Ölraffinerie in Schwedt - Wie Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg auf die Lage der PCK-Raffinerie blicken

So 19.02.23 | 08:15 Uhr | Von Juan F. Álvarez Moreno
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Industrieanlagen auf dem Gelände der PCK-Raffinerie GmbH. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Bild: dpa/Patrick Pleul

Der Staatssekretär Michael Kellner hat erneut den Kurs der Bundesregierung bei der PCK-Raffinerie verteidigt. Bundestagsabgeordnete für die Uckermark kritisieren nun das Vorgehen – andere zeigen Verständnis dafür. Von Juan F. Álvarez Moreno

Die Brandenburger Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Uckermark – Barnim I sind gespalten in der Frage, ob die Bundesregierung ihre Versprechen zur Auslastung der PCK-Ölraffinerie in Schwedt (Uckermark) halten kann. Nachdem der Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) vergangene Woche im rbb-Interview behauptete, dass die Raffinerie im Januar eine Auslastung von 60 Prozent erreicht habe und wegen zusätzlicher Liefermengen aus Polen sogar 70 Prozent erreichen könnte, zweifeln unter anderem Abgeordnete von CDU, Linke und AfD an seinen Aussagen.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr ein freiwilliges Ölembargo gegen Russland ab dem 1. Januar 2023 beschlossen. Der Import-Stopp betrifft die PCK-Raffinerie in Schwedt, da dort die russische Erdölleitung "Druschba" endet. Das PCK versorgt Brandenburg und Berlin mit Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl. Seit Jahresanfang fließt ausschließlich Rohöl über den Hafen Rostock und eine Pipeline zur Raffinerie. Öl über den Hafen Danzig soll dazu kommen.

Jens Koeppen (CDU): "Den Ankündigen kann man wenig Vertrauen schenken"

Der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen (CDU) misstraut den Versprechen und Informationen der Bundesregierung über die Auslastung der PCK-Raffinerie. "In den Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auch im Ausschuss wird von Liefermengen um die 60 Prozent gesprochen. Tatsächlich waren es im Januar noch einige Punkte darunter", sagte Koeppen dem rbb. "Den Ankündigen kann man wenig Vertrauen und Glauben schenken." Mittel- und langfristig könne die Raffinerie mit dieser Auslastung weder technisch noch wirtschaftlich arbeiten. Eine Raffinerie dieser Größenordnung habe im Normalfall eine Auslastung von über 95 Prozent, so der Christdemokrat.

Der Christdemokrat sieht in der Verstaatlichung des PCK keine Lösung. Auch für eine komplette Umstellung auf Wasserstoff sei die Zeit noch nicht reif. "Die grünen Verantwortungsträger können die fehlenden technologischen und infrastrukturellen Voraussetzungen der Transformation nicht mit ihrer Ideologie wettmachen", sagte Koeppen.

Stefan Zierke (SPD): "Die Uckermark wird Energieregion bleiben"

Der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Stefan Zierke vertritt auch die Uckermark und den Barnim im Bundestag. Doch er verteidigt den Kurs der Bundesregierung: "Die Bundesregierung, die Landesregierung und ich - im Rahmen meinen Bundestagsmandats - unternehmen alles für die Stabilität der PCK-Raffinerie und die Versorgungssicherheit vor Ort", sagte Zierke dem rbb.

Es sei ihm wichtig, den "gesellschaftlich und politisch gewollten Transformationsprozess" in Schwedt zu gestalten. Man wolle die "modernste und klimaschonendste Raffinerie in Europa haben", so der Sozialdemokrat. "Die Uckermark ist und wird weiterhin Energieregion bleiben und setzt dabei auch auf einen Energiemix aus regenerativen Energien und Wasserstoff. Der Verbund der wirtschaftlichen Partner vor Ort ist die Basis für eine erfolgreiche Zukunft."

