Junge Gründer im Sport-Bereich - Wenn die Welle stillsteht

Mi 29.04.20 | 12:25 Uhr | Von Johannes Mohren
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Eine Surferin springt auf einer künstlichen Surfwelle in der Indoor-Surfhalle Wellenwerk (Quelle: DPA/Carsten Knoll)
Bild: DPA

Erst vor einigen Monaten eröffnete in Lichtenberg die Surfhalle mit der höchsten Indoor-Welle der Welt - das Projekt junger Berliner Gründer. Schon im März zwang sie die Corona-Krise wieder zur Schließung. Nun kämpfen sie um ihren Traum. Von Johannes Mohren

Die Sorgen von Kilian Hohls machen aktuell keine Pause. Auch nachts nicht. "Ich schlafe seit sechs Wochen kaum noch, wenn ich ganz ehrlich bin. Ich denke auch eigentlich an nichts anderes mehr", sagt der 29-jährige. Ständig tüftelt er - und das unter Hochdruck. An Plänen, die in keiner Schublade stecken, weil niemand gedacht hätte, sie je zu brauchen. "Es fühlt sich für uns momentan tatsächlich so an, als würde es einem den Boden unter den Füßen wegziehen", sagt der Berliner. Mutlos klingt er dabei nicht - eher kämpferisch. 

Gerade einmal fünf Monate ist es her, da schien für den jungen Gründer und seine Mitstreiter noch alles perfekt. Endlich - knapp drei Jahre nach der Idee - konnten sie die ersten Surfer ins Becken lassen, um in Berlin-Lichtenberg die höchste Indoor-Welle der Welt zu reiten. "Wir haben alles daran gesetzt, das Projekt so schnell wie möglich zu realisieren", sagt Hohls. Er spricht vom "Wellenwerk" - dem Unternehmen, das zugleich ihr Traum ist. 

Seit dem 14. März dicht

Nun ist dieser bis zu 1,60 Meter hohe Wellentraum im Eiltempo zum Sorgenfall geworden - und das, ohne dass die Hohls und Co. irgendetwas dafür könnten. Seit dem 14. März ist die Surfhalle für Besucher dicht. Die Welle steht still. "Wir folgen der aktuellen Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus in Berlin und schließen ab SOFORT das Wellenwerk bis auf weiteres", schrieben sie da in einem Facebook-Post - sie hatten gar keine andere Wahl.

Seitdem erlebt das Start-up-Team das, was viele Unternehmen erleben. Da sind sie im Grunde nicht anders als die Anderen. Nur dass es ihnen mit gerade einmal Ende 20 passiert - und nach gerade einmal ein paar Monaten im Geschäft. "Es ist nicht nur unsere Existenz, die des Unternehmens und die private. Es ist auch die von derzeit mehr als 30 Leuten, die bei uns arbeiten. Beziehungsweise bei uns arbeiten würden, wenn wir denn arbeiten dürften", sagt Hohls. 

"Wissen gar nicht, was wir sagen sollen"

Es ist genau diese Verantwortung, die ihn - als einen der Geschäftsführer - in diesen Wochen schlaflos macht. Weil er ihr gerecht werden will, aber sich der Realität beugen muss: "Wir wissen gar nicht, was wir sagen sollen. Wie wir Fragen beantworten sollen", sagt er. Und: "Diese Unsicherheit ist einfach allumfassend. Da kann man schlecht Perspektiven aufzeigen und erst recht nicht planen. Das ist für uns eigentlich das größte Problem." 

Eigentlich. Es ist das Wort, das momentan so häufig fällt, wenn es um Pläne geht. Eigentlich also sollte es weitergehen, nachdem die künstliche Welle seit Ende November wogte. Für Anfang April war die Eröffnung der Gastronomie geplant. Für Anfang Mai die des Biergartens. Die Gründer - allesamt begeisterte Brettsportler, viele sonnenverliebte Surfer - hatten für einen Berliner Sommer geplant. "All das ist jetzt natürlich obsolet", sagt Hohls. 

Das bange Warten bei jeder Pressekonferenz

Den Finanzplan interessiert das wenig. Da waren diese nächsten Schritte eingepreist. Aktuell befinden sich alle Mitarbeiter in Kurzarbeit. Sie wissen, dass sie das auf Dauer in existenzielle Nöte bringen kann - und glauben doch fest daran, es zu schaffen. "Wir mussten im Laufe des Projektes so viele Schwierigkeiten und Hürden nehmen, dass ein Großteil des Teams guter Dinge ist, dass wir auch diese Krise in irgendeiner Form überstehen werden", sagt Julius Niehus, einer der insgesamt sieben Mitgründer. Herzblut habe das Projekt gekostet, Energie und Zeit. Und das alles in rauen Mengen. "Da ist es für uns jetzt gar keine Option ist, das frühzeitig zu beenden. Das steht nicht zur Debatte."

Bei Hohls klingt das ganz ähnlich. "Das sind Gedanken, die wir ganz schnell wegschieben und nach anderen Lösungen suchen. Und wir sind auch guter Dinge, dass wir die finden - sobald wir wissen, auf welcher Klaviatur wir spielen." Liefern müsse die Politik. Es sei das bange Warten, dass sie Ansagen macht. Bei jeder Pressekonferenz. Ob von Angela Merkel, Jens Spahn oder Michael Müller. "Wir haben große Hoffnungen, wenn es dann wieder so weit ist. Und dann wird uns beständig wieder der Boden unter den Füßen weggezogen", sagt der 29-Jährige.

