Düstere Aussichten beim Wohnungsbau - Die fünf größten Probleme der Baubranche

Fr 09.02.24 | 08:33 Uhr | Von Efthymis Angeloudis
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Symbolbild fuer die Bauwirtschaft im Wohnungsbau sowie die politischen Rahmenbedingungen für Bauunternehmen. (Quelle: dpa/Sukrow)
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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 08.02.2024 | Markus Reher | Bild: dpa/Suckrow

Baukosten explodieren, Neuaufträge brechen ein und Baugenehmigung lassen über ein Jahr auf sich warten – die Krise auf dem deutschen Bau ist vielschichtig. Vertreter des Baugewerbes benennen die fünf größten Probleme der Branche. Von Efthymis Angeloudis

Nach jahrelangem Boom steckt die Baubranche in einer tiefen Krise - auch in Berlin und Brandenburg. Nach und nach zeichnet sich eine Pleitewelle bei Immobilienunternehmen ab und mit ihr der Verlust von tausenden Jobs [tagesschau.de]. Was hat dazu geführt und welche Hürden muss die Baubranche überwinden?

1. Bürokratie

Eine Umfrage der Fachgemeinschaft Bau unter Bauunternehmen in Berlin und Brandenburg vom November 2023 zeigt, dass die Branche vor allem mit der überbordenden Bürokratie zu kämpfen hat.

Für eine Baugenehmigung in Berlin melden Wohnungsbaugenossenschaften eine Wartezeit von acht Monaten. "Dazu kommt dann die sogenannte Genehmigung nach Straßenrecht, um einen Bauzaun auf dem Fußweg aufzustellen", sagt Thomas Herrschelmann von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V. dem rbb. Da gäbe es überhaupt keine Fristen bei den Genehmigung. "Das heißt, die Behörden können diese abarbeiten, wie sie gerade Zeit haben oder Personalkapazitäten. Und das führt natürlich dazu, dass wir in Berlin, aber auch in Brandenburg inzwischen Wartezeiten von bis zu einem Jahr haben."

Auch der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) benennt die Bürokratie als zentrales Problem der Baubranche. "Die Bürokratiemonster lähmen die Wirtschaft enorm“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des ZDB gegenüber rbb|24. Darunter würden auch Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer tagtäglich leiden. "Von der Tachographenpflicht über diverse Dokumentations- und Informationspflichten bis hin zu 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen - es muss hier endlich entrümpelt und harmonisiert werden", so Pakleppa.

Diese Menschen werden auch keinen neuen Arbeitgeber finden, weil dann auch viele Firmen die Tore schließen werden

Thomas Herrschelmann, Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V.

2. Fachkräftemangel

Das zweite Problem, das die Bauwirtschaft beschäftigt, ist der Fachkräftemangel. Rund 300.000 Fachkräfte fehlen im Baugewerbe in Deutschland – das schätzt die IG Bau. Durch den Einbruch im Wohnungsbau rechnet der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) erstmals seit vielen Jahren für 2024 auch mit dem Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen. "Wir haben in den letzten 10 Jahren über 200.000 Beschäftigte neu an Bord. Die gilt es in der Tat mindestens zu halten. Das wird bei einem nachhaltigen Rückgang der Baugenehmigungen im Wohnungsbau, die auch zu niedrigeren Umsätzen führen, schwierig werden", sagt Felix Pakleppa gegenüber rbb24.

Die Entlassungen werden sich nach Einschätzung der Fachgemeinschaft Bau ab Mitte des Jahres häufen."Und natürlich werden diese Menschen auch keinen neuen Arbeitgeber finden, weil im Zweifel natürlich dann auch viele Firmen die Tore schließen werden", bekräftigt Thomas Herrschelmann. Darüber hinaus hat der Bausektor, wie alle anderen Branchen auch, ein demografisches Problem. Ein Drittel der Beschäftigten in Bauunternehmen in Berlin und Brandenburg ist 55 Jahre und älter. "In der Baubranche beginnt man da, schon über den Ruhestand nachzudenken."

