Hintergrund | Neue Förderrichtlinie - Wie Investoren Lust auf Sozialwohnungsbau in Berlin gemacht werden soll

Mi 14.09.22 | 07:33 Uhr
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Symbolbild: Arbeiter am 19.01.2022 auf einer Baustelle der Gesobau in Berlin-Pankow (Quelle: dpa/Lothar Ferstl)
Video: rbb24 Abendschau | 13.09.2022 | Leonie Schwarzer | Bild: dpa/Lothar Ferstl

Die rot-grün-rote Koalition will den Bau von günstigen Wohnungen in Berlin ankurbeln. Dafür nimmt sie mehr Geld in die Hand als bisher - und kommt Investoren auch ansonsten deutlich entgegen. Von Thorsten Gabriel

Der Soziale Wohnungsbau in Berlin ist ein Kopfschmerzthema. Kaum eine Materie rund ums Leben in Berlin ist rechtlich komplizierter. Manche unken, nur eine Handvoll Menschen kenne sich in dem Dschungel von Fördersystemen der vergangenen Jahrzehnte wirklich aus. "Kostenmiete", "Anschlussförderung" und "Zweiter Förderweg" sind Stichworte, die nur bei ganz hartgesottenen Wohnungspolitikjunkies die Leidenschaft hochkochen lassen.

Dies sollte man im Hinterkopf haben, wenn man verstehen will, weshalb die rot-grün-rote Koalition in den vergangenen Wochen wieder einmal so heftig darum gerungen hat, die Wohnungsbau-Förderprogramme des Landes zu optimieren: Es geht hier nicht nur um viel Geld, sondern vor allem um Entscheidungen, die Auswirkungen für drei Jahrzehnte haben - vor allem auf Mieterinnen und Mieter. Haushalte, die in Sozialwohnungen aus dem alten West-Berlin zuhause sind, können davon ein Lied singen: Die Wohnungsbauprogramme alter Zeit gelten heute als toxisch, weil sie Sozialwohnungshaushalten nach Jahrzehnten teils horrende Mietkostensteigerungen beschert haben.

Wohnungsbauförderung: Klotzen statt kleckern

Seit 2014 fördert Berlin wieder den Bau von Sozialwohnungen. Zuletzt wurden die Vorgaben dafür 2019 nachgebessert. Seitdem aber hat sich die Situation der Bau- und Wohnungswirtschaft sowohl durch Corona als auch durch den Krieg in der Ukraine dramatisch verändert - vor allem in Gestalt explosionsartig gestiegener Baupreise. Mit der Folge, dass in diesem Jahr noch keine einzige neue Sozialwohnung auf den Weg gebracht wurde und gleichzeitig reihenweise alte Sozialwohnungen nach Ablauf der Förderfristen ihre Sozialbindung verlieren.

Beim Geld war sich die Koalition ausnahmsweise schnell einig: Insgesamt wurden mit dem neuen Doppelhaushalt deutlich mehr Mittel in den Fördertopf gepackt als bisher. Wenn vor allem mehr private Investoren dazu animiert werden sollen, staatliche Baukredite zu nutzen, um dafür im Gegenzug Sozialwohnungen zu bauen, muss das Förderangebot nicht nur attraktiv sein, sondern vor allem auch üppig ausfallen, lautet die Logik dahinter. Klotzen statt kleckern. So sind für dieses Jahr nun 233 Millionen und für nächstes Jahr 340 Millionen Euro veranschlagt. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es 174 Millionen.

Eine Mischung aus Darlehen und Zuschüssen

Verhakt hatten sich die Fachleute von SPD, Grünen und Linken aber beim Kleingedruckten - das allerdings eine wichtige Rolle spielt: Unter welchen Bedingungen sollen Bauprojekte künftig gefördert werden? Die Antworten der Koalitionäre sind teils handfest, teils aber auch aus der Abteilung Formelkompromiss.

Damit die staatliche Förderung für private Investoren an Attraktivität gewinnt, verständigte sich die Koalition darauf, die maximale Grundfördersumme von 1.800 Euro auf 3.350 Euro pro Quadratmeter zu erhöhen. Außerdem dürfen im besten Falle nun 35 statt wie bisher 25 Prozent des Darlehens als Zuschuss behalten werden, ohne dass es zurückgezahlt werden muss. Weitere Zuschüsse kann es beispielsweise auch für klimafreundliches oder rollstuhlgerechtes Bauen geben.

