Nach Brandanschlag auf Strommast - Wirtschaft sieht mehr Schaden für den Standort als für Tesla

Do 07.03.24 | 16:49 Uhr | Von Efthymis Angeloudis
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Archivbild:Im Werk der Tesla Gigafactory Berlin Brandenburg stehen in einem Lager Seitenteile aus Aluminium für die Karosserie des Elektrofahrzeuges am 22.03.2022.(Quelle:picture alliance/dpa/P.Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.03.2024 | O-Ton: Joachim Ragnitz | Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul

Nach dem Anschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks spricht die Werksleitung von einem erheblichen finanziellen Schaden. Wirtschaftsvertreter beklagen vor allem eine ablehnende Stimmung gegenüber dem Autobauer in der Region. Von Efthymis Angeloudis

In Teslas Gigafactory in Grünheide stehen die Produktionsbänder still. Nach dem Anschlag auf einen Strommast bleibt die Produktion beim US-Elektroautobauer Tesla in Grünheide (Oder-Spree) bei Berlin bis voraussichtlich Ende nächster Woche unterbrochen. "Das bedeutet für uns einen wirtschaftlichen Schaden im hohen neunstelligen Bereich", sagte Werksleiter André Thierig.

Diese Schätzung bezog sich auf einen möglichen Wiederanlauf der Fertigung am kommenden Montag. Nun käme eine weitere Woche Stillstand dazu. Mit dem erzwungenen längeren Produktionsstopp dürfte demnach auch der Schaden für Tesla steigen.

Dudenhöffer: Folgen des Brandes eher gering

Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer schätzt die Kosten des Produktionsstopps deutlich geringer ein. "900 Millionen oder gar eine Milliarde Euro sind sehr hoch gegriffen", sagte der Direktor des Center for Automotive Research in Bochum dem rbb.

Als Grund für die seiner Meinung nach niedrigeren Schadenssumme nennt Dudenhöffer die rückläufige Nachfrage nach Elektroautos und natürlich nach Teslas."Man braucht gar nicht seine ganzen Kapazitäten. Es wird ohnehin weniger produziert." Tesla verkaufe im Vergleich zum Vorjahresmonat derzeit 20 Prozent weniger Autos in Deutschland. Bei einer Tagesproduktion von etwas mehr als 1.000 Fahrzeugen und dem eigenen Wertschöpfungsanteil von Tesla, veranschlagt Dudenhöffer wegen des Stillstands eine Schadenssumme zwischen 15 und 20 Millionen Euro pro Tag. "Das sind eher hundert bis zweihundert Millionen Euro", sagte der Autoexperte rbb24.

Derzeit ist Tesla vor allem wegen sinkender Verkaufszahlen in China im Gespräch. Die Tesla-Aktie rutschte seit Anfang der Woche um mehr als 14 Prozent ab. Der Brand spielte dabei laut Dudenhöffer keine wesentliche Rolle. "Tesla könnte viel mehr produzieren, wenn es die Käufer hätte." Mit dem Wegfall der Subventionen sei ein Elektroauto viel zu teuer für die Kunden. "Die Politik zerstört bei uns das Elektroauto", so Dudenhöffer. Die Folgen des Brandes seien im Vergleich eher gering einzuschätzen.

DIHK sieht Industriestandort in Gefahr

Was aber aus Dudenhöffers Sicht Schaden nehmen könnte, ist der Industriestandort Berlin-Brandenburg. Die Region habe mit der Ansiedlung von Tesla einen großen Sprung nach vorn gemacht, sagte Dudenhöffer. "Was dann alles an Einsprüchen, an Beschwerden, an Protesten gekommen ist - und jetzt nochmal mit dieser Sache - ist sehr, sehr schädlich für Berlin-Brandenburg." Der Fall erzeuge eine öffentliche Stimmung, die auch zu deutlicher Zurückhaltung bei Investoren führen könne, sagte der Autoexperte.

Auch Tesla-Werksleiter André Thierig zeigte sich besorgt. Er sehe mit Blick auf den Anschlag eine "sehr kritische Grundstimmung, die vielleicht auch solches Verhalten ein Stück weit schürt". Thierig spielt damit auf eine kritische Haltung in der Bevölkerung rund um das Werk an. Bei einer Bürgerbefragung in Grünheide lehnten rund zwei Drittel die von Tesla geplante Erweiterung des Werks um einen Güterbahnhof und ein Lager auf einem angrenzenden Gelände ab. Dort sollen mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden. Umweltschützer und Tesla-Kritiker hatten in Reaktion auf diese Ankündigung in der Nähe des Werks im Wald ein Protestcamp aufgeschlagen und Baumhäuser errichtet.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostbrandenburg teilt die Sorgen des Werksleiters. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Ostbrandenburg, Michael Völker, sagte rbb24 Brandenburg aktuell, es sei nicht nur ein Kratzer, sondern eine tiefe Wunde im Image des Landes entstanden. Der Schaden sowohl für die Wirtschaft als auch für die Gesellschaft könne hier groß sein.

