Windräder in Brandenburg - Hoch, höher, am höchsten - nur: Ist das auch gut?
Die Windräder wachsen in die Höhe und werden damit ertragreicher. Wie hoch können sie noch werden? Es werden wohl noch ein paar Meter dazukommen, sagt ein Experte. Naturschützer beobachten das "immer schneller, immer mehr" derweil mit Sorge. Von Kira Pieper
- Mitte der 1990er-Jahre waren die Windräder in Brandenburg noch rund 130 Meter hoch, neue Anlagen sind inzwischen im Schnitt 217 Meter hoch
- Ein Experte für regenerative Energiesysteme sagt: Die Anlagen werden wohl auch noch um weitere 10 bis 20 Prozent wachsen
- Umweltschützer kritisieren, der Naturschutz gerate immer mehr in den Hintergrund
Knapp 4.000 Windräder ragen bislang in Brandenburg in die Höhe. Und es sollen noch mehr werden: Denn die Bundesregierung plant mit dem "Wind-an-Land-Gesetz" einen deutschlandweit stärkeren Ausbau der Windkraft.
Um die Ziele des Gesetzes zu erreichen, müssten bis 2030 in Brandenburg 1.000 neue Anlagen gebaut werden - inklusive der alten Anlagen, die ersetzt werden müssen. Das wären im Schnitt mehr als 140 neue Windkraftanlagen im Jahr. In den Jahren 2014 bis 2017 hat man diese Zahl zum Teil deutlich übertroffen. Aber seitdem brach sie ein. 2021 gingen 64 Anlagen in Betrieb, 2022 waren es 72.
Experte: Es fehlen Standorte
So einfach ist es nicht, schnell und viele Windräder aufzustellen. So sind zum einen die Genehmigungsverfahren aufwändig und langwierig. Aktuell befinden sich in Brandenburg 449 Windenergieanlagen im Neu-Genehmigungsverfahren. Die Dauer der Bearbeitung beträgt derzeit vier bis fünf Jahre. Zum anderen sind geeignete Plätze knapp. "Die Standorte sind nicht so üppig vorhanden", erklärt Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin auf Nachfrage von rbb|24.
Die Windkraftunternehmen haben allerdings längst einen Weg gefunden, Windräder ertragreicher zu machen. Der Clou: Es wird in die Höhe gebaut. Denn über 200 Meter weht der Wind deutlicher gleichmäßiger als in Bodennähe, wo er von Strukturen wie Gebäude oder Wäldern beeinflusst wird. Zum Vergleich: Die Windkraftanlagen, die Mitte der 1990er-Jahre aufgestellt wurden, hatten nach Angaben des Brandenburger Infrastrukturministeriums eine Gesamthöhe von 130 Metern [gl.berlin-brandenburg.de/PDF]. Ihre Leistung lag bei rund 0,6 Megawatt.
Früher: 150 Meter hoch - heute: 217 Meter
Heute haben die neuen Windräder, die in Brandenburg aufgestellt werden, eine Durchschnittshöhe von 217 Metern und eine Leistung von mehr als 4 Megawatt. In Schipkau (Oberspreewald-Lausitz) wird es sogar noch gigantischer: Dort soll dieses Jahr die - nach Herstellerangaben - größte Windkraftanlage der Welt entstehen. Gesamthöhe: 300 Meter.
Also einfach weiter in die Höhe bauen und so immer mehr Wind nutzen? Experte Quaschning ist sich zwar sicher, dass die Anlagen noch um weitere 10 bis 20 Prozent wachsen werden. Aber dann sei Schluss, glaubt er. Denn wenn die Anlagen höher werden, kommen neue Probleme hinzu: Die Kräfte, die auf die Materialien wirken, nehmen zu; es wird schwieriger, eine stabile Anlage zu bauen. Und: Für den Transport können Windkraftanlagen nicht mehr ins Unermessliche wachsen. Zwar gibt es mittlerweile Möglichkeiten, die Windräder in kleinere Einzelteile zu zerlegen, allerdings nur bedingt. "Und die Autobahnbrücken werden nicht mit der Größe der Windräder wachsen", sagt Quaschning.