Günstige Wohnungen für untere und mittlere Einkommen

Wie bisher sind in erster Linie zwei Fördermodelle vorgesehen: Beim ersten geht es um Sozialwohnungen für Menschen mit unteren Einkommen (mit Wohnberechtigungsschein WBS100 bzw. WBS140), beim zweiten um Wohnungen für Haushalte mit mittleren Einkommen (WBS180). Erstmals wird es für Investoren auch möglich sein, dass sie bei Bauprojekten ausschließlich Sozialwohnungen für dieses mittlere Segment anbieten. Bislang war dies stets daran gekoppelt, dass gleichzeitig auch Wohnungen im günstigeren Segment entstehen. Allerdings ist zumindest der Fördertopf hier gedeckelt: Maximal 20 Prozent der gesamten Mittel dürfen für die Förderung von WBS180-Wohnungen verwendet werden. Gefördert werden können außerdem nicht nur Neubauten, sondern auch Dachgeschossausbauten oder Umbauten, wenn etwa aus Gewerbeimmobilien Wohnhäuser werden sollen.

Eher verschwommen fällt der Kompromiss beim Thema Miethöhen aus. Seit 2014 galt hier im unteren Segment eine Einstiegsmiete von 6,50 Euro netto kalt pro Quadratmeter, die dann alle zwei Jahre um maximal 20 Cent Jahre erhöht werden darf. Der Entwurf von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) für die neuen Förderrichtlinien sah nun eine Anhebung dieser Einstiegsmiete auf sieben Euro vor. Das allerdings war vor allem der Linken deutlich zu hoch. Die Grünen hatten intern für eine Anhebung auf 6,80 Euro plädiert.

Formelkompromiss zur Gesichtswahrung

Herausgekommen ist nun eine Formulierung, die einige in der Koalition als "gesichtswahrend" für die Linke einordnen: "Die anfängliche monatliche Miethöhe (…) beträgt 6,60 €/m²; sie wird um 10 Cent pro Jahr nach Inkrafttreten dieser Förderrichtlinie jeweils zum 01.01. fortgeschrieben." Der Teufel steckt im Detail: Nicht etwa alle neuen Sozialmieterinnen und -mieter zahlen "anfänglich" nun 6,60 Euro, sondern diese Miethöhengrenze verschiebt sich von Jahr zu Jahr. Für geförderte Projekte mit Baubeginn im nächsten Jahr, läge sie also bereits bei 6,70 Euro. Angesichts der derzeit durchschnittlichen Angebotsmieten in Berlin ist das zwar immer noch ein moderater Mietpreis - aber eben doch mehr als starre 6,60 Euro. Beim zweiten Förderweg lag die Einstiegsmiete zuletzt bei 8,20 Euro. Künftig soll die Einstiegsmiete hier auf neun Euro steigen.

Vertagt hat die Koalition eine endgültige Antwort auf die Frage, wie Sozialwohnungen langfristig ihre Bindung behalten können, wenn Investoren ihr Darlehen vor Ablauf der 30 Jahre zurückzahlen. Die Richtlinie sieht nun vor, dass solche Wohnungen mindestens noch zwölf Jahre gebunden bleiben bis zur maximalen Grenze von 30 Jahren. Mehr sei rechtlich derzeit nicht machbar, argumentiert Stadtentwicklungssenator Geisel. Grüne und Linke wiesen allerdings in den Verhandlungen darauf hin, dass längerfristige Wirkungen durchaus möglich seien. Allerdings müsste Berlin dafür gesetzliche Regelungen treffen. Solche gebe es beispielsweise bereits in Bremen, heißt es.

Im nächsten Jahr soll diese Frage neu aufgerufen werden. Dann will die Koalition den jetzt gefassten Förderkompromiss neu begutachten und gegebenenfalls überarbeiten.

Sendung: Abendschau, 13.09.2022, 19:30 Uhr

40 Kommentare

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  1. 40.

    Na dann informieren Sie sich umfassend, und dann lernen Sie vieleicht die Dinge richtig einzuordnen, beziehungsweise auseinander zu halten

  2. 39.

    Äh, doch. Mit einem Mietendeckel bräuchte es keine abenteuerlichen Konstrukte und Kompromisse zwischen RRG.

  3. 38.

    Die Masche hat leider Methode, wie man auch u.a. an "Dagmar" sieht. Absichtlich falsch verstehen oder interpretieren um vom eigentlichen Thema abzulenken und zu verbergen, dass man keine Argumente hat.

    Wäre das hier ein Forum gäbe es dafür den "ignore" Button.