Wenn keine Hilfe so richtig passt

Weitergehen muss es trotzdem. Das gilt zum einen für die Instandhaltung der Halle. "Wir können nicht einfach die Tür abschließen und wochenlang zuhause im Home-Office sitzen. Dafür ist da viel zu viel sensible Infrastruktur verbaut", sagt Niehus. Zum anderen - und vor allem - müssen sie sich aber um die Finanzen kümmern. Und stecken da in einem Dilemma. Kaum eine Unterstützung passe so richtig, berichtet Hohls, der selbst studierter Jurist ist. Das Start-up sei zu groß, um bei der Investitionsbank Soforthilfe für Kleinstunternehmer zu beantragen. Zu klein, um von den Programmen für größere Konzerne profitieren zu können. Und zu jung, um die Nothilfe der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Anspruch zu nehmen.

"Das einzige wirklich passende Programm für uns, das auch mit ausreichenden Mitteln ausgestattet gewesen wäre, war die Soforthilfe I vom Berliner Senat und der IBB. Nur war es am Anfang auch so, dass das für Unternehmen gesperrt war, die noch keine drei Jahre am Markt sind." Als es dann auch für Unternehmen wie das "Wellenwerk" geöffnet worden sei, "war der Fonds schon überzeichnet". Es gilt also, andere Lösungen zu finden. Mit der Hausbank - "und auch der Bürgschaftsbank, wenn wir ganz viel Glück haben." 

Hoffen auf eine Sondergenehmigung

Ohne zu wissen, wann sie wieder öffnen können, ist aber auch das schwierig. "Wir müssen belastbare Finanz- und Liquiditätsplanungen abgeben. Da ist es natürlich entscheidend, ob wir im Mai, Juni, Juli oder erst im Dezember wieder eröffnen dürfen." Sie selbst hoffen, dass sehr bald wieder gesurft werden kann. Die Halle misst 700 Quadratmeter, "da gibt es sehr viel Puffer", sagt Hohls. Denn gleichzeitig werde sie von maximal zwölf Surfern und zwei Trainern genutzt. "Zuschauer würden wir natürlich nicht zulassen in dieser Zeit", sagt er. 

Und sie sehen noch einen Trumpf in ihrer Hand: Zumindest auf dem Weg, vielleicht eine Ausnahmegenehmigung erwirken zu können. Surfen ist bei den Olympischen Spielen in Tokio, die nach der Verschiebung 2021 ausgetragen werden sollen, erstmals im Programm. Und die Berliner Indoor-Surfhalle ein Trainingsort für Kaderathleten. "Diese Leute müssen trainieren, weil es sonst ein extremer Wettbewerbsnachteil ist. Alleine für die Chancengleichheit wäre es extrem wichtig", sagt Hohls - und: "Wir machen unser Projekt ja auch, um diesen Sport nach vorne zu bringen und wollen den Leute die Chance geben, im oberen Feld mitzumischen."

Mit dem Senat im Kontakt

Der Kontakt mit dem Senat stehe und funktioniere sehr gut. "Wir erreichen unkompliziert unsere Ansprechpartner. Das ist ein sehr angenehm. Nur dort herrscht auch Unsicherheit, was sie dürfen", sagt Hohls. Er und seine Mitstreiter haben nun vorerst Stellungnahmen von zahlreichen Profisportlern eingereicht. Vom Deutschen Olympischen Sportbund. Und alle Vorkehrungen getroffen, um die nötigen Maßnahmen einzuhalten. "Ich denke, dass das wohlwollend betrachtet wird und wir die Genehmigung - wenn möglich - bekommen. Wir sind nicht mit einem vollbesetzten Schwimmbad vergleichbar, wo sich die Leute die Viren hin- und hergeben könnten."

Es wäre ein erster Schritt in Richtung Normalität. "Und wenn wir beweisen können, dass es bei uns nicht zu einer Ansteckungsgefahr kommt, können wir das vielleicht Stück für Stück weiter ausdehnen", sagt Hohls. Bis dahin helfen ihnen auch die, die sie in der kurzen Vor-Corona-Zeit gewinnen konnten. "Wir sind dankbar für die bisherige Unterstützung unserer Stammkunden. Sie kaufen seit der Schließung Gutscheine, um hier nach der Wiederereröffnung surfen zu können", sagt Niehus. Es schwingt - mitten im frühen und tiefen Wellental - viel Hoffnung mit, wenn er davon spricht. Und der Glaube daran, dass bald wieder wilde Ritte durch die 1,60 Meter hohen Wassermassen die jungen Gründer träumen lassen. Tags und nachts.

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Beitrag von Johannes Mohren

1 Kommentar

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  1. 1.

    So eine großartige Idee dieser jungen Leute. Man sollte diese Surfhalle wieder öffnen und den Einlass kontrollieren. Da gibt es bestimmt Möglichkeiten.Genauso sollten man damit beginnen die Schwimmbäder wieder zu öffnen. Auch dort mit kontrollierten Einlass.

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