Personalausfall und Organisation - Steigende Corona-Zahlen machen Kliniken zu schaffen
Personalmangel, Preisrally und jetzt auch noch steigende Corona-Zahlen. Die Krankenhäuser in Berlin und Brandenburg stehen vor großen Herausforderungen. Branchenvertreter warnen mit drastischen Worten. Von Philip Barnstorf
Pünktlich zum Herbst steigen die Corona-Zahlen in Berlin und Brandenburg wieder an. Inzwischen liegen in beiden Ländern mehr als doppelt so viele Menschen mit Corona im Krankenhaus wie noch im September. In Berlin sind es rund 1.000, in Brandenburg gut 800. Für die Krankenhäuser ist das eine große Belastung. "Seit 2,5 Jahren gibt es immer wieder Wellen mit maximaler Anspannung. Und dazwischen gibt es kaum Erholung, denn dann werden die verschobenen OPs nachgeholt", sagt Alexander Eichholtz, Pfleger und Personalrat an der Berliner Charité, "Ich hab Kollegen, die sind körperlich und psychisch schlicht erschöpft."
Inzwischen verlaufen die Corona-Erkrankungen meist weniger schwer, so dass die Intensivstationen derzeit nicht an ihre Grenzen kommen. Aber auch die leichten Verläufe haben eine Kehrseite: Dieser Tage kommen Corona-Patienten häufig zunächst wegen anderer Beschwerden ins Krankenhaus. "Wir merken dann erst vor Ort, dass sie Corona haben. Dann liegen die Patienten aber schon in einem Mehrbettzimmer", berichtet Michael Jacob von der Krankenhausgesellschaft Brandenburg. "Wir können nicht jeden Patienten prophylaktisch isolieren."
Krankenhäuser erfahrener im Umgang mit Corona
Um die Verbreitung des Virus dennoch zu verhindern, haben drei Kliniken in Märkisch-Oderland inzwischen Besuchsverbote erlassen. Auch Berliner Krankenhäuser reagieren. "Viele Häuser wenden die 1-1-1-Regel an. Also ein Besucher pro Patient pro Tag", sagt Marc Schreiner von der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG). "Außerdem müssen sich Besucher testen und es gibt eine FFP2-Maskenpflicht."
Immerhin: Mit der Erfahrungen aus den vergangenen zwei Jahren können die Krankenhäuser die aufwändigen Hygiene-Maßnahmen besser umsetzen. "Wir können mittlerweile den Aufwand für die Versorgung von Corona-Patienten genauer berechnen, etwa wie lange es dauert, die Schutzkleidung anzulegen", sagt BKG Geschäftsführer Schreiner. "So können wir die Personalplanung genauer machen."
"Betreuungsschlüssel werden unterlaufen"
Aber nicht nur die Versorgung der Patienten ist eine Herausforderung. Immer mehr Krankenhaus-Angestellte können vorübergehend nicht arbeiten, weil sie selbst Corona haben. Die Häuser versuchen Lücken zu schließen, indem sie Personal zwischen den Stationen verschieben. "Man kann Leute aber nicht beliebig ersetzen", warnt Marc Schreiner.
Auch Charité-Personalrat Eichholtz sieht die Lage als dramatisch an. "Betreuungsschlüssel werden unterlaufen", kritisiert er. "Manche Stationen sagen: Wir haben 22 Betten, die können aber eigentlich nur 16 Patienten gut betreuen." Inzwischen melden einige der rund 60 Berliner Krankenhäuser Betten für einige Stunden ab. Krankenwagen müssen sich dann eine andere Klinik suchen. Das Cottbuser Carl-Thiem Klinikum, eins von 54 Brandenburger Krankenhäusern, bereitet sogar die Schließung ganzer Stationen vor.
100 Millionen Euro Mehrkosten für Berliner Krankenhäuser
Sowohl die Berliner als auch die Brandenburger Krankenhausgesellschaft rechnet damit, dass die Corona-Zahlen in den kommenden Wochen weiter steigen. Beide fordern daher eine Maskenpflicht in Innenräumen. "Wir als Krankenhäuser müssen von der Gesellschaft einen Beitrag einfordern", betont Marc Schreiner von der BKG.
Beide Landesgesellschaften wollen außerdem finanzielle Hilfe vom Bund. So hätten etwa die Berliner Kliniken wegen der gestiegenen Preise in diesem Jahr rund 100 Millionen Euro Mehrkosten zu stemmen, heißt es von der BKG. Brandenburgs Krankenhausvertreter Michael Jacob wünscht sich außerdem weniger Dokumentationspflichten, so dass die Mitarbeiter sich mehr um Patienten und weniger um Bürokratie kümmern können.
Auch Charite-Personalrat Eichholtz sieht dringenden Handlungsbedarf. Die Belastung der Krankenhaus-Mitarbeiter werde mit den Corona-Zahlen weiter steigen. "Wenn jetzt nicht gehandelt wird, könnte es sein, dass in zwei Jahren die Vollversorgung etwa auf dem Land nicht mehr garantiert werden kann."
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 13.10.2022, 19:30 Uhr