Interview | Professor für Energiewirtschaft - "Für die Verbraucher klingt das gut, aber jemand muss die Zeche bezahlen"
Eine Expertenkommission der Bundesregierung hat Vorschläge zur Entlastung der Bürger in der Energiekrise gemacht. Im Interview spricht Felix Müsgens von der BTU darüber, für wie sinnvoll er die Maßnahmen hält und wo noch nachgebessert werden müsste.
rbb|24: Herr Müsgens, laut einer Expertenkommission der Bundesregierung sollte der Staat eine Abschlagszahlung für Gas- und Fernwärmekunden übernehmen und eine Gas- und Wärmepreisbremse einführen. Sind das sinnvolle Maßnahmen?
Felix Müsgens: Man muss sagen, die Herausforderung war gigantisch. Gesucht war die Quadratur des Kreises. Auf der einen Seite möchte man Anreize zum Sparen finden, auf der anderen Seite möchte man die Kosten durch einen Preisdeckel begrenzen. Das ist kaum vereinbar. Insgesamt, finde ich, sind die Vorschläge der Kommission ein sinnvoller Kompromiss.
Was ist denn kritikwürdig an den Vorschlägen?
Schlecht finde ich vor allem die extrem hohen Kosten, die dadurch für den Steuerzahler entstehen. Der Staat gibt hier etwa 100 Milliarden Euro aus, je nach Preisentwicklung kann es auch mehr werden, um die Verbraucher zu entlasten. Das klingt für die Verbraucher erstmal gut, aber irgendjemand muss die Zeche natürlich bezahlen. Das sind wir als Steuerzahler oder im worst case sogar unsere Kinder und Kindeskinder, die nachher den Schuldenberg abtragen müssen.
Wir haben ja beim Gas auch ein Mengenproblem, die Speicher mussten mühsam gefüllt werden. Sind die Sparbemühungen durch die neuen Pläne jetzt in Gefahr?
Das ist das Positive: Man hat da sehr gründlich darauf geachtet. Deswegen haben wir diese etwas komplizierte Konstruktion, dass sich die Zahlungen für die Haushalte an den Abschlagszahlungen des Monats September orientieren. Das wurde mit Absicht so gemacht, denn niemand kann jetzt noch seine Abschlagszahlung für den September beeinflussen. Das bekommt man aber als Einmalzahlung im Dezember. Das klingt kompliziert, hat aber den Vorteil, dass der Anreiz im Dezember Gas zu sparen erhalten bleibt.
Wenn aber der Gasversorger zum Oktober die Abschläge erhöht hat, dann hat man Pech?
Das ist die Quadratur des Kreises, die ich angesprochen habe, das ist dann im Einzelfall nicht immer gerecht. Wer im September jetzt zufällig, aus welchen Gründen auch immer, seine Abschlagszahlung schon erhöht hat, der ist jetzt im Vorteil.
Allerdings werden diejenigen, die besonders unter der Krise leiden, nicht besser unterstützt, wieder ist es ein Gießkannenprinzip. Geht es nicht anders?
Das eine ist die Herausforderung, dass man die Daten im Zweifel nicht genau hat. Man weiß zwar, wo ein Gasanschluss ist und wie viel Erdgas hinter dem Anschluss verbraucht wird, man weiß aber teilweise nicht mal, ob das mehrere Wohnungen sind oder ist das eine Villa mit Pool und Sauna? Die Informationen fehlen an der Stelle und außerdem war der Zeitdruck ja auch extrem hoch. Die Kommission hat sich das auch nicht leicht gemacht, weil man versucht, noch vor Beginn des Winters Entlastungen festzuschreiben. Dann kann man gleichzeitig nicht immer jeden Einzelfall prüfen. Auch deshalb braucht man eine pragmatische Lösung.
Sie sind Inhaber des BTU-Lehrstuhls für Energiewirtschaft. An welcher Stelle hätten Sie noch Vorschläge?
Das eine ist die Angebotsseite. Sie haben schon gesagt, der Punkt ist, es fehlt Erdgas. Das ist die zentrale Botschaft. Wir müssen uns auch auf der Angebotsseite vom russischen Erdgas zunehmend unabhängig machen, indem wir andere Quellen erschließen, indem wir investieren. Das passiert natürlich, aber da muss man schauen, ob man nicht noch mehr machen kann. Der Einsparanreiz bleibt erhalten für die Nachfrager, insofern ist das erstmal sinnvoll. Das andere ist aber, der Staat kann die Bürger hier nicht unentlich entlasten.
Wir haben dieses Angebotsproblem, die Preise sind in der Folge hoch. Wir bezahlen diese Preise für das Erdgas, damit es nicht nach Asien fließt. Das ist einfach ein bedauerlicher Fakt und das ist auch kaum zu ändern. Alles was der Staat jetzt tun kann, ist umverteilen. Der Staat kann also nur die stark gestiegenen Kosten an Bürger A verteilen, der jetzt mehr zahlt und dafür Bürger B entlasten. Das muss man auch klar kommunizieren: die Möglichkeiten der Regierung und des Staates die Bürger nachhaltig zu entlasten sind begrenzt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führten Marco Seiffert und Tom Böttcher für radioeins.
Sendung: radioeins, 11.10.2022, 8 Uhr