ist ähnlich. Warum der Wechsel?

Wir wechseln, weil das, was bei uns im Namen steht, eigentlich auch unsere Heimat sein soll. Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir in unserer Heimatstadt, wo unser Verein gegründet wurde und wir uns zuhause fühlen, ganz gerne unseren Sport präsentiert hätten. Leider war es in den vergangenen Jahren durch den Masterplan so, dass die Paul-Dinter-Halle nicht unter den Bestandsschutz fiel. Die Hallendecke war zu flach.

Auch wenn die Kapazitäten ähnlich sind, bietet die Paul-Dinter-Halle trotzdem bessere Möglichkeiten unseren Sport und unsere Sponsoren zu präsentieren. Wir haben einen sehr lukrativen VIP-Raum und ein großes Foyer, wo man mehr machen kann. Die Anbindung ist viel besser. Wir sind in der Nähe vom Bahnhof, wodurch die Anreise vereinfacht wird. Davon verspreche ich mir, dass wir in der nächsten Saison ein steigendes Zuschauerinteresse verspüren werden.

Momentan steht nicht nur Königs Wusterhausen, sondern auch Bestensee im Namen. Bedeutet das, dass Bestensee aus dem Mannschaftsnamen verschwindet?

Davon müssen wir ausgehen. Wir haben die neue Lizenz als ‘Energiequelle Netzhoppers Königs Wusterhausen’ beantragt.

Dann ist es ein paar Zeichen kürzer.

(lacht) Ja. Dann müssen wir uns nicht mehr einfallen lassen, wie wir den Namen aufs Scoreboard kriegen.

Der neu verabschiedete Masterplan der Liga für 2030 sieht einen stärkeren Fokus auf Vermarktung, Reichweiten und professionellere Vertriebs- und Marketingstrukturen vor. Können die Netzhoppers das erfüllen, wenn Videographen und Social Media Manager aktuell vielleicht nicht die erste Investition sind?

Mit dem Masterplan 2030 habe ich mich noch nicht tiefer beschäftigt. Da überwiegen die kurzfristigen Baustellen, die wir noch haben. Aber natürlich ist eine weitere Professionalisierung wünschenswert und auch dringend notwendig. Der Masterplan muss immer wieder überarbeitet und an die Zeichen der Zeit angepasst werden.

Sie haben mit einer Gruppe von Menschen in den letzten Monaten komplett ehrenamtlich gearbeitet und seit dem Ende Ihrer aktiven Karriere nicht wirklich eine Pause gemacht. Ist dafür vor der neuen Saison noch Zeit?

Meine Familie drängelt auch schon nach Urlaub. Momentan kann ich das wirklich noch nicht abschätzen. Ob plötzlich Wendungen auftreten, die nochmal mehr Zeit in Anspruch nehmen. Wir sind momentan im Fahrplan. Wenn das weiter so bleibt, ist ein Urlaub drin. Aber wenn noch etwas Unvorhergesehenes passiert, glaube ich nicht, dass ich das dieses Jahr noch hinkriege. Weil die Saison durch die Olympischen Spiele kürzer ist, hoffe ich, dass ich spätestens Ostern irgendwo bin, wo es warm und schön ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lynn Kraemer, rbb Sport.

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