3. Stornierte Aufträge - Geringe Neuaufträge

Die Auftragslage im deutschen Wohnungsbau verschlechtert sich seit Monaten. Im Dezember 2023 klagten laut einer Umfrage des Ifo-Instituts [ifo.de] mehr Firmen als in den Vormonaten über Auftragsstornierungen: Knapp jeder Vierte (22,1 Prozent) meldete jetzt gestrichene Projekte, im November 2023 waren es noch 21,5 Prozent. Mit niedrigen Beständen in den Auftragsbüchern hat mehr als die Hälfte (56,9 Prozent) der Wohnungsbauunternehmen zu kämpfen.

Der reale Auftragseingang im Bauhauptgewerbe ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im November 2023 gegenüber Oktober 2023 kalender- und saisonbereinigt um 7,4 Prozent gesunken. Die Auftragsrückgänge sind aber laut Herrschelmann nicht erst im letzten Quartal gekommen. "Die zurückgehenden Aufträge sind jetzt schon zwei Jahre rückläufig. Wenn man sich die Zahlen des Statistischen Landesamtes mal anguckt, sind es im Hochbau preisbereinigt zwischen 40 und 50 Prozent und das über zwei Jahre, dann ist das eine ganze Menge."

4. Schlechte Finanzierungsbedingungen

Im Kampf gegen die Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen auf das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion angehoben. Der Leitzins liegt aktuell bei 4,5 Prozent. An den Finanzmärkten wird jetzt im Frühsommer die Zinswende erwartet, dann sollte der Leitzins wieder sinken. Die Bauzinsen haben die erwartete Entwicklung vorweggenommen und liegen mit 3,4 Prozent relativ tief. Wer jetzt eine Immobilienfinanzierung abschließt, zahlt mittlerweile deutlich weniger als noch vor einigen Monaten.

Dennoch reicht Zinsniveau von 3,4 Prozent allein nicht für einen Push für den Wohnungsbau, sagt Pakleppa dem rbb. "Die Erwartung niedrigerer Zinsen kann zu etwas Entspannung führen. Einstweilen führt sie erstmal zu Attentismus." Und diese abwartende Haltung werde die Nachfrage nach Baugenehmigungen zunächst weiter dämpfen.

Und auch bei diesem Niveau sind die Zinsen laut der Fachgemeinschaft Bau nach wie vor ein Thema für die Bauherren. "Weil auch die ganzen anderen Kosten so hoch sind, dass sich der Hausbau und vor allen Dingen der Mietshausbau zu bezahlbaren Mietkonditionen im Moment überhaupt nicht lohnt", sagt Thomas Herrschelmann.

5. Steigende Baukosten

Mit anderen Kosten beschreibt Herrschelmann die gestiegenen Baukosten, die der Bauwirtschaft enorm zusetzen. Der Preisanstieg im Wohnungsbau hat sich zum Ende des vergangenen Jahres zwar etwas abgeschwächt, doch Bauen verteuert sich immer noch stark. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, stiegen die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude im November 2023 um 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Der Preisanstieg hängt vor allem mit dem Ukrainekrieg zusammen. Seitdem Russland im Februar 2022 in die Ukraine eingefallen ist, ergaben sich Rohstoffknappheiten. Viele Vorprodukte für die Bauwirtschaft kämen eben auch aus der Ukraine, sagt Herrschelmann dem rbb. "Nehmen wir nur mal den Baustahl, der in den Stahlwerken in Mariupol gefertigt worden ist. Oder Fliesen. Wir haben eine Zeitlang 2022 Probleme gehabt, italienische oder spanische Fliesen zu bekommen, weil sie mit Ton aus ukrainischen Tongruben gekommen sind und dann in Italien und Spanien erst zu Fliesen verarbeitet wurden."

Preise für Rohstoffe und Baumaterialen, besonders Stahl, haben sich fast verdoppelt. Und diese Preissteigerungen hätten zu weiteren Unsicherheiten geführt.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 08.02.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis

22 Kommentare

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  1. 21.

