Sportliche Erkenntnisse, Mitglieder und Geld - Was Union Berlin beim Abschied aus der Champions League mitnimmt

Mi 13.12.23 | 08:00 Uhr | Von Till Oppermann
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Unionjubel nach 1:0 durch Kevin Volland am 12.12.2023.(Quelle:imago images/O Behrendt)
Audio: rbb24 Inforadio | 13.12.2023 | Lars Becker | Bild: imago images/O Behrendt

Unions Ausflug in die Champions League ist vorbei. Die drei Monate in der Königsklasse brachten dem Fußball-Bundesligisten neue Aufmerksamkeit, wirtschaftlichen Auftrieb und viele Emotionen. Nun hat der Klub mehr Zeit, um das zu verarbeiten. Von Till Oppermann

Wer wissen wollte, was die Qualifikation zur Champions League dem 1. FC Union Berlin gebracht hat, bekam am Dienstag eine weitere Antwort: Schon mittags spielte die U19-Mannschaft der Köpenicker im Jugendwettbewerb Uefa Youth League gegen den Nachwuchs von Real Madrid. Und über die Kulisse hätten sich vor zehn Jahren selbst die Profis noch gefreut. Mehr als 20.000 Zuschauer drängten sich auf den Rängen der Alten Försterei.

Der Verein hatte zahlreiche Schüler eingeladen und durch diese Aktion mit Sicherheit einige neue Fans für sich gewonnen. Viele Menschen sind in den letzten Monaten und Jahren zu Union gekommen. Sie werden dem Verein auch noch lange nach der Champions League erhalten bleiben.

Olympiastadion dreimal ausverkauft

Das zeigte sich später am Tag auch im Berliner Olympiastadion. Zum dritten Mal in dieser Gruppenphase war es mit über 73.000 Zuschauern ausverkauft. Die Zugkraft von Union war noch nie so groß. Das verdeutlichte schon der Mitgliederzuwachs. Im Olympiastadion konnten sich alle, die dem Verein sein Wachstum nicht so ganz abgekauft haben, mit eigenen Augen überzeugen. Die Köpenicker sind ihrem Heimatstadtteil im Berliner Südosten schon lange entwachsen.

In Berlin und in Deutschland kennt jetzt jeder Union. Aber auch international: Spiele gegen Real Madrid werden weltweit wahrgenommen und die Leistung der Berliner stimmte. Wie schon im Hinspiel verlor Union am Dienstag erst in letzter Minute. "Es war nicht einfach", sagte Real-Kapitän Nacho nach der Partie.

Union zeigt Herz

26 zu 74 Prozent Ballbesitz, acht zu 23 Torschüsse, 302 zu 884 versuchte Pässe mit 78 zu 95 Prozent Passquote: Rein statistisch gesehen war Union gegen Real so klar wie ein Armdrückwettbewerb zwischen einem Maulwurf und einem Braunbären. Aber das Spiel hatte mehr zu bieten als diese Zahlen. In den roten Trikots spielte eine Mannschaft, die nie aufgab und immer ihre Chance suchte. Eine Mannschaft, die Real zeitweise ab dem gegnerischen Strafraum presste. Eine Mannschaft, in der Spieler wie Jerome Roussillon, die, obwohl sie sowieso schon die ganze Zeit damit beschäftigt waren, ihren Gegenspielern hinterherzulaufen, auf technische Schwächen und Fehlpässe reagierten, indem sie giftig nachsetzten, bis das ganze Stadion stand und jubelte.

"Die Mannschaft kann stolz auf sich sein", sagte Trainer Nenad Bjelica trotz der Unterlegenheit und der 2:3-Niederlage. Obwohl seine Spieler nach einer Champions League-Saison ohne Sieg und mit drei verspielten Führungen enttäuscht waren - sie haben ihr Herz in beide Hände genommen. Das bleibt.