Christian Görke (Linke): "Energieversorgung gehört in staatliche Hoheit"

Christian Görke, Bundestagsabgeordneter der Linken aus dem Nordost Brandenburgs, bringt eine Verstaatlichung der Ölraffinerie ins Spiel. "Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass die Energieversorgung und Energiekonzerne nach den Erfahrungen der letzte Wochen und Monate, auch der Energiekrise, in staatliche Hoheit gehören", sagte Görke. Das sei bei dem Gasversorger Uniper bereits der Fall gewesen. Das PCK sei auch Teil der kritischen Infrastruktur und wichtig für die Energieversorgung Ostdeutschlands. Deswegen sei es folgelogisch, dass der Bund in das PCK einsteigt.

Görke sei mit den bisherigen Ankündigungen des Staatsekretärs Kellner nicht zufrieden. Die versprochene Auslastung der Raffinerie sei nicht erreich worden "Ich erwarte eigentlich, dass die Bundesregierung liefert", so der Linken-Politiker. Laut seinen Informationen erwartet Polen möglicherweise Vertragsstrafen für bis zu zehn Millionen Tönen Öl. Er gehe davon aus, dass auch Deutschland Strafen zahlen müsste.

Friedhelm Boginski (FDP): "Sicherstellung der Arbeitsplätze hat höchste Priorität"

"Russland ist kein verlässlicher Partner, auf den wir bei der Energieversorgung setzen können", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete und ehemaliger Bürgermeister von Eberswalde, Friedhelm Boginski, dem rbb. Man müsse den Kurs der vergangenen Jahre korrigieren. Er sei zuversichtlich, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verlässliche Partner finden werde. "Die aktuelle Auslastung liegt noch nicht auf dem Niveau, wo sie künftig liegen muss", gab Boginski zu. Die FDP ist Teil der Regierungskoalition im Bund.

Die Sicherstellung der Arbeitsplätze habe für Boginski höchste Priorität. "Gerade in Hinblick auf die Umstellung auf die Produktion CO2 neutraler Energieträger wäre die Sicherheit vieler Arbeitsplätze in der Region für einen langen Zeitraum gesichert", sagte der FDP-Politiker. Zahlreiche Firmen würden auf dem PCK-Gelände bereits daran arbeiten und sich für die Energiewende rüsten. Ihm sei zudem wichtig, dass das PCK nicht verstaatlich werde.

Hannes Gnauck (AfD): "Im Idealfall ist der Status Quo wiederherzustellen"

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck aus Prenzlau (Uckermark) beschreibt die Aussagen von Kellner, wonach eine Auslastung von 70 Prozent erreicht worden sei, als "völlig illusorisch". Die Auslastung der Raffinerie liege maximal zwischen 50 und 56 Prozent. Die Energiepolitik der Bundesregierung sei fragwürdig. Der Oppositionspolitiker kritisiert auch das freiwillige Ölembargo gegen Russland, "was sich außen- und energiepolitisch einmal mehr als Irrsinn entpuppt hat“, sagte Gnauck dem rbb.

Gnauck kritisierte auch die Möglichkeit, dass der polnische Energiekonzern PKN Orlen Anteile der PCK-Raffinerie übernehmen könnte, wie mehrfach berichtet wurde: "Unter den gegebenen Umständen und dem dilettantischen Vorgehen der Bundesregierung, könnte Polen die Raffinerie für einen Spottpreis erlangen", sagte Gnauck. Der Staat müsse ohne Bevormundung die Energieversorgung gewährleisten, deswegen könnte man im Ernstfall über eine Verstaatlichung der Raffinerie diskutieren. Doch ihm sei eine Gesellschafterstruktur wie vor dem Ukraine-Krieg lieber: "Im Idealfall ist der Status Quo wiederherzustellen."

Sendung: Antenne Brandenburg, 17.02.2023

Beitrag von Juan F. Álvarez Moreno

16 Kommentare

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  1. 16.

    Wo bleibt das Öl aus Kasachstan? Warum Kasachstan-Öl per Pipeline wohl ein Wunschtraum bleibt meint finanzmarktwelt. Allerdings im Dezember 22. Ob sich was inzwischen verändert hat, ist die große Frage. Und wenn es wirklich funktioniert, Bloomberg schreibt weiter: Ein physischer Transport von Rohöl aus Kasachstan nach Deutschland, das kein russisches Öl enthält, ist wahrscheinlich nicht machbar.

    https://finanzmarktwelt.de/warum-kasachstan-oel-per-pipeline-wohl-ein-wunschtraum-bleibt-256457/

  2. 15.

