Interview | Professor für Energiewirtschaft - "Für die Verbraucher klingt das gut, aber jemand muss die Zeche bezahlen"

Di 11.10.22 | 15:17 Uhr
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An einer Gasheizung werden die Daten abgelesen. (Quelle: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert)
Audio: Studio Cottbus | 11.10.2022 | Martin Schneider | Bild: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Eine Expertenkommission der Bundesregierung hat Vorschläge zur Entlastung der Bürger in der Energiekrise gemacht. Im Interview spricht Felix Müsgens von der BTU darüber, für wie sinnvoll er die Maßnahmen hält und wo noch nachgebessert werden müsste.

rbb|24: Herr Müsgens, laut einer Expertenkommission der Bundesregierung sollte der Staat eine Abschlagszahlung für Gas- und Fernwärmekunden übernehmen und eine Gas- und Wärmepreisbremse einführen. Sind das sinnvolle Maßnahmen?

Felix Müsgens: Man muss sagen, die Herausforderung war gigantisch. Gesucht war die Quadratur des Kreises. Auf der einen Seite möchte man Anreize zum Sparen finden, auf der anderen Seite möchte man die Kosten durch einen Preisdeckel begrenzen. Das ist kaum vereinbar. Insgesamt, finde ich, sind die Vorschläge der Kommission ein sinnvoller Kompromiss.

Was ist denn kritikwürdig an den Vorschlägen?

Schlecht finde ich vor allem die extrem hohen Kosten, die dadurch für den Steuerzahler entstehen. Der Staat gibt hier etwa 100 Milliarden Euro aus, je nach Preisentwicklung kann es auch mehr werden, um die Verbraucher zu entlasten. Das klingt für die Verbraucher erstmal gut, aber irgendjemand muss die Zeche natürlich bezahlen. Das sind wir als Steuerzahler oder im worst case sogar unsere Kinder und Kindeskinder, die nachher den Schuldenberg abtragen müssen.

Wir haben ja beim Gas auch ein Mengenproblem, die Speicher mussten mühsam gefüllt werden. Sind die Sparbemühungen durch die neuen Pläne jetzt in Gefahr?

Das ist das Positive: Man hat da sehr gründlich darauf geachtet. Deswegen haben wir diese etwas komplizierte Konstruktion, dass sich die Zahlungen für die Haushalte an den Abschlagszahlungen des Monats September orientieren. Das wurde mit Absicht so gemacht, denn niemand kann jetzt noch seine Abschlagszahlung für den September beeinflussen. Das bekommt man aber als Einmalzahlung im Dezember. Das klingt kompliziert, hat aber den Vorteil, dass der Anreiz im Dezember Gas zu sparen erhalten bleibt.

Wenn aber der Gasversorger zum Oktober die Abschläge erhöht hat, dann hat man Pech?

Das ist die Quadratur des Kreises, die ich angesprochen habe, das ist dann im Einzelfall nicht immer gerecht. Wer im September jetzt zufällig, aus welchen Gründen auch immer, seine Abschlagszahlung schon erhöht hat, der ist jetzt im Vorteil.

Allerdings werden diejenigen, die besonders unter der Krise leiden, nicht besser unterstützt, wieder ist es ein Gießkannenprinzip. Geht es nicht anders?

Das eine ist die Herausforderung, dass man die Daten im Zweifel nicht genau hat. Man weiß zwar, wo ein Gasanschluss ist und wie viel Erdgas hinter dem Anschluss verbraucht wird, man weiß aber teilweise nicht mal, ob das mehrere Wohnungen sind oder ist das eine Villa mit Pool und Sauna? Die Informationen fehlen an der Stelle und außerdem war der Zeitdruck ja auch extrem hoch. Die Kommission hat sich das auch nicht leicht gemacht, weil man versucht, noch vor Beginn des Winters Entlastungen festzuschreiben. Dann kann man gleichzeitig nicht immer jeden Einzelfall prüfen. Auch deshalb braucht man eine pragmatische Lösung.

Sie sind Inhaber des BTU-Lehrstuhls für Energiewirtschaft. An welcher Stelle hätten Sie noch Vorschläge?

Das eine ist die Angebotsseite. Sie haben schon gesagt, der Punkt ist, es fehlt Erdgas. Das ist die zentrale Botschaft. Wir müssen uns auch auf der Angebotsseite vom russischen Erdgas zunehmend unabhängig machen, indem wir andere Quellen erschließen, indem wir investieren. Das passiert natürlich, aber da muss man schauen, ob man nicht noch mehr machen kann. Der Einsparanreiz bleibt erhalten für die Nachfrager, insofern ist das erstmal sinnvoll. Das andere ist aber, der Staat kann die Bürger hier nicht unentlich entlasten.

Wir haben dieses Angebotsproblem, die Preise sind in der Folge hoch. Wir bezahlen diese Preise für das Erdgas, damit es nicht nach Asien fließt. Das ist einfach ein bedauerlicher Fakt und das ist auch kaum zu ändern. Alles was der Staat jetzt tun kann, ist umverteilen. Der Staat kann also nur die stark gestiegenen Kosten an Bürger A verteilen, der jetzt mehr zahlt und dafür Bürger B entlasten. Das muss man auch klar kommunizieren: die Möglichkeiten der Regierung und des Staates die Bürger nachhaltig zu entlasten sind begrenzt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führten Marco Seiffert und Tom Böttcher für radioeins.

Sendung: radioeins, 11.10.2022, 8 Uhr

27 Kommentare

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  1. 27.

    Oh ja, die heiligen Märkte! Denen sind wir ja untergeordnet, die sind nicht von Menschen gemacht...

  2. 26.

