Flughafen BER - Tausende Fluglärm-Beschwerden auch für dieses Jahr erwartet

In den Sommerferien hat der Verkehr am Flughafen BER erstmals seit der Eröffnung des Airports richtig gebrummt. Bis zu zwei Millionen Passagiere sind monatlich in Schönefeld abgeflogen oder angekommen – zum Leidwesen vieler Anwohner. Von Thomas Rautenberg
Rund 3.000 Lärmbeschwerden haben den BER-Fluglärmbeauftragten, Patrick Strogies, im vergangenen Jahr erreicht. Und das bei vergleichsweise wenig Betrieb auf dem Airport.
Vor allem Easyjet löste unter den Anwohnern Unmut aus. Deren Maschinen drehten auf der Südbahn nicht auf der vorgeschriebenen Route nach Süden ab, sondern donnerten geradeaus über die Gemeinden im Osten. Mit dem geballten Fluglärm hatten die Anwohner von Schulzendorf, Eichwalde und Zeuthen nicht gerechnet und sie beschwerten sich beim Fluglärmschutzbeauftragten des BER.
Die Menge macht's
Inzwischen hält sich auch Easyjet an die Vorgaben der Flugrouten bei Starts in Richtung Osten. Das sorgte für eine Entlastung vieler lärmbetroffenen Anwohner. Anderseits wird aber am BER insgesamt mehr geflogen, was wiederum der Lärmdruck erhöht.
Insofern rechnet der Fluglärmschutzbeauftragte Patrick Strogies auch in diesem Jahr mit einer ähnlich hohen Zahl an Beschwerden. Und die meisten erwartet er wieder aus den Nachbargemeinden im Osten: "Einfach, weil dort auf den problematischeren Routen geflogen wird." Die Anwohner, so Strogies weiter, würden natürlich die Ideallinien auf der Karte mit der Realität am Himmel vergleichen und wenn sie nicht übereinstimmen, kämen die Beschwerden.
Besonders problematisch: Die Hoffmann-Kurve
Während bei den Starts Richtung Westen, also über Blankenfelde-Mahlow, auf sogenannten Geradeausrouten geflogen wird, ein vergleichsweise einfaches Verfahren, müssen die Piloten Richtung Osten gleich nach dem Start viele Kurven fliegen, um Siedlungsgebieten auszuweichen. Nicht immer gelingt das.
Bei der sogenannten Hoffmann-Kurve beispielsweise, benannt nach ihrem Erfinder, dem Hobbypiloten Marcel Hoffmann, sollen die Flugzeuge bereits auf einer Höhe von rund 200 Metern scharf nach Süden abdrehen, um die brandenburgischen Gemeinden Schulzendorf und Eichwalde nicht zu überfliegen, erläutert Strogies. "Jedes Flugzeug erreicht diese Höhe an einem unterschiedlichen Punkt. Entsprechend groß ist die Lärmstreuung bei den nachfolgenden Kurven."
Keine eigenen Sanktionsmöglichkeiten
Der Fluglärmbeauftragte des BER hat nach eigenen Angaben keine Sanktionsmöglichkeiten, sollte ein Pilot tatsächlich von den vorgeschriebenen Routen abweichen. Er prüft nur die Umstände, die zu einer Lärmbeschwerde geführt haben. Gab es keine offensichtlichen Sicherheitsbedenken oder Wetterfronten, die den Flugzeugführer zu einer Kursabweichung gezwungen haben, gibt Strogies das Verfahren zur abschließenden Prüfung und einer möglichen Sanktionierung an das Bundesamt für Flugsicherung (BAF) weiter. Im vergangenen Jahr sei das in etwa 15 Fällen passiert, sagt der Fluglärmschutzbeauftragte.
Massive Beschwerden der Flughafenanwohner gab und gibt es auch wegen der sogenannten Intersection-Starts. Um schneller von Flughafen wegzukommen, nutzen die Airlines häufig kürzere Rollwege und damit einen Teil der Startbahn. Damit haben sie am Ende der Piste auch weniger Höhe erreicht und sind entsprechend lauter. Leider sei der Lärmschutz keine Kategorie, um die Airlines zur Ausnutzung der gesamten Startbahn zu zwingen, sagt Strogies.
Der Postflieger nervt viele
Für Stress und Anwohnerbeschwerden sorgt regelmäßig auch der Postflieger aus Stuttgart, der fünf Mal die Woche zu nachtschlafender Zeit auf dem BER starten und landen darf. Die Post würde wohl am liebsten auf den teuren Briefshuttle verzichten. Und für die lärmgeplagten Anwohner wären immerhin rund 500 Nachtflüge im Jahr weniger, sagt Strogies. "Der Briefverkehr verliert doch immer weiter an Bedeutung. Und es ist wirklich kritisch zu hinterfragen, ob diese Luftfahrzeuge tatsächlich noch quer durch die Republik geschickt werden müssen."
Doch selbst wenn der Postflieger eines Tages eingestellt werden sollte, werden der Fluglärm und damit auch die Zahl der Beschwerden künftig wohl eher steigen, denn der Luftverkehr am BER hat noch lange nicht den Stand des Flugbetriebes von Tegel und Schönefeld zusammen in der Zeit vor Corona erreicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.09.2022, 13:50 Uhr