Flughafen BER - Tausende Fluglärm-Beschwerden auch für dieses Jahr erwartet

Di 06.09.22 | 09:15 Uhr | Von Thomas Rautenberg
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Symbolbild: Ein Frachtflugzeug landet am Flughafen Berlin Brandenburg. (Quelle: dpa/R. Keuenhof)
Audio: rbb24 Inforadio | 05.09.2022 | Thomas Rautenberg | Bild: R. Keuenhof

In den Sommerferien hat der Verkehr am Flughafen BER erstmals seit der Eröffnung des Airports richtig gebrummt. Bis zu zwei Millionen Passagiere sind monatlich in Schönefeld abgeflogen oder angekommen – zum Leidwesen vieler Anwohner. Von Thomas Rautenberg

Rund 3.000 Lärmbeschwerden haben den BER-Fluglärmbeauftragten, Patrick Strogies, im vergangenen Jahr erreicht. Und das bei vergleichsweise wenig Betrieb auf dem Airport.

Vor allem Easyjet löste unter den Anwohnern Unmut aus. Deren Maschinen drehten auf der Südbahn nicht auf der vorgeschriebenen Route nach Süden ab, sondern donnerten geradeaus über die Gemeinden im Osten. Mit dem geballten Fluglärm hatten die Anwohner von Schulzendorf, Eichwalde und Zeuthen nicht gerechnet und sie beschwerten sich beim Fluglärmschutzbeauftragten des BER.

Die Menge macht's

Inzwischen hält sich auch Easyjet an die Vorgaben der Flugrouten bei Starts in Richtung Osten. Das sorgte für eine Entlastung vieler lärmbetroffenen Anwohner. Anderseits wird aber am BER insgesamt mehr geflogen, was wiederum der Lärmdruck erhöht.

Insofern rechnet der Fluglärmschutzbeauftragte Patrick Strogies auch in diesem Jahr mit einer ähnlich hohen Zahl an Beschwerden. Und die meisten erwartet er wieder aus den Nachbargemeinden im Osten: "Einfach, weil dort auf den problematischeren Routen geflogen wird." Die Anwohner, so Strogies weiter, würden natürlich die Ideallinien auf der Karte mit der Realität am Himmel vergleichen und wenn sie nicht übereinstimmen, kämen die Beschwerden.

Besonders problematisch: Die Hoffmann-Kurve

Während bei den Starts Richtung Westen, also über Blankenfelde-Mahlow, auf sogenannten Geradeausrouten geflogen wird, ein vergleichsweise einfaches Verfahren, müssen die Piloten Richtung Osten gleich nach dem Start viele Kurven fliegen, um Siedlungsgebieten auszuweichen. Nicht immer gelingt das.

Bei der sogenannten Hoffmann-Kurve beispielsweise, benannt nach ihrem Erfinder, dem Hobbypiloten Marcel Hoffmann, sollen die Flugzeuge bereits auf einer Höhe von rund 200 Metern scharf nach Süden abdrehen, um die brandenburgischen Gemeinden Schulzendorf und Eichwalde nicht zu überfliegen, erläutert Strogies. "Jedes Flugzeug erreicht diese Höhe an einem unterschiedlichen Punkt. Entsprechend groß ist die Lärmstreuung bei den nachfolgenden Kurven."

Keine eigenen Sanktionsmöglichkeiten

Der Fluglärmbeauftragte des BER hat nach eigenen Angaben keine Sanktionsmöglichkeiten, sollte ein Pilot tatsächlich von den vorgeschriebenen Routen abweichen. Er prüft nur die Umstände, die zu einer Lärmbeschwerde geführt haben. Gab es keine offensichtlichen Sicherheitsbedenken oder Wetterfronten, die den Flugzeugführer zu einer Kursabweichung gezwungen haben, gibt Strogies das Verfahren zur abschließenden Prüfung und einer möglichen Sanktionierung an das Bundesamt für Flugsicherung (BAF) weiter. Im vergangenen Jahr sei das in etwa 15 Fällen passiert, sagt der Fluglärmschutzbeauftragte.

Massive Beschwerden der Flughafenanwohner gab und gibt es auch wegen der sogenannten Intersection-Starts. Um schneller von Flughafen wegzukommen, nutzen die Airlines häufig kürzere Rollwege und damit einen Teil der Startbahn. Damit haben sie am Ende der Piste auch weniger Höhe erreicht und sind entsprechend lauter. Leider sei der Lärmschutz keine Kategorie, um die Airlines zur Ausnutzung der gesamten Startbahn zu zwingen, sagt Strogies.

Der Postflieger nervt viele

Für Stress und Anwohnerbeschwerden sorgt regelmäßig auch der Postflieger aus Stuttgart, der fünf Mal die Woche zu nachtschlafender Zeit auf dem BER starten und landen darf. Die Post würde wohl am liebsten auf den teuren Briefshuttle verzichten. Und für die lärmgeplagten Anwohner wären immerhin rund 500 Nachtflüge im Jahr weniger, sagt Strogies. "Der Briefverkehr verliert doch immer weiter an Bedeutung. Und es ist wirklich kritisch zu hinterfragen, ob diese Luftfahrzeuge tatsächlich noch quer durch die Republik geschickt werden müssen."