DIW: Politik muss für mehr Akzeptanz und Sicherheit sorgen

Die Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburg (WFBB) nimmt dagegen bei laufenden Investorengesprächen nach eigenen Angaben keine Signale wahr, dass das Image des Standorts Brandenburg Schaden genommen hätte. Der Ausbau der Wertschöpfungskette setze sich fort, sagte ein Sprecher der WFBB rbb|24: "Hier sehen wir keinen Abbruch."

Auch der Forschungsdirektor Industriepolitik für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Martin Gornig hällt sich mit den Hiobsbotschaften für den Industriestandort Berlin-Brandenburg zurück. "Die Verwurzelung als Industrieland und das hohe Sicherheitsniveau werden traditionell als großes Plus des Wirtschaftsstandorts Deutschland verstanden. Der jetzige Anschlag wie auch die bisherigen Bürgerproteste in Ostbrandenburg werden insgesamt gesehen vermutlich wenig daran ändern."

Solle dieser Weg aber weitergeführt werden, müssen Unternehmen, Staat und Bürger an einem Strang ziehen und gemeinsam für mehr Akzeptanz und Sicherheit sorgen, so Gornig. "Das zu erreichen, wird eine wesentliche Aufgabe der Politik der nächsten Monate sein."

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.03.2024, 10:22 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis

89 Kommentare

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  1. 89.

    Und wieviel Autotransporter brauchen Sie um 300 PKW statt auf der Bahn auf der Straße zu transportieren?
    Soviele LKW inkl. Fahrer gibt es nun auch nicht.
    Einfach mal Denken.

  2. 88.

    Die Politiker haben gegen die (Wasser)Expertenwarnungen, einen ungeeigneten Standort, wieder besseren Wissens, festgelegt.
    Man muss sich das einmal vorstellen. Wie schön das wäre. Wie eine ganze Region sich entwickeln könnte. Nun gibt es Probleme, die deshalb nie aufhören... wie schade.

  3. 87.

    Ja klar - Wer Windkraftanlagen will, soll diese auch bei sich vor die Haustüre bauen - also ab damit ins Berliner Stadtzentrum

  4. 86.

    Die Brandenburger Politik will doch gar keine Tesla-Fabrik im Berliner Umland.
    Der Brandenburger Politik, ist doch nur der Lausitzer Strukturwandel wichtig - denn da fließen Bundes- und EU Mittel in Milliardenhöhe nach Brandenburg.
    Nur wo Subventionen fließen, dort hat die Brandenburger Politik, ein Interesse.

  5. 85.

    Könnte man ja fast als Super-Idee bezeichnen, wie z.B. Tesla auf's Tempelhofer Feld und Windkraftanlagen in den Görlitzer Park.
    Oder wie möchten Sie Ihre Vorstellungen realisieren?

  6. 84.

    Die Industrie in den größeren Brandenburger Städten/Kreisfreien Städten, hat man doch kaputt gemacht und dadurch ist die Bevölkerung abgewandert und die Kaufkraft verloren gegangen.

  7. 83.

    Industrie und Gewerbe in die größeren Städte. Der ländliche Raum sollte argrarischer Produktion vorbehalten bleibe und auch von Windkraft/ und Photovoltaikanlagen frei bleiben.

  8. 82.

    Also bedanken muss sich niemand bei Tesla. Es handelt sich nicht um eine Wohltätigkeitsorganisation sondern um ein auf Profitmaximierung ausgerichtetes Unternehmen. Die Ansiedlung in Grünheide erfolgte nicht aus Großzügigkeit sondern aus strategischen Erwägungen.

  9. 81.

    Auch sie sollten mal die Inhalte zur Kenntnis nehmen oder sich wenigstens etwas informieren. Ihr Problem und @Josti's ist es uns zu unterstellen, wir wären grundsätzlich gegen Tesla, BER etc.. um dann solchen M..st zu schreiben.
    Es gab zum BER ein Gutachten, das sieben Standorte nach den wichtigsten Kriterien bewertete und Schönefeld dabei bekanntermaßen am schlechtesten abschnitt (Dornierstudie).
    Und gleiche "Intelligenz" waltete offenbar auch bei der Standortwahl der Gigafab.

