Kommentar | Pergamonmuseum wird saniert - Störfaktor Museumsgast

Während der Sanierung wird ein Teil des Pergamonmuseums geöffnet bleiben, sagten die Verantwortlichen vor Baubeginn. Dieses Versprechen wurde nun kassiert, der Termin für die Fertigstellung auch. Liegt es am Störfaktor Museumsgast? Von Maria Ossowski
Die Schlange war noch länger als sonst