Gewerbeflächen-Konzept in Brandenburg - Bis an die Grenzen des Wachstums

Für Brandenburg läuft es wirtschaftlich derzeit blendend: Laut Wirtschaftsförderern rennen Unternehmen den Kommunen derzeit die Türen ein. Doch wo sollen all die Firmen hin? Erstmals legt die Landesregierung eine Analyse vor. Von Hanno Christ
- Brandenburg gibt erstmals einen Gesamt-Überblick über Gewerbeflächen
- In Kommunen werden die Gewerbeflächen knapp
- Städte- und Gemeindebund fordert Vorkaufsrechte und weniger Regeln
- Umweltbedenken wie Wasserverbrauch spielen eine immer größere Rolle bei Erschließung
Wenn es etwas gab, das Brandenburg seit Landesgründung lange Zeit en masse im Angebot hatte, dann waren es verfallene Gebäude, leergezogene Fabrikgebäude oder Gewerbeflächen, die die Kommunen einfach nicht loswurden. Der miefige 90er-Jahre-Geruch einer Abstiegs-Region hing Brandenburg lange in den Kleidern.
Seit einigen Jahren aber zeigt es sich selbstbewusst in neuem Gewand. Den Spruch vom JWD ("Janz weit draußen") trimmte die Landesregierung vergangenes Jahr poppig auf: "Jeder will dahin". Es mag nur eine Imagekampagne sein, aber die Zahlen der Wirtschaftsförderer bestätigen das. Spätestens mit der Ankündigung des Automobilherstellers Tesla, sich im brandenburgischen Grünheide anzusiedeln, seien die Anfragen weiterer Firmen nach Gewerbeflächen in die Höhe geschossen, heißt es von der Wirtschaftsförderung. Und die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg prognostizierten unlängst, Brandenburg könnte die Hauptstadt beim Wachstum in diesem Jahr überflügeln. Der Tesla-Effekt sorge für einen "steilen Anstieg der Wertschöpfung". Das Unternehmen bringe eine "bislang nicht gekannte Dynamik in die Mark", so Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck.
Offenbar hat es sich rumgesprochen, dass Genehmigungsbehörden auch einen Gang zulegen können, wenn es wirtschaftspolitisch gewollt ist. Dazu hat Brandenburg gute Karten, wenn es um den Bedarf an Erneuerbarer Energie geht: Sowohl bei Bestand als auch beim Zubau etwa von Windkraftanlagen hat sich das Land einen Vorsprung gegenüber den wirtschaftsstarken Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg erarbeitet.
IHK: Konzept überfällig
Bleibt die Frage: Wo sollen all die Investoren hin? Auf der Website der Wirtschaftsförderung Brandenburg [wfbb.de] werden noch immer eine Anzahl von großen Flächen mit mehreren Hunderttausend Quadratmetern ausgewiesen – viele davon im Süden des Landes etwa im Industriepark Schwarze Pumpe, aber auch im Osten und Nordwesten des Landes. Eng und teuer wird es für jene, die in der Nähe Berlins investieren wollen. Einen Gesamt-Überblick gab es bislang noch nicht – vor allem keinen, der einen Blick in die Zukunft warf.
Das Gewerbe- und Industrieflächenkonzept, das die Landesregierung nun ankündigt, kommt spät, kritisiert etwa ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer Potsdam. Der Bedarf war schon länger da. Die IHK hatte schon seit Jahren auf Anfrage der Landkreise in ihrem Bezirk Gewerbeflächen-Potenziale bis 2025 analysiert – auf eigene Faust.
Städte- und Gemeindebund meldet Flächen-Mangel
In einem Positionspapier des Städte- und Gemeindebundes vom September vergangenen Jahres registriert der Verband bei einer Vielzahl von Städten und Gemeinden eine zunehmende Verknappung an Gewerbeflächen. Viele Gemeinden sind offenbar auf einen Boom und verstärkte Nachfragen gar nicht oder nur unzureichend vorbereitet.
Wollen die Kommunen wachsen und von Gewerbesteuereinnahmen profitieren, drängt die Zeit: Bis ein Gewerbegebiet erkundet, genehmigt und erschlossen ist, vergehen Jahre. Die Tesla-Geschwindigkeit bleibt in den von Personalsorgen geplagten Raumordnungsbehörden vieler Kommunen ein frommer Wunsch. Auch deshalb fordert der Städte- und Gemeindebund weniger Regeln beim Flächenerwerb der kommunalen Ebene. Vorkaufsrechte sollen stattdessen gestärkt werden, die Flächenbegrenzung gehöre abgeschafft.
Gibt es genug Grundwasser?
Ein zunehmend gewichtiges Kriterium dürfte der Faktor Umweltbelastung und Ressourcen-Verbrauch sein – auch so ein Tesla-Effekt. Obwohl es mit der Kohle- und der Papierindustrie seit langem weitaus wasserintensivere Betriebe in Brandenburg gibt, hat erst die Investition der sogenannten Giga-Factory in Grünheide eine Grundsatz-Debatte über den Verbrauch von Grundwasser in Gang gesetzt.
Diese Debatte hält bis heute nicht nur an, sondern gewinnt an Fahrt. Und nicht nur in Grünheide: So protestieren Anwohner eines geplanten Gewerbegebietes bei Beelitz-Heilstätten gegen die Ansiedlung neuer Firmen. Sie sorgen sich um die Wasserversorgung und gehen gegen die Rodung von Waldflächen auf die Barrikaden.
Problem Fachkräftemangel und Digitalisierung
Trotz guter Entwicklung und positiver Wirtschaftsaussichten fallen Brandenburg einige langfristige Standort-Nachteile auch weiterhin auf die Füße. Fachkräftemangel, schlechte Digitalisierung der Verwaltung und lückenhafte Breitband-Abdeckung lassen sich nicht von heute auf morgen beheben. Da helfen auch erschlossene Gewerbegebiete nicht. Der schwache Trost: Mit diesen Mängeln können auch andere Bundesländer dienen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 24.01.2023, 19:30 Uhr
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