    Diese Alternative " nach oben treten" haben Sie bis jetzt nicht erwähnt, na dann tun Sie dass, was Sie nicht lassen wollen.
    Sie haben keine politische Verantwortung, da tritt sich mit dem "Mundwerk" in alle Richtungen leicht, aber noch leichter, wenn es immer in die selbe Richtung geht, nach dem Motto "Übung macht den Meister"
    Wenn aber das Gas nicht reicht, wer wird dann von Ihnen getreten, ich würde sagen, da wäre der eigene H....rn die richtige Stelle.

  3. 25.

    Ja „Sheela“, es sind deshalb Ausnahmen, weil das was Sie wollen nicht von „den paar Hanseln“ bezahlt werden kann, durch wegnehmen. (Die haun doch dann ganz ab).
    Merken Sie das?
    Überprüfen Sie die Moral, die davon ausgeht anderen was wegzunehmen. Was hier im Artikel angesprochen wird ist nur bedingt und untergeordnet ein Verteilungsproblem. Mit Einfältigkeit sind komplexe Probleme nicht zu lösen. Es ist wirklich anspruchsvoll: Weil keiner vorhersagen kann was passiert wenn man in Märkte so gravierend eingreift. Anders aber, wenn es gelingt sind Preise fällig...

  4. 24.

    Sie glauben wohl (als Letzter) immer noch den "Versprechungen" von Gazprom-Gerd und Wagenknecht?

  5. 23.

    Ja, ja, natürlich sind es nur "ein paar ungerechte Ausnahmen". Deswegen kommen ja auch fast alle Millionäre aus armen Verhältnissen, weil es ja nur "ein paar ungerechte Ausnahmen" gibt. Merken Sie was?

  6. 22.

    Dann entscheide ich mich für das nach oben treten. Und die Idee, Vermögende an den sozialen Kosten zu beteiligen stammt nicht von mir, ist schon ein bisschen älter...

  7. 21.

    Tja, jetzt noch eine primitive Parole "nach oben buckeln und nach unten treten", na dann haben Sie die Wahl: Buckeln oder treten.
    Beides geht am Thema vollkommen vorbei, aber darum geht es Ihnen nicht.

  8. 20.

    Sie wollen doch nicht über ein paar ungerechte Ausnahmen hier sprechen wollen? Machen Sie sich Gedanken über unterschiedliche Anstrengungen und Chancennutzung.... da „spielt die Musik“ Ihrer „Reichtumdefinition“.

  9. 18.

    Primitiv ist es zu glauben, jede/r Reiche/r hätte ihren/seinen Reichtum selbst hart erarbeitet. Wenn sie mal öffentliche Schulen mit Privatschulen vergleichen, werden Sie schnell feststellen, dass nicht jede/r von Anfang an dieselben Chancen auf Reichtum hat. Aber Hauptsache nach oben buckeln, nach unten treten...

  10. 17.

    Wer hat uns das eingebrockt?....
    Diese verdammten Grünen die schon vor dem Krieg die Weltmarktpreise verdreifacht haben.
    Und dann haben die auch noch Russland überfallen und terrorisieren die Moskauer mit Raketen.
    Das Sie selbst merken wie bescheuert Ihr Kommentar ist erwartet niemand.

  11. 16.

    Auch "Sheela" hat jemanden gefunden der mehr hat als sie selber... Nach "Sheela" müssen alle die zahlen, die reicher (?) sind als sie selber? Eine Verfechterin der "Brötchenpreise nach Einkommen"?
    Das gleiche in Saint-Tropez: Kaum fährt eine Luxusjacht ein, kommt die Nächste und ist noch größer... was für ein Dilemma. Immer der mehr hat muss die Hafengebühr für die Ärmeren zahlen... ;-)

  12. 15.

    Die primitive Parole "Die Reichen sollen zahlen", die würde das Problem überhaupt nicht lösen, da das eigentliche Problem der Mangel ist, und den gilt es zu lösen, einerseits durch Einsparungen, und andererseits durch Beschaffung.

    Mit den Einsparungen klappt es in Privathaushalten bis dato überhaupt nicht, es wird gar mehr verbraucht als in Vorjahren, und was sagt uns das? Es sagt uns sicher nicht, dass die Reichen diesen Mehrverbrauch zahlen sollen, und dann ist alles "in Butter".

  13. 14.

    "Übergewinnsteuer" ?? Da darf man an Ihre Unterteilung in gute/schlechte Gewinne und deren Grenzen gespannt sein...

  14. 13.

    "an den Abschlagszahlungen des Monats September orientieren"
    Tja, durch zu hohe Raten im letzten Jahr ist ein Guthaben entstanden, dass im September mit 0 € Abschlag ausgeglichen wurde...

  15. 12.

    Die Reichen sollen zahlen. Stichwort "Übergewinnsteuer"...

  16. 11.

    Es gibt da so einen Typen in Russland, der meinte er könne mal eben ein Nachbarland einnehmen. Ich glaub der ist Schuld. Danke für nichts, Möchtegernimperatoren!

  17. 10.

    Macht doch Atomstrom irre teuer (ca. 1.000.000,00 € p. kw/h), dann dauert es nur Sekunden, bis die AKWs ausgeknipst werden - oder billiger, aber mit der bindenden Auflage, dass jede/r Nutzer/in die eigene Wohnung mit zum Endlager für Kernbrennstäbe zur Vefügung stellen MUSS.

  18. 9.

    Wo kann man das mit der "Belastung weltweit vergleichsweise im absolut oberen Bereich" mal selbst nachlesen?

  19. 8.

    Sei scheinen offensichtlich zu den angesprochenen Personenkreis zu hören.

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