Naivität und individuelle Fehler trennen Union von Topteams

Kapitän Rani Khedira fluchte nach dem Spiel trotzdem über die Naivität des Teams. "Sie lernen daraus", hoffte Bjelica. Insbesondere die späten Heimspielniederlagen gegen Braga und Real trennten Union davon, in Europa zu überwintern. Dass die Mannschaft nicht in der Lage war, auf der größten Bühne eine Führung zu verteidigen, hatte aber nicht nur mentale Ursachen.

Es mangelt auch an sportlicher Klasse, wenn man wie gegen Braga dreimal ein Gegentor auf ähnliche Weise aus dem Rückraum kassiert oder wie gegen Real in der 89. Minute nach einem unnötigen Fehlpass im eigenen Angriff in einen Konter läuft. "Real war leider zu stark für uns", ist ein Fazit, das viele Trainer so ziehen müssen. Trotzdem gab das Spiel Nenad Bjelica Aufschluss darüber, woran es seinem Kader noch mangelt.

Union nimmt Geld mit

Diese Erkenntnisse können ihm auch bei seiner Hauptaufgabe helfen: dem Klassenerhalt in der Liga. Dafür planen die Unioner im Winter Änderungen im Kader. Für Bjelicas bevorzugtes 4-2-3-1-System gibt es zu viele zentrale Mittelfeldspieler, aber zu wenige Außenverteidiger und Flügelstürmer. Dieser Investitionsbedarf kommt für Union zu einem günstigen Zeitpunkt: Die Champions League-Gruppenphase hat Millionen in die Kassen gespült, die Union im Winter investieren kann, um den wichtigsten sportlichen Erfolg der vergangenen Jahre, die Etablierung in der Bundesliga, zu konservieren. Keiner von Unions Konkurrenten im Tabellenkeller hat auch nur annähernd so viel finanziellen Spielraum, um im Winter nachzubessern.

Das Olympiastadion erstrahlt in rot am 12.12. 2023.(Quelle:imago images/M.Koch)

Ein Verein kann durchatmen

Womöglich kam die sportliche Misere in der Liga parallel zum Champions League-Rausch als Realitätscheck genau richtig. Traditionell hat Union Berlin viel damit zu tun, auszuloten, wer der Verein sein will. Schrulliger Nostalgie-Klub aus Köpenick? Moderner Fußballverein aus Berlin? Für Investoren in der Liga oder dagegen? Umzug ins Olympiastadion? Erfolg um jeden Preis?

Mit diesen Themen hatten viele Unioner auch ohne die Champions League schon genug zu kämpfen. Denn der Erfolg ihres 1. FC Union in den vergangenen Jahren war für viele mindestens ebenso beängstigend wie berauschend. Gefühlt ist der Verein für die meisten Fans sowieso eher Klassenerhalt als Königsklasse. Dass Union in Zukunft vorerst nicht mehr alle drei Tage spielt, gibt allen Zeit, ihre Gefühl zu verarbeiten. Gut so.

Sendung: rbb24, 12.12.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

24 Kommentare

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  1. 24.

    Hammer Spiele waren das Union, riesen Respekt dafür, Fußball-Berlin hat wieder einen Namen in Europa, Chapeau! Was war vorher nicht alles so zu hören an selbsternannten "Experten"meinungen, zweistellige Niederlagen wurden vorhergesagt und dass das Olympiastadion niemals voll werden würde und und und. Im Ergebnis konnte kein Team Union mit mehr als einem Tor Unterschied besiegen, der stärkste Club der Welt hatte alle Hände voll zu tun um zweimal kurz vor Ultimo den Sieg überhaupt noch einzufahren, das Olympiastadion wurde jedesmal innerhalb von Stunden spielend ausverkauft und die zahlreichen, begeisterten Kommentare selbst der sportlichen Gegner zur unglaublichen Atmosphäre die die Unionsfans ins Olympiastadion gezaubert haben waren allerbeste Werbung nicht nur für Union selbst, sondern auch für unsere schöne Stadt Berlin. Und "nur" zwei Punkte in der Gruppenphase sind für einen CL-Neuling aller Ehren wert, das hat selbst der große FC Bayern schon als Nichtneuling erleben müssen.

