Ladesäulen in Berlin und Brandenburg - E-Auto-Boom überrollt Lade-Infrastruktur
Bis 2019 konnten in Berlin Ladesäulen errichtet werden, wo E-Auto-Interessierte ohne eigene Lademöglichkeit wohnen. Doch das Programm ist Geschichte und der Ausbau der Infrastruktur hinkt hinterher. Brandenburg war da zeitweise besser. Von Frank Drescher
Langsam kommt Bewegung in die Elektromobilität: Nach den jüngsten Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes betrug der Anteil von E-Autos unter den Neuzulassungen 12,2 Prozent. Branchen-Pionier Tesla konnte im Juni 2021 seinen Absatz gegenüber dem Vormonat sogar mehr als vervierfachen.
Was den Elektro-Boom derzeit bremst, ist der Ausbau der öffentlichen Ladesäulen. Denn nicht alle, die ein E-Auto wollen, haben auch ein eigenes Grundstück, auf dem sie ihre private Ladesäule errichten können. Und Wohneigentümergemeinschaften oder Hausverwaltungen von Mietwohnungen haben auch nicht immer die Möglichkeit, Ladestationen in Tiefgaragen oder Hofparkplätzen zu errichten.
E-Auto-Boom in Berlin und Brandenburg
In Berlin teilten sich 2018 noch nicht einmal fünf Autos mit Ladestecker eine Ladesäule, also sowohl batterieelektrische wie Plug-in-Hybride, die notfalls einfach mit fossilen Brennstoffen weiterfahren können, wenn sie nicht mehr genug Strom haben. Im Februar dieses Jahres waren es schon fast elf.
In Brandenburg sieht es etwas anders aus: Dort kamen 2018 auf eine öffentliche Ladesäule 14 Autos mit Ladestecker, bis April 2020 reduzierte sich die Zahl auf zehn, bis Februar 2021 stiegs wieder auf rund 17 an. Das zeigen Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes enerseits und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) andererseits.
Doch während fast die Hälfte der Brandenburger im Eigenheim lebt, tut das in Berlin nicht einmal ein Fünftel. Daher dürfte das Problem, eine öffentliche Ladesäule vor die eigene Haustür zu bekommen, für die Brandenburger wohl weniger dringlich sein als für die Berliner.
Für diejenigen Brandenburger, für die sich das Problem stellt, empfiehlt Brandenburgs Städte- und Gemeindebund, Kontakt mit den örtlichen Stromversorgern oder Stadtwerken aufzunehmen, etwa den Stadtwerken Potsdam, Envia M oder Energie Mark Brandenburg. Denn die seien jeweils für den Ausbau E-Lade-Infrastruktur zuständig.
Einen Rechtsanspruch auf eine Ladesäule gibt es nicht
In Berlin konnten bis 2019 alle, die ein batterieelektrisches Auto oder einen Plug-in-Hybriden kaufen wollten, bei der Berliner Verkehrsverwaltung den Bau einer Ladesäule beantragen, entweder am Wohnort oder am Arbeitsplatz.
Ob es so ein Programm je wieder geben wird, ist laut Verkehrsverwaltung nicht abzusehen. Die Berliner Stadtwerke, die künftig für den Ausbau der E-Lade-Infrastruktur zuständig werden, teilten rbb|24 mit, dass sie zunächst mit den Bezirken abstimmen wollen, wo Ladesäulen entstehen sollen.
Was ein Ladesäulen-Start-up in Berlin erlebt
Dabei gibt es sogar Unternehmen, die sich auf so einen nachfragegetriebenen Ausbau der Ladeinfrastruktur, wie es ihn bis 2019 in Berlin gab, spezialisiert haben. Etwa das Start-up On Charge aus Köln: Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen aus Berlin Anfragen von E-Auto-Interessentinnen und -Interessenten, die den Bau von 300 Ladesäulen lohnen würden – immerhin rund ein Sechstel der bereits bestehenden öffentlichen Ladeinfrastruktur.
Doch seit mehr als einem Jahr wird das Unternehmen mit der Berliner Verkehrsverwaltung nicht handelseinig. Denn die Verkehrsverwaltung schließt Verträge mit Ladesäulenbetreibern nur bis Sommer 2022 ab und verlangt von den Betreibern, Ladesäulen danach gegebenenfalls abzubauen.
Eine so kurze Zeit bedeute für On Charge aber ein Zuschussgeschäft, sagt Geschäftsführerin Denise Neumann. Für Errichtung, Wartung, Abbau und Entsorgung einer Ladesäule würden Gesamtkosten zwischen 12.000 und 18.000 Euro fällig. Das macht bei 300 Ladesäulen also etwa 5,4 Millionen Euro an Kosten allein für den Auf- und Abbau.
Berliner Verkehrsverwaltung arbeitet an neuem Ladesäulen-Plan für die Stadt
Wenn künftig die Berliner Stadtwerke die E-Auto-Ladesäulen ausbauen und betreiben sollen, heißt das dann: Die vorhandenen Säulen privater Unternehmen werden abgerissen? Nein, heißt es aus der Verkehrsverwaltung dazu: "Sobald die Konzeption für den Ladeinfrastrukturaufbau ab dem Jahr 2022 abgeschlossen ist, wird das Land Berlin auf die Betreiber zugehen, deren Verträge in 2022 auslaufen, und diese über die neuen Konditionen für eine Verlängerung der Verträge informieren", erklärt die Verkehrsverwaltung auf Anfrage.
Die Wortwahl ist bemerkenswert: Die Verwaltung "informiert" über neue Konditionen - und die können die Betreiber dann offenbar akzeptieren oder auch nicht. Vom Verhandeln ist hier jedenfalls keine Rede. Wozu auch? Wenn die Betreiber nicht im Sinne der Verwaltung mitmachen wollen, kann sie von ihnen ja den Abbau der Ladesäulen verlangen.
Das Risiko, unter solchen Bedingungen mehrere Millionen Euro in Ladesäulen zu investieren, erschien On-Charge-Chefin Denise Neumann nach eigener Aussage als zu hoch, "vor allem auch, weil in den Verträgen Passagen enthalten sind, dass, wenn die Ladeinfrastruktur errichtet ist, sie in bestimmten Fällen auch an das Land Berlin übergehen kann, was wir als Unternehmen natürlich auch nicht unbedingt möchten."
Auch wenn in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass die Berliner Stadtwerke künftig die Ladeinfrastruktur betreiben sollen, sind private Unternehmen anscheinend doch noch nicht ganz aus dem Rennen. Denn in ihrer Stellungnahme vom vergangenen Freitag nannte die Verkehrsverwaltung noch einen weiteren Grund dafür, dass sie mit Ladesäulenbetreibern Verträge nur bis 15. Juli 2022 abschließt: "um alle daran Beteiligten zum gleichen Zeitpunkt starten zu lassen."
Sendung: Abendschau, 05.07.2021, 19:30 Uhr
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