    Es ist bei weitem nicht die Genehmigungsstrecke, sondern die seit 2012 komplett aus dem Ruder gelaufene Verordneritis (Brand, Immissionen, Energie, Umwelt, Natur, Barrierefreiheit, etc.), die den Wohnungsbau quasi sinnfrei um rund 1.000€/qm WF verteuert. Jetzt, wo wir noch immer vergleichsweise günstige Zinsen haben, rächt sich das. In der Gemengelage mit künstlich erzeugten Baupreissteigerungen, wird es toxisch. Das Verständnis im Bundesministerium dafür geht gegen Null. Dort glaubt man (nachweislich) noch immer, das nur schneller genehmigt werden muss, was ohnehin auch dann nicht mehr finanzierbar ist, wenn obendrauf noch Milliarden an Steuergeld hinterher geworfen werden. Die Prognose lautet: es dauert mind. 10 Jahre, bis die Fehler behoben sind.

  2. 20.

    genauso ist es ! Probleme sind entstanden die wir ohne diese inkompetenten Leute nicht hätten. Was auch nicht erwähnt wurde sind die teilweise völlig überzogenen Klimaschutzrichtlinien beim Bauen. Das bestätigen Bauträger und Firmen immer wieder. das macht das Bauen so teuer, dass es sich nicht mehr lohnt. Totgeschwiegen im Artikel !

  3. 19.

    Na gut, was wäre Ihre Eck-Sperrt-Tiefe ?
    Wäre die besser als Fußgänger, Radfahrer, Kfz-Fahrer, ÖPNV-Nutzender im Schuchtdienst, verheiratet, 4 Kinder in Kita, Schule, Ausbildung, Beruf ?
    Wer Augen hat nur um Sonnenbrillen im U-Bahntunnel zu testen, wer Ohren hat zum Kopfhörer weittragen .... ?

  4. 18.

    Wenn Sie, lieber Leser, sich die Mühe machen, sich mehrere Baustellen,
    bei Beginn, Während und Nach den Arbeiten., besser Tätlichkeiten anzusehen, wird Ihnen schnell auffallen,
    daß einige Baugenehmigungen,
    besser nie erteilt worden wären.
    Da werden Verkehrsführungen, Bau-Fahrzeug-Parkzonen, Material-Lager Rad-Fahrenden-Wege genehmigt, der Sach-Quer-Eingestiegene kann noch nie einen Fuß auf irgendeine Straße gesetzt haben. - Gebühr bezahlt, mehrfach ? Gestempelt, macht mal Schön ...

  5. 17.

    Wieso, das stimmt doch. Politiker sehen die hohen Zinsen nicht als richtiges Problem an, mit hohen Diäten und Pensionen zu Lasten der Gesellschaft rücken diese Fakten schnell ins "psychologische" ... ohne Worte.

  6. 16.

    Es gibt da noch so ein "Mischmonster". Das wäre die Ersatzbaustoffverordnung. 2021 erlassen, 2023 in Kraft getreten. Ein weiteres Bürokratiemonster das fernab jeglicher Realität unnötige Kosten verursacht, Kreislaufwirtschaft nahezu ad absurdum führt dafür aber viele unnötige Transportkilometer produziert.

  7. 15.

    Es gibt staatliche Kostentreiber ohne Not: Die physikalisch unnötig dicke Dämmung oder die Dreifachverglasung oder Prozentvorgaben für die Energienutzung. Noch mehr gefällig?

  8. 14.

    Und das allergrößte Problem sind Schwätzer ohne jegliches Hintergrundwissen bei denen es lediglich für substanzlosen Populismus reicht.

  9. 13.

    Tachographenpflicht als Teil der "überbordenden Bürokratie"?! Finde ich bezeichnend. Zum einen dafür, dass es von den Lobbyvertretern auch als Kampfbegriff verwendet wird. Zum anderen dafür, dass die Bürokratie auch aus Missständen auf dem Bau resultieren.

  10. 12.

    „damit der Konflikt (Ukraine) nicht eskaliert und bald beendet werden kann“
    Der Konflikt ist bereits eskaliert...und Deutschland sollte sich nicht drängen lassen... zur Kriegspartei zu werden. Es gibt diese Ansätze. Schauen Sie genau hin.