    Wo haben Sie die Forderung nach einer 100%igen Auslastunt gelesen? Weder hier im Artikel, noch in den Kommentaren ist diese Forderung zu lesen. Oder geht es Ihnen eher darum, die "konservativen Kreise" zu diskreditieren? Also wer genau hat 100% Auslastung gefordert? Bitte vergessen Sie die Quellenangabe nicht. Danke.

  3. 14.

    Wo bleibt das Öl aus Kasachstan?
    Die Russen haben den Transit genehmigt. Reaktion vom Wirtschaftsministerium?
    Ich hab nix gehört/gelesen. Ach doch: Rosneft soll enteignet werden…
    Es heißt, Harbeck/Kellner bleiben bei ihrer Linie. Soll ich mich jetzt fürchten?

  4. 13.

    Das sollte immer wieder betont werden.
    In einigen Kommentaren und politischen Äußerungen (interessanterweise eher aus konservativen Kreisen) bekommt man den Eindruck die Auslastung eines Betriebes muss auf Teufel komm raus 100% betragen, egal ob der Markt besteht oder nicht. Das erinnert mich irgendwie an eine ehemalige deutsche Republik, wo ähnlich verfahren wurde und einige Produkte zu viel und andere dafür gar nicht existierten, weil der 5 Jahres Plan es so vorgegeben hat.
    Das Ergebnis ist doch entscheidend. Wir haben wie beim Gas und Strom auch beim Öl derzeit offensichtlich keine Mangellage. Den Dieselpreis von heute finde ich auch für Anfang Februar 2022 in meiner Verbrauchserfassung. Offensichtlich ist ausreichend vorhanden.
    Und dieser Preis beinhaltet noch lange nicht alle Umweltkosten, wie meist allgemein bekannt.

  5. 12.

    Ach bei PKW's entweicht Wasserstoff, aber bei Nutzfahrzeugen nicht. Auch liegen Sie mit "2030" falsch. Bitte geben Sie Ihre Informationsquellen preis. Und Shell hat sich aus dem PCK zurückgezogen und hat nun den fossilen Energieträgern den Rücken zugewandt? Oder was wollen Sie mit der Aussage zum Ausdruck bringen?

  6. 11.

    Die Panikszenarien sind ja offensichtlich nicht eingetreten, Benzin und Diesel ist im Osten nur ein paar ct teurer wie im Westen bei nur 50-60% Auslastung von Schwedt. Macht den Laden doch endlich dicht, die Luftverschmutzung würde drastisch zurückgehen und wir hätten endlich wieder Natur statt diesen fossilen Wahnsinn.

  7. 10.

    Antwort auf Mitropa:
    "Bundeswehrwaffen dürfen nicht aus Suhl stammen,trotz Ausschreibungssieges." - Bitte geben Sie dafür vertrauenswürdige Quellen an, denn das wäre wirklich ein Skandal!

  8. 9.

    Sie erwarten, dass es eine östlich geprägte Regierung gibt, dem war unter Merkel so, auch einige östliche Bundesländer haben mit ihren pro russichen Alleingängen für diesen derzeitigen Verhältnissen Vorschub geleistet.

    Außerdem ist die Bevölkerungsverteilung eindeutig, im Osten leben ca 20% der Bundesbürger, die Hauptstadt mitgerechnet.

  9. 8.

    Das Wohlergehen im Osten ist doch der vorwiegend westlich geprägten Bundesregierung noch immer kein Bedürfnis.Bundeswehrwaffen dürfen nicht aus Suhl stammen,trotz Ausschreibungssieges.Dann wird eben zugunsten BW neu ausgeschrieben.Und mit Schwedt ist es dasselbe.Kasachisches Öl durch russische Leitungen ist möglich,russisches Öl nicht.Und die Polen können Deutschland treten wie sie wollen,die Regierung verzeiht ihnen alles,soweit sie in der Ukraine/Gallizien in eigenstem Interesse mitkommen.