  10. 80.

    Das kann ich gut verstehen. Die Menschen in Grünheide und Umgebung werden Ihnen begeistert zuwinken, wenn Sie vorbeidonnern! :-)

  11. 79.

    Auf den Transparenten und Plakaten gegen Tesla, könnte einfach auch stehen :
    Die Grenzregion ist satt und braucht keine Förderungen und Industrie-Arbeitsplätze mehr.

  12. 78.

    Nicht der Standort BER und auch nicht der Standort Tesla sind die Falschen Standorte : es liegt vielmehr an den, satten egoistischen Menschen, die mit Subventionen, Strukturhilfen und Fördergeldern zu Tode gefüttert werden.
    Der Brandenburger Südosten wird mit Milliarden satt gefüttert und braucht natürlich Nichts mehr.
    Und geht dort etwas pleite, wird gejammert und der Brandenburger Wirtschaftsminister und MP Woidke stehen mit weiteren Milliarden in den Startlöchern.

  13. 77.

    Ja der BER ist tatsächlich auch ein gutes Beispiel für eine "geeignete Diebgensche" Standortwahl und ein weiteres Thema für sich, genauso wie die zugehörige Flugkorridor nebst Zeitfenster. Wobei es hier sogar ein Rating zwischen verschiedenen Standorten gab und Schönefeld auf den letzten Platz landete.

  14. 76.

    Auf versiegelten Flächen "blühen" Steuereinnahmen und Arbeitsplätze für tausende Menschen.
    Von "richtig" blühenden Landschaften - im eigentlichen Sinne - wie Naturschutzgebieten können wir nicht leben.
    Es muss beides geben!

    Danke @Josti für Ihre Kommentare!

  15. 75.

    Es ist gut, wenn die Autos weiterhin per Autotransporter statt per Bahn transportiert werden - so haben die Autospediteure weiterhin gute Arbeit.
    Ich bin selbst Lkw Fahrer und will meinen Job behalten.
    Autotransporte statt Güterbahnhof !!!

  16. 74.

    Was aus der Region wird ist mir eben nicht egal, weil ich die Deindustrialisierung in den 90ern hautnah miterlebt habe. Tesla ist eine Riesenchance aus diesem Transfer- und Subventionskreis rauszukommen.

    Jeder ist für seine Entscheidungen verantwortlich! Wenn es für Grünheide einen gültigen B-Plan für Autofertigung seit über 20 Jahren gibt, dann wird sich auch irgendwann dort Industrie ansiedeln. Ebenso ist seit 20 Jahren bekannt, dass die Einflugschneise des BER über Erkner - Grünheide geht.
    Ich bin von Fürstenwalde nach Berlin reingezogen.

  17. 73.

    Fazit : die Region an der polnischen Grenze wird mit Milliarden Subventionen/Fördermittel überschüttet und weiter überschüttet und NIEMAND braucht daher Tesla.
    Auf Tesla Arbeitsplätze und andere Industrie Arbeitsplätze in Ostbrandenburg ist gesch..... !!!!!

  18. 72.

    Tesla muss das nicht tun! Tesla hat hier Milliarden investiert und muss die Produktion hochfahren um sich hier am Markt zu etablieren. Nur besonders naive Menschen glauben, das EM jetzt hier einpacken wird.

    Grünheide kann ja auf den Personen- und auf den Güterbahnhof verzichten. Dann werden in Zukunft ca. 20.000 MA täglich individuell mit dem PKW anreisen und 1 Mio PKW + Rohstoffe werden per LKW an- und abgeliefert.

  19. 71.

    Ja - Niemand braucht doch Unternehmertum und Arbeitsplätze entlang der polnischen Grenze, wenn doch Subventionen seit Jahrzehnten fließen und fließen.

  20. 70.

    Ein guter Arbeitsplatz, ist nur ein staatlich geförderter Arbeitsplatz - siehe Milliarden Euro für Cottbus/Lausitz und dafür nur wenige tausend neue Arbeitsplätze.
    Am BER genauso - Zig Milliarden für wenige tausend neue Arbeitsplätze.
    Wer braucht schon Tesla, wenn es Milliarden Subventionen für unsere Region entlang der Grenze gibt.
    Niemand braucht Tesla - Wir leben doch sehr gut, von Milliarden Förderungen und Subventionen der anderen Regionen - Tesla kann Nach Hause gehen und die Milliarden, fließen trotzdem weiter immer entlang der polnischen Grenze von Prenzlau/Schwedt bis Cottbus/Senftenberg.

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