  2. 23.

    Zumindest haben die anderen drei deutschen Vereine in der CL wieder reichlich Punkte für die Nationenwertung gesammelt. Somit ist es auch mal wieder möglich dass ein Punktelieferant wie in dieser Saison als 4. oder nach der CL-Reform sogar als 5. der Meisterschaft starten darf.
    Mit Champions hat das dann wirklich nichts mehr zu tun.

  3. 22.

    @BCC-Fan,
    Herr Neumann, Sie schreiben von fehlender Logig: Meinen Sie damit ihren Beitrag ?!?
    WAS hat ihr Hertha-Bashing mit meinen Beitrag und der Antwort von @HG zu tun: NIX
    Die AF wäre CL-tauglich gewesen und der Umzug erfolgte nur um mehr Zuschauer die CL zu ermöglichen. Nach Umbau werden in der AF auch nicht alle Mitglieder die CL verfolgen können. ...
    Mein Betrag bezog sich auf das Tranfer-Minus in dieser Saison: Zuvor spielte Union auch international - ABER war bei den Transfers ausgeglichen. Mit den aktuellen Spielernamen haben die meisten erwartet, daß Union -auch Punktemäßig- erfolgreicher durch diese Saison kommt und in der CL ein oder 2 Siege einfährt

  4. 21.

    "2 Punkte... einfach nur grandios. Selten gab es eine schlechtere Punktausbeute in der CL einer deutschen Mannschaft. "
    Na und? ;-)

    "Dieser Erfolg solte noch mehrere Artikel des RBB wert sein."
    Finde ich auch.

  5. 20.

    ...Pardon, und Frauen selbstverständlich! Besonders Frau Kopplin, bist ein Schatz! Hug!

  6. 19.

    RÖnnoew ist da ... mein neuer Lieblingssatz aus dem inforadio. internationale Weltspitze! Danke Männer ...EISERN UNION

  7. 18.

    2 Punkte... einfach nur grandios. Selten gab es eine schlechtere Punktausbeute in der CL einer deutschen Mannschaft.
    Dieser Erfolg solte noch mehrere Artikel des RBB wert sein.

  8. 17.

    Nun hackt doch nicht alle auf den armen "Kai" herum. Er kennt halt nur Toni Kroos und und hält offenbar alle anderen Spieler, die gestern für RM auf dem Platz standen, für Bankdrücker der C-Mannschaft. ;-)

    Danke FCU für diese hoch stimmungsvollen Spielet im rot-getauchten Olympiastadion. Das wird für immer bleiben. U.N.V.E.U.

  9. 16.

    Ach @HG,
    komm doch einem BCC777-Fan nicht mit Logik, ist doch das Schuldenmachen in den Genen dieses wettfinanzierten Zweitligisten.
    Ich glaube, es sind so an die 270 Millionen plus der gestundeten Stadionmiete plus anderer Verbindlichkeiten.
    Egal, für Union wird das Geld reichen, sich ein CL-fähiges Stadion zu bauen, dann brauchen sie nicht mehr in dieses ....

  10. 15.

    Nochmals DANKE an Urs Fischer,
    er hat endscheidenden Anteil an Unions Erfolgen.

  11. 14.

    Ach @HG,
    komm doch einem BCC777-Fan nicht mit Logik, ist doch das Schuldenmachen in den Genen dieses wettfinanzierten Zweitligisten.
    Ich glaube, es sind so an die 270 Millionen plus der gestundeten Stadionmiete plus anderer Verbindlichkeiten.
    Egal, für Union wird das Geld reichen, sich ein CL-fähiges Stadion zu bauen, dann brauchen sie nicht mehr in dieses ....