  4. 37.

    Danke.
    Die Gesetzgebung ist selbstverständlich Bundessache, aber hat mit dem Artikel zum Sozialenwohnunsbau rein gar nichts zu tun.

  5. 36.

    Sie müssen weniger interpretieren und mehr einfach die Kommentare lesen, auf welche Sie antworten.

  6. 35.

    Tja, da schreiben Sie nicht undefinierbares "wischi waschi", Wer vom Bauen redet, aber eigentlich die Gesetzgebung meint, der bekommt halt eine Antwort zum Bauen
    Den Rest ihrer Unterstellungen etc.können Sie sich "in die Haare schmieren",

  7. 34.

    Korrektur: Es muß nat. Die Gesetzgebung ist Sache des Bundes wie das höchste deutsche Gericht beim Mietendeckel festgestellt hat.

  8. 33.

    "Bauen ist ausschließlich Sache der Länder und Kommunen.
    Das sich das in Berlin noch nicht herumgesprochen hat, zumal bei denen, die sich zum Thema sehr gerne äußern."

    Sie fallen hier ständig durch eine erschreckende Ahnungslosigkeit auf. Die Gesetzgebung ist Sache des Bundes wie das höchste deutsche Gericht beim Mietendeckel festgestellt hat.

    Mein Um den Wohnungsmarkt langfristig sozialer zu gestalten hilft nur ein Mietdeckel und härtere Gesetze bei der Zweckentfremdung kann man eigenlich nicht falsch verstehen. Außer man will es.

  9. 32.

    Wohnungseirtschaft haben sie aber nicht so ganz verstanden. Wenn nur noch halb soviel Wohnungen angeboten werden wie vorher, ist es noch utopischer eine zu bekommen. Die paar Wohnungen werden dafür noch mehr saniert und können teuerer wiedervermietet werden.

    Der soziale Sprengstoff steigt bei wenig Wohnraum. Nur wer egoistisch Vermietern keine Miete wünscht denkt anders.

    Vermieter sind vielschichtig vom Hai bis Wohnungsbaugesellschaften alles dabei. Vorm Gesetzt müssen aber alle gleich behandelt werden.

  10. 31.

    "Bauen ist ausschließlich Sache der Länder und Kommunen.
    Das sich das in Berlin noch nicht herumgesprochen hat, zumal bei denen, die sich zum Thema sehr gerne äußern."

    Sie fallen hier ständig durch eine erschreckende Ahnungslosigkeit auf. Die Gesetzgebung ist Sache des Bundes wie hohe deutsche Gerichte beim Mietendeckel festgestellt haben.

    Mein Um den Wohnungsmarkt langfristig sozialer zu gestalten hilft nur ein Mietdeckel und härtere Gesetze bei der Zweckentfremdung kann man eigenlich nicht falsch verstehen. Außer man will es.

  11. 30.

    "Die Hauptstadt führte bereits vor, was passiert, wenn die "sozial gerechten" Zügel zu streng angezogen werden. Der vorübergehend gültige Mietendeckel halbierte die Zahl angebotener Mietwohnungen binnen kürzester Zeit. "

    Danke, es ist mir bekannt wie kriminell manche private Vermieter vorgehen. Gnadenlose Abzocker ohne Skrupel. Da muß der Gesetzgeber einen Riegel vorschieben, z.B. strengere Auslegung bei Kündigung bei angeblichen Eigenbedarf.

  12. 29.

    "Jeder liest und interpretiert Dinge genau so, wie er es für passend hält. " Sie dürfen aber nicht von sich auf andere schließen.

    "Sie sehen, ich verbinde mit vermeintlich sozialschwachen Mitbürger, wie Sie es mir vorwarfen, nicht nur bestimmte Personengruppen."

    Ich sehe wie hier einige ihre maßlose Gier mit schamloser Häme und sozialer Kälte verbinden.

  13. 28.

    Die Hauptstadt führte bereits vor, was passiert, wenn die "sozial gerechten" Zügel zu streng angezogen werden. Der vorübergehend gültige Mietendeckel halbierte die Zahl angebotener Mietwohnungen binnen kürzester Zeit.

    Durch die Berliner Wohnungspolitik und der aktuellen Situation in der Bauwirtschaft ziehen sich aktuell viele Investoren aus zurück: gut die Hälfte der privaten Kapitalanleger, mindestens ein Drittel der Selbstnutzer und eine ganze Reihe institutioneller Investoren. Viele Bauprojekte liegen auf Eis. Fürs übernächste Jahr rechnet Adami mit der Fertigstellung von vielleicht 10.000 Einheiten.