  11. 11.

    Es geht hier um Bau . Ihre persönliche Meinung zum Ukraine Konflikt können Sie gern haben. Ich sehe das anders und damit sollten sie leben können. Es gab noch nie einen Krieg der durch mehr Waffen beendet wurde !

  12. 10.

    "Eigennutz generiert Gewinne und somit auch Steuern"
    Träumen Sie weiter!
    Eigennutz kreiert Kreativität in Sachen Steuervermeidung und reduziert damit Steueraufkommen.

  13. 9.

    Wo waren Sie die letzten zwei Jahre? Genau das tut die Bundesregierung. Die überfallene Ukraine dahingehend zu unterstützen, dass sie stark genug ist, gegen einen großen Feind zu bestehen, damit der Konflikt nicht eskaliert und bald beendet werden kann.

  14. 8.

    Und große Probleme im Kanzleramt.
    Olaf Scholz hat in dieser Woche in Stahnsdorf gesagt, daß die hohen Bauzinsen hauptsächlich ein psychologisches Problem seien.
    Da fehlen einem die Worte.

  15. 7.

    Es müssen mehr Genossenschaften gegründet werden. Und die Politik hat die Macht dazu beim Wohnungsbau die Gewinne zu beschränken!! Sie will aber nicht, da die Probleme in Deutschland schon viel zu groß sind und immer nur verschleppt werden!! Sie Rente usw.

    Politik stopft sich lieber auch selbst die Taschen als sich den Problemen zu stellen.
    Und Innovation im Wohnungsbau wird auch unterdrückt.
    Es gibt genug kluge Architekten, die günstiger bauen können. Leider ist in Deutschland noch immer Vitamin B, Ideologie entscheidend! Und nicht Sachverstand.

  16. 6.

    Stichwort Bürokratie

    Wir haben zuviele Politiker!! Die sich dann mit sinnlosen Gesetzen, wo selbst Richter mittlerweile Schwierigkeiten haben und deswegen Klage solange dauert, ihren Arbeitsplatz erhalten!!

    Überall nur noch Selbstdarstellung und Egomanie.
    Die Rente funktioniert nicht mehr, Sozialwohnungen fehlen überall. Hauptsache den Motor der Wirtschaft, den Bau abwürgen. Und Steuer Gelder sinnlos verschwenden!!! Während die Mitte immer mehr verarmt!

  17. 5.

    1. ganz großes Problem, - fehlende Kompetenz im Bundesbauministerium-
    2. ganz großes Problem
    fehlende Kompetenz im Wirtschaftsministerium

  18. 4.

    30.000 der derzeit Beschäftigten könnten entlassen werden. Gleichzeitig fehlen 300.000 Fachkräfte im Baugewerbe und ein Drittel der Beschäftigten ist 55 Jahre und älter. Möglicherweise ist das Thema Mitarbeiter(um)qualifizierung und Nachwuchsgewinnung etwas, wo man ansetzen könnte? Wo eine Branche selbst etwas tun kann?

  19. 3.

    Eigennutz generiert Gewinne und somit auch Steuern, die dann das Gemeinwohl finanzieren. Marktwirtschaft ist kein Hexenwerk.

  20. 2.

    Da könnte man ja zu der Auffassung gelangen es wäre im Interesse Deutschlands schnell auf die Beendigung des Konfliktes hinzuwirken. Leider ist diese Erkenntnis noch nicht bei der jetzigen Regierung angekommen.
    Lieber werden die nächsten Sozialwohnungen in den Markt entlassen, damit der Druck auf die Mieten weiter steigt.

  21. 1.

    Das größte Problem der Baubranche/Wohnungsbranche ist das sie gewinnorientiert sind. Eigennutz geht vor Gemeinwohl. Normaler Kapitalismus eben. Und da stören dann eben Auflagen und Gesetze. Arbeiter sowieso. Kosten nur Geld. Das Vergaberecht/EU Recht muss dahingehend verändert werden das der Lohn gezahlt werden muss der in dem Land gilt wo gearbeitet wird. Nicht im Herkunftsland des Arbeiters.

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