Große Windräder sind nicht überall sinnvoll
Der Sprecher des Bundesverbandes Windenergie, Frank Grüneisen, erklärt auf Nachfrage von rbb|24 außerdem, es sei auch nicht immer sinnvoll, große Windräder aufzustellen. Je nach Standort lasse sich mit einer niedrigeren Anlage teilweise sogar mehr Energie erzeugen. Dies gelte zum Beispiel für Schleswig-Holstein, wo kräftige Winde in Küstennähe auch mit weniger hohen Anlagen große Mengen an grünem Strom produzierten. Mit Blick auf die Anlagen in ganz Deutschland lasse sich auch nicht pauschal sagen, dass die Anlagen immer höher geworden seien. Zuletzt sei die Höhe der neu aufgestellten Anlagen sogar rückläufig gewesen.
Ob besonders hoch oder weniger hoch: Der Nabu Brandenburg steht dem Ausbau grüner Energie zwar positiv gegenüber, dennoch betont der Landesvorsitzende, Björn Ellner, jede Windkraftanlage bedeute einen Eingriff in die Natur. Schon der Bau bedeute Lärm, der sich störend auf brütende Vögel auswirken könne. Um die großen Anlagen anliefern zu können, müssten oft Bäume gefällt werden. Schwere Fahrzeuge, Betonfundamente und Leitungsinfrastruktur bedeuten zudem versiegelte Flächen.
Eingriff in die Natur
Und egal, ob Windkraftanlagen groß oder klein seien: Sie stellten ein Hindernis in der Landschaft dar, sagt Ellner. Damit würden sie auch zum Kollisionsrisiko für Vögel und Fledermäuse. "Je höher die Anlagen sind, desto höher ist auch die Kollisionsgefahr", so der Brandenburger Nabu-Vorsitzende. Er nennt ein Beispiel: "Der Rotmilan blickt im Flug nach unten, um Beute aufzuspüren. Da es in seiner Flughöhe keine natürlichen Barrieren gibt, ist er in seinem Flugverhalten nicht an in der Landschaft herumstehende Hindernisse angepasst." Außerdem würden die Rotorblätter Unterdruck erzeugen und damit kleine Lebewesen - wie Insekten - regelrecht ansaugen. Je größer die Rotorblätter werden, desto größer sei dieser Effekt.
Nabu: "Die Natur kommt so unter die Räder"
Und die Menschen, in deren Nähe die großen Windkraftanlagen aufgestellt werden? "Die Stimmung in Bezug auf den Ausbau erneuerbarer Energien hat sich in letzter Zeit deutlich zum Positiven gewandelt", erklärt Frank Grüneisen, Sprecher des Bundesverbands Windenergie. Vor allem seit dem Ukraine-Krieg sei dieser Effekt zu spüren.
Der Nabu sieht diese Entwicklung skeptisch: "Wir erleben derzeit eine sehr einseitige politische Debatte", sagt der brandenburgische Landesvorsitzende Ellner. Die Sicherung der Energieversorgung werde derzeit sehr in den Vordergrund gerückt, die Natur habe zeitgleich an Stellenwert verloren. Es habe in den vergangenen Monaten einige Gesetzesänderungen auf Bundes- und EU-Ebene gegeben, die den Ausbau der Windkraft erleichtern sollen. So gebe es inzwischen deutliche Abstriche bei der artenschutzrechtlichen Prüfung vor der Errichtung von Windkraftanlagen und bisherige Tabuzonen wie die Landschaftsschutzgebiete wurden für die Errichtung von Windkraftanlagen geöffnet. "Die Entwicklung beobachten wir mit Sorge", sagt Ellner. "Die Natur kommt so unter die Räder."
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