    Die jetzigen Bauprojekte werden noch zu Ende geführt. Anschließend werden Jahr für Jahr noch weniger gebaut. Die wird für soziale Sprengkraft sorgen. Neuer Wohnraum wird noch knapper und die Preise steigen weiter.

  14. 27.

    Bauen ist ausschließlich Sache der Länder und Kommunen.
    Das sich das in Berlin noch nicht herumgesprochen hat, zumal bei denen, die sich zum Thema sehr gerne äußern.

  15. 26.

    Ich suche aktuell eine Sozialwohnung als Dachgeschossausbau mit großer Sonnenterasse zum Grillen und Chillen mit Bürgergeld. Kann jemand helfen?

  16. 25.

    „Neubau der Gesellschaften der öffentlichen Hand“

    Also sind Sie gegen Genossenschaften, die es am besten können und am günstigsten vermieten?

    Verstehe die Logik nicht.

  17. 24.

    Studenten sind regelmäßig nicht wirklich bedürftig, eher finanziell zu ausgestattet (Eltern, Bürgschaften).

    Sie sehen, ich verbinde mit vermeintlich sozialschwachen Mitbürger, wie Sie es mir vorwarfen, nicht nur bestimmte Personengruppen.

    Die Welt ist bunt, Studenten und deren Vermögen sind höchst unterschiedlich.

    3800 Studenten warten auf Wohnraum.

    Was genau bringt hier nochmal Ihre erwähnte Investition in den Bestand und der Stopp von Neubau?

  18. 23.

    Jeder liest und interpretiert Dinge genau so, wie er es für passend hält.

    Investitionen in die von Ihnen geliebten Bestände, egal welche Eigentümerstruktur dahinter steckt, schaffen keinen dringend benötigten Wohnraum.

    Ich sagte bereits, dass ich an alle denke, Sie anscheinend nicht - es werden Wohnungen für alle Segmente benötigt!

    Ist gar nicht so schwer zu verstehen!

    Gerne dürfen Sie aber auch meine Frage beantworten, nicht ausweichen.

  19. 22.

    "Auch wird ignoriert, dass die Baukosten ja nicht aus Fantasie gestiegen sind, der Markt ist schlicht abgeschöpft und: Bauen regelt den Markt nicht. "

    Auweia! Wie können Sie es wagen den Freunden der Immobilienmafiosi und deren Mantra vom "Bauen, bauen und nochmals bauen" zu widersprechen?

    Im Ernst, was Berlin betreibt ist Flickschusterei weil der Bund nicht in die Puschen kommt. Um den Wohnungsmarkt langfristig sozialer zu gestalten hilft nur ein Mietdeckel und härtere Gesetze bei der Zweckentfremdung.

    Wir brauchen (wieder) die Berliner Mischung, ansonsten fliegt uns in absehbarer Zeit das soziale Gefüge um die Ohren. Dann haben wir Pariser oder Londoner Verhältnisse. Die Superreichen wohnen in den Innenstädten, der Rest darf in Legehennenghettos herumvegetieren.

    Auch wenn Berlin nur reparieren kann was der Bund jahrzehntelang versäumt hat, der beschlossene Weg ist der falsche.

  20. 21.

    Wenn sogar bei Verhandlungen über künftige Nettokaltmieten herauskommt, dass auch diese höher ausfallen, fragt man sich, warum man sich überhaupt getroffen hat. Auch wird ignoriert, dass die Baukosten ja nicht aus Fantasie gestiegen sind, der Markt ist schlicht abgeschöpft und: Bauen regelt den Markt nicht.

    Das Problem liegt viel tiefer. Sozialwohnungen darauf zu reduzieren, wie viele denn nun gebaut werden oder nicht, übersieht die schwierige Lage, dass es immer weniger entsprechende Wohnungen gibt. Fast die Hälfte der Berliner Bevölkerung ist gemessen am Einkommen zu einer Sozialwohnung berechtigt - schon vor Corona und Ukraine-Krieg, plus Inflation und enormen Energiekosten. Der Wohnungsmarkt und auch staatliche Regelung von Sozialwohnungen ist radikal und umfassend zu reformieren. Solange Mieten trotz gleichbleibenden Werts der Wohungen nach Wunschdenken der Finanzmärkte ohne Leistung dennoch automatisch höher werden, besteht das Problem fort.

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