Doch selbst wenn der Postflieger eines Tages eingestellt werden sollte, werden der Fluglärm und damit auch die Zahl der Beschwerden künftig wohl eher steigen, denn der Luftverkehr am BER hat noch lange nicht den Stand des Flugbetriebes von Tegel und Schönefeld zusammen in der Zeit vor Corona erreicht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.09.2022, 13:50 Uhr

Beitrag von Thomas Rautenberg

83 Kommentare

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  1. 83.

    Zwei Politiker einigen sich und "verbriefen" das in einem vertraulichen Vermerk. Den Fehler, sich auf sowas zu verlassen, erkennen sie hoffentlich selbst.
    Der Bericht des Tsp beginnt mit "Historischen Entscheidungen hinterherzutrauern, hilft in der Gegenwart kaum weiter. Das weiß auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD)..."
    Warum wohl?
    Es gab auch keine Diskussionen - natürlich nicht. "Als potentieller Standort für das Projekt Flughafen Berlin Brandenburg erhielt der Flughafen Sperenberg Anfang der 1990er Jahre bis 1995 nationale Aufmerksamkeit. Während Befürworter in den damaligen Diskussionen..." Quelle s. Link #78

  2. 82.

    Egoistische Einstellung der Anwohner? Gehts sonst noch gut? Wer ist denn bitte egoistisch, wenn er kurze Wege zum Flughafen über das Wohl und die Gesundheit von Menschen stellt? Und Sie bringen ökologische Aspekte für die Anfahrt zu einem FLUGHAFEN ein? Also sorry, dabei ist das Ihnen unterstellte Bild-Niveau noch freundlich.

  3. 81.

    Anscheinend, Markus2, nur anscheinend. Solche Behauptungen fallen schnell auf einen selbst zurück. Aber Sie können mich gerne darüber aufklären, wie Sie auf dieses schmale Gleis kommen. Wegen den von mir erwähnten Stasikontakten Stolpes? Wegen der grundsätzlich feindlichen Haltung vieler Brandenburger zu Berlin? Wegen der absolut egoistischen Einstellung vieler "Anwohner" des BER im Besonderen? Oder gar wegen meines Verweises auf die Einmauerung des demokratischen Teils der Stadt durch das totalitäre Regime der DDR? Was genau hatte denn nach Ihrer Meinung Bild-Niveau?

  4. 80.

    Siehe #22: "Die Anwohner, so Strogies weiter, würden natürlich die Ideallinien auf der Karte mit der Realität am Himmel vergleichen und wenn sie nicht übereinstimmen, kämen die Beschwerden."
    Die Beschwerden kommen natürlich gerade deshalb, weil bei der Standortwahl die Routen eine zentrale unrühmliche Rolle gespielt haben. Alle, wirklich alle Fachleute für Standortfragen haben diesen Standort zu recht nicht favorisieren können. Damals hat man nicht gesagt, dass es überall laut wird. Im Gegenteil, man hat Betroffene ausgeschlossen, weil nicht betroffen. Nach dem Ausschluss wurden die Routen neu festgelegt. Und siehe da, die Betroffenen waren betroffen...:-( Und nun werden die Routen nicht eingehalten, denn schließlich wohnt man ja in der Nähe eines Flughafens... .-(

  5. 79.

    "Betrogen?" Ja.
    Die Standortentscheidung für Sperenberg war bereits abgemachte Sache.

    "Letzterer wurde von Fachleuten in Diskussionen bevorzugt." Da gab es noch keine Diskussion
    Ich habe eine Weile suchen müssen. Zitat: Die Sperenberg-Wehmut, die viele Politiker befallen hat, bezieht sich auf einen vertraulichen Vermerk zwischen den damaligen Regierungschefs Manfred Stolpe (SPD) in Brandenburg und Eberhard Diepgen (CDU) in Berlin. Beide hatten sich auf Sperenberg geeinigt, doch mit der geplatzten Fusion der beiden Länder setzte die Berliner CDU im Schulterschluss mit dem Bund Schönefeld durch.
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/muller-sieht-ber-standort-als-geburtsfehler-3618046.html

  6. 78.

    Betrogen? Oder vll. eher zu leichtgläubig gewesen? Beide Standorte wurden diskutiert. Für Schönefeld lagen Ausbaupläne bereit - von Sprerenberg ist mir wirklich nichts derartiges bekannt. Letzterer wurde von Fachleuten in Diskussionen bevorzugt. Ehrlich, wer sich nur aufgrund von Diskussionen zu einem Kauf oder Zuzug in eine Region entscheidet, pokert. Die alten Anwohner sind die Gekniffenen - für die "Billig-Will-Ich-Zuzügler" hält sich mein Mitleid dagegen in sehr überschaubaren Grenzen. Eine unvoreingenommene Zusammenstellung finden sie hier:
    https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/450723#Die_Diskussion_um_den_Ausbau_als_Flughafen_Berlin-Brandenburg

  7. 77.