  12. 13.

    Bellingham, Modric, Kroos, Alaba, Rodrygo standen gestern alle auf dem Platz. Das sind alles 1A Spieler !
    Mitleid gibts umsonst-Neid muss man sich erarbeiten. Letzteres hat sich der 1.FC Union Berlin über mehrere Jahr erspielt.
    Eisern Berlin

  13. 12.

    Vom Fußball scheinst Du keine Ahnung zu haben. Aber Hauptsache pöbeln. Wer hat denn Deiner Meinung nach gefehlt vom A-Team, der nicht verletzt ist. Madrid hat gegen Union mit voller Kappelle gespielt.

  14. 11.

    Bitte nicht die erheblichen Mehreinnahmen aus Ticketverkäufen (3x ausverkauft mit je ca. 73T ); Merchandising, gesteigerte Sponsoring- und Vermarktungseinnahmen etc. vergessen!
    Das sicherlich für unsere Verhältnisse sehr hohe Transferminus war nicht nur CL-bedingt, sondern sollte die Qualität der Mannschaft für alle Wettbewerbe festigen bzw. steigern. Ich bin dennoch gespannt, wo wir unterm Strich im Geschäftsjahr 2023/24 landen werden, was wir dann in der nächsten Mitgliederversammlung erfahren werden.

    Danke Union für die tolle und historische CL-Reise! ich habe einmal in meinem Leben Real live gesehen und das noch gegen meine Mannschaft!

  15. 10.

    Irgendwie schade, aber auch gut, was die momentane Situation betrifft. Es ist auch gut die AF auszubauen und das Oly nur bei Bedarf zu nutzen.
    Was mir aber fehlt ist die Weitsicht bei der Nachwuchsförderung wenn die BL auf Dauer gehalten werden soll. Das NFZ ist zwar schön, aber welcher A-Junior schaft es direkt in die Liga? Deswegen haben andere Vereine auch eine U23. Unter anderem zeigt momentan die alte Dame, wozu das gut sein kann.
    Eisernes HaHoHe

  16. 9.

    Mal ehrlich, wo hast du deinen Sachverstand her?
    da stand gestern abend alles auf dem Platz, was Real derzeit zur Verfügung steht und nicht verletzt oder gesperrt ist. Es spielten mal locker weit über 350 Mio. Euro Kaderwert (lt. transfermarkt.de) gegen Union. Und du sprichst von C-Mannschaft? Mach dich doch nicht lächerlich.

  17. 8.

    Mal ehrlich, die haben gestern gegen eine C-Mannschaft gespielt…..
    Immer diese Selbstbeweihräuchrung.

    Ist die Realität in der Liga noch nicht genug?

  18. 7.

    Damit hast Du alles gesagt, ein herrlicher Abend eine unvergessliche CL - Reise ist zu Ende.Aber der Fußballgott hat auch gesehen was am Nachmittag in der AF los war.
    Dort galt auch , geb niemals auf .... und werdet Fußballgötter.
    Danke.
    U.N.V.E.U.

  19. 5.

    Die Kommentare 1-3 haben schon eigentlich schon alles gesagt, dem schließe ich mich an.
    Wir durften gestern im Olympiastadion dabei sein. Man kann es nicht beschreiben, Union und das Stadion muss man einmal live erlebt haben. Trotz Niederlage ein tolles Spiel und ein schönes Gefühl. Wer hätte vor ein paar Jahren überhaupt daran gedacht, Union in der Champions League und dann noch gegen Madrid? Ich bin sicher, dieser kurze Ausflug in internationales Terrain wird für Union nicht der letzte gewesen sein. Die nächste Champions League kommt bestimmt.
    Nun ist die Zeit, alles zu verarbeiten, auszuwerten, sich zu sortieren, um sich (erst einmal)wieder auf die BL zu konzentrieren.
    U.N.V.E.U.

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