  10. 7.

    Woher beziehen sie ihre Informationen?
    Laut der Seite des EU-Parlaments und aller von mir gesichteten Medien dürfen NEU-Fahrzeuge ab 2035 nicht mehr mit Verbrennungsmotor zugelassen werden.
    Der prozentuale Kauf von Elektrofahrzeugen geht aktuell stark zurück. Es werden anteilig ganz überwiegend Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren gekauft. Bis nach 2040 wird es somit realistisch und sehr wahrscheinlich reichlich Bedarf für fossile Kraftstoffe geben. In der Berliner Zeitung gibt es heute einen Artikel der beschreibt dass Indien billiges Rohöl in Russland kauft und es teuer als Kraftstoff nach Europa verkauft. Das nur nebenbei.

  11. 6.

    Welche Technologie ist für den PKW denn serienreif? Nur die Batterietechnologie, Wasserstofffahrzeuge scheitern bei PKW schon am Tank, da egal welche Methode sie anwenden, Wasserstoff entweicht. Lediglich bei großen Nutzfahrzeugen ist die Wasserstofftechnologie erfolgversprechend. Jedoch existieren zur Zeit nicht nur Prototypen und Designstudien.
    Zudem was ist falsch an Aussage dass die Raffinerien für Kraftstoffe ein Auslaufmodell sind?

  12. 5.

    ...daß die bis 2030 ausgelieferten Verbrenner noch bis ca. 2050 Kraftstoffe brauchen, daß Fahrzeuge ab Transportergröße weiterhin mit Verbrenner zulassungsfähig bleiben und daß es weitaus mehr Produkte aus Öl gibt als Kraftstoffe.

  13. 4.

    "dass die EU verbindlich ab 2030 nur noch E-Autos Neuzulassungen will" Das stimmt nicht, die EU möchte dann nur noch abgasfreie Autos neuzulassen - abgasfrei ist bei weitem nicht nur E-Auto. Außerdem ist es 2035. Es betrifft auch nur Neuzulassungen ab dann, der Bestand bleibt ja - wie hoch ist denn aktuell der Anteil von E-Autos am Gesamtbestand zugelassener PkW und wie verteilt sich das auf private PKW (die werden meist viel länger genutzt als Firmenfahrzeuge) und Firmenwagen? Und warum soll das nur für PKWs gelten, haben nicht die Nutzfahrzeuge/LKWs auch einen wesentlichen Anteil am Ausstoß? Das erscheint mir alles noch nicht wirklich durchdacht.

  14. 3.

    " "Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass die Energieversorgung und Energiekonzerne nach den Erfahrungen der letzte Wochen und Monate, auch der Energiekrise, in staatliche Hoheit gehören", sagte Görke. Das sei bei dem Gasversorger Uniper bereits der Fall gewesen." Das wünsche ich den Linke viel Spaß bei der Durchsetzung dieser Idee in Ganz Deutschland. Übrigens war Uniper sowieso schon ein mehrheitlich staatliches Unternehmen, nämlich vom finnischen Staat (über Fortum seit 2018, das wiederumg mehrheitlich dem finnsichen Staat gehört) - damit eine interessante Verstaatlichung von einem mehrheitlichen Staatunternehmen eines anderen Staates.

  15. 2.

    Sie übersehen eine Tatsache, dass die EU verbindlich ab 2030 nur noch E-Autos Neuzulassungen will. Raffinerien sind für die Kraftstoffproduktion ein Auslaufmodell. Warum meinen Sie hat sich Shell aus PCK zurückgezogen? Eben weil es in naher Zukunft zu einer Überkapazität bei Raffinerien kommen wird!

  16. 1.

    Die langfristigen Interessen der allermeisten Arbeitnehmer/innen sind sichere Arbeitsplätze. Die langfristigen Interessen der allermeisten Verbraucher/innen sind bezahlbare Energiepreise. Diesen Interessen haben die von den Steuerzahlern finanzierten Abgeordneten zu dienen. Noch sind die Kraftstoffpreise - den aktuellen Gegebenheiten entsprechend - annehmbar. Das muss unter allen Umständen so bleiben.

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