    Wenn man seine Infos anscheinend nur aus der BILD hat, wundert einen dieser Text nicht mehr...

  8. 76.

    Bei den paar Flugzeugen, die damals flogen, ist das nicht ins Gewicht gefallen. Ist ja wohl ein gewaltiger Unterschied zu heute.

  9. 75.

    Den Krach hat man auch wenn man 50 km vom Flughafen entfernt wohnt. Es war eindeutig die falsche Standortwahl. Aber das ist den Politikern ja bekannt.

  10. 74.

    "Vielleicht findet sich hier ja ein Fachmann für diese Start- Landekonfigurationen am BER. "
    Dazu bedarf es keines Fachmannes.
    Das Stichwort ist Gosen und Erkner.

  11. 73.

    Na, da haben wir doch noch einmal Glück gehabt, dass sich der ewiggestrige Herr Stolpe mit den tollen Stasikontakten nicht durchgesetzt hat und den Flughafen nicht nach jwd im schönen Brandenburg abschieben durfte. Sage ich mal so als immer wieder geschockter Wessi. Manche Brandenburger würden sicher gerne die Berliner weit über 100 km fahren lassen, wenn sie dadurch ihre Dorfidylle inklusive Grabesruhe bewahren könnten. Da dürfen dann natürlich ökologische Argumente ganz weit hinten anstehen. Nachdem die DDR den demokratischen Teil Berlins eingemauert hatte, war es für die West-Berliner selbstverständlich in unmittelbarer Nähe eines stark frequentierten Flughafens zu wohnen. Das betraf allerdings ungleich mehr Menschen als da unten rund um Schönefeld, wo neben den neu Zugezogenen viele wohnen, denen es schon früher besser ging als dem Durchschnitt, und die es sich auch gar nicht anders vorstellen können.

  12. 72.

    Der eine oder andere hat sicher noch an Tegel geglaubt, dass es nach dessen Schließung und der Corona Ruhe dann jetzt mal so richtig abgeht am BER, dass war in den 90 ern wohl noch nicht den Bauherren in der Umgebung so klar. Aber zum Glück wollen ja garnicht "Alle fliegen", sonst wäre es noch viel lauter.

  13. 71.

    Das unterstreiche ich, von mir aus können sogar Tegel und! Tempelhof wieder eröffnet werden, dann sagen sich Fuchs und Hase am BER wieder Gute Nacht und die Brandenburger haben noch mehr Ruhe....

  14. 70.

    >"Eine Frage die ich mir immer wieder stelle, warum erfolgen die Oststarts nicht über die Nordbahn. Dann muss keiner die Hoffmann-Kurve (auch als Kotzkurve bekannt) ertragen. "
    Da spielen sehr spezielle Konfigurationen bei der Fliegerei eine Rolle. Z.B. dass Flugzeuge günstiger Weise immer gegen den Wind starten und gegen den Wind landen. Bei uns hier herrscht überwiegend West bis Nordwest Wind. Und dass bei Flugplätzen mit mehreren Bahnen eine für Landungen und eine für Starts gehalten wird. So einfach kann man glaub ich ihre Frage nicht beantworten. Vielleicht findet sich hier ja ein Fachmann für diese Start- Landekonfigurationen am BER.

  15. 69.

    Eine Frage die ich mir immer wieder stelle, warum erfolgen die Oststarts nicht über die Nordbahn. Dann muss keiner die Hoffmann-Kurve (auch als Kotzkurve bekannt) ertragen.

  16. 68.

    Meerbusch ist parallel zum Flughafen gewachsen...Das wird es in Schönefeld auch geben, wenn die Bevölkerung ausgetauscht ist. Verstehen Sie den Unterschied und die eigentliche Frage: Wie Standortentscheidungen getroffen werden, verlogen oder nicht. In Bezug auf Schönefeld ist die Antwort eindeutig. Aber wenn Sie wieder von vorne anfangen wollen, dann wird das so nichts und behindert.

  17. 67.

    Ach was ... danke für diesen sinnfreinen Kommentar, er ist zumindest unterhaltsam. Worum es den Betroffenen wirklich geht können Sie nachlesen, natürlich nur wenn Sie das wirklich interessiert Alles andere ist Stammtisch Geschwätz ...

  18. 66.

    Wen interessiert, wenn ein Flugzeug in 32.000Ft. Berlin überfliegt? Wenn sie nicht grad nach oben schauen würden sie das gar nicht bemerken.

  19. 65.

    Seit 1971 wurde Schönefeld aber mehrmals ausgebaut. Das haben sie wohl verpasst?

  20. 64.

    " zum Leidwesen vieler Anwohner "

    ein Flughafen hat nun mal eben viele Flugbewegungen.mal eine andere Sicht : Flughafen Düsseldorf, ebenfalls hohes Flugaufkommen ab 6 Uhr morgens. Die Einflugschneise bzw Startschneise führt direkt in niedriger Höhe über den Ort Meerbusch und der gehört zum besonders bevorzugten Wohngebiet mit sehr hohen Grundstückspreisen und Mieten

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