Düstere Aussichten beim Wohnungsbau - Die fünf größten Probleme der Baubranche
Baukosten explodieren, Neuaufträge brechen ein und Baugenehmigung lassen über ein Jahr auf sich warten – die Krise auf dem deutschen Bau ist vielschichtig. Vertreter des Baugewerbes benennen die fünf größten Probleme der Branche. Von Efthymis Angeloudis
Nach jahrelangem Boom steckt die Baubranche in einer tiefen Krise - auch in Berlin und Brandenburg. Nach und nach zeichnet sich eine Pleitewelle bei Immobilienunternehmen ab und mit ihr der Verlust von tausenden Jobs [tagesschau.de]. Was hat dazu geführt und welche Hürden muss die Baubranche überwinden?
1. Bürokratie
Eine Umfrage der Fachgemeinschaft Bau unter Bauunternehmen in Berlin und Brandenburg vom November 2023 zeigt, dass die Branche vor allem mit der überbordenden Bürokratie zu kämpfen hat.
Für eine Baugenehmigung in Berlin melden Wohnungsbaugenossenschaften eine Wartezeit von acht Monaten. "Dazu kommt dann die sogenannte Genehmigung nach Straßenrecht, um einen Bauzaun auf dem Fußweg aufzustellen", sagt Thomas Herrschelmann von der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V. dem rbb. Da gäbe es überhaupt keine Fristen bei den Genehmigung. "Das heißt, die Behörden können diese abarbeiten, wie sie gerade Zeit haben oder Personalkapazitäten. Und das führt natürlich dazu, dass wir in Berlin, aber auch in Brandenburg inzwischen Wartezeiten von bis zu einem Jahr haben."
Auch der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) benennt die Bürokratie als zentrales Problem der Baubranche. "Die Bürokratiemonster lähmen die Wirtschaft enorm“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des ZDB gegenüber rbb|24. Darunter würden auch Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer tagtäglich leiden. "Von der Tachographenpflicht über diverse Dokumentations- und Informationspflichten bis hin zu 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen - es muss hier endlich entrümpelt und harmonisiert werden", so Pakleppa.
2. Fachkräftemangel
Das zweite Problem, das die Bauwirtschaft beschäftigt, ist der Fachkräftemangel. Rund 300.000 Fachkräfte fehlen im Baugewerbe in Deutschland – das schätzt die IG Bau. Durch den Einbruch im Wohnungsbau rechnet der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) erstmals seit vielen Jahren für 2024 auch mit dem Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen. "Wir haben in den letzten 10 Jahren über 200.000 Beschäftigte neu an Bord. Die gilt es in der Tat mindestens zu halten. Das wird bei einem nachhaltigen Rückgang der Baugenehmigungen im Wohnungsbau, die auch zu niedrigeren Umsätzen führen, schwierig werden", sagt Felix Pakleppa gegenüber rbb24.
Die Entlassungen werden sich nach Einschätzung der Fachgemeinschaft Bau ab Mitte des Jahres häufen."Und natürlich werden diese Menschen auch keinen neuen Arbeitgeber finden, weil im Zweifel natürlich dann auch viele Firmen die Tore schließen werden", bekräftigt Thomas Herrschelmann. Darüber hinaus hat der Bausektor, wie alle anderen Branchen auch, ein demografisches Problem. Ein Drittel der Beschäftigten in Bauunternehmen in Berlin und Brandenburg ist 55 Jahre und älter. "In der Baubranche beginnt man da, schon über den Ruhestand nachzudenken."
3. Stornierte Aufträge - Geringe Neuaufträge
Die Auftragslage im deutschen Wohnungsbau verschlechtert sich seit Monaten. Im Dezember 2023 klagten laut einer Umfrage des Ifo-Instituts [ifo.de] mehr Firmen als in den Vormonaten über Auftragsstornierungen: Knapp jeder Vierte (22,1 Prozent) meldete jetzt gestrichene Projekte, im November 2023 waren es noch 21,5 Prozent. Mit niedrigen Beständen in den Auftragsbüchern hat mehr als die Hälfte (56,9 Prozent) der Wohnungsbauunternehmen zu kämpfen.
Der reale Auftragseingang im Bauhauptgewerbe ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im November 2023 gegenüber Oktober 2023 kalender- und saisonbereinigt um 7,4 Prozent gesunken. Die Auftragsrückgänge sind aber laut Herrschelmann nicht erst im letzten Quartal gekommen. "Die zurückgehenden Aufträge sind jetzt schon zwei Jahre rückläufig. Wenn man sich die Zahlen des Statistischen Landesamtes mal anguckt, sind es im Hochbau preisbereinigt zwischen 40 und 50 Prozent und das über zwei Jahre, dann ist das eine ganze Menge."
4. Schlechte Finanzierungsbedingungen
Im Kampf gegen die Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen auf das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion angehoben. Der Leitzins liegt aktuell bei 4,5 Prozent. An den Finanzmärkten wird jetzt im Frühsommer die Zinswende erwartet, dann sollte der Leitzins wieder sinken. Die Bauzinsen haben die erwartete Entwicklung vorweggenommen und liegen mit 3,4 Prozent relativ tief. Wer jetzt eine Immobilienfinanzierung abschließt, zahlt mittlerweile deutlich weniger als noch vor einigen Monaten.
Dennoch reicht Zinsniveau von 3,4 Prozent allein nicht für einen Push für den Wohnungsbau, sagt Pakleppa dem rbb. "Die Erwartung niedrigerer Zinsen kann zu etwas Entspannung führen. Einstweilen führt sie erstmal zu Attentismus." Und diese abwartende Haltung werde die Nachfrage nach Baugenehmigungen zunächst weiter dämpfen.
Und auch bei diesem Niveau sind die Zinsen laut der Fachgemeinschaft Bau nach wie vor ein Thema für die Bauherren. "Weil auch die ganzen anderen Kosten so hoch sind, dass sich der Hausbau und vor allen Dingen der Mietshausbau zu bezahlbaren Mietkonditionen im Moment überhaupt nicht lohnt", sagt Thomas Herrschelmann.
5. Steigende Baukosten
Mit anderen Kosten beschreibt Herrschelmann die gestiegenen Baukosten, die der Bauwirtschaft enorm zusetzen. Der Preisanstieg im Wohnungsbau hat sich zum Ende des vergangenen Jahres zwar etwas abgeschwächt, doch Bauen verteuert sich immer noch stark. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, stiegen die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude im November 2023 um 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Der Preisanstieg hängt vor allem mit dem Ukrainekrieg zusammen. Seitdem Russland im Februar 2022 in die Ukraine eingefallen ist, ergaben sich Rohstoffknappheiten. Viele Vorprodukte für die Bauwirtschaft kämen eben auch aus der Ukraine, sagt Herrschelmann dem rbb. "Nehmen wir nur mal den Baustahl, der in den Stahlwerken in Mariupol gefertigt worden ist. Oder Fliesen. Wir haben eine Zeitlang 2022 Probleme gehabt, italienische oder spanische Fliesen zu bekommen, weil sie mit Ton aus ukrainischen Tongruben gekommen sind und dann in Italien und Spanien erst zu Fliesen verarbeitet wurden."
Preise für Rohstoffe und Baumaterialen, besonders Stahl, haben sich fast verdoppelt. Und diese Preissteigerungen hätten zu weiteren Unsicherheiten geführt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 08.02.2024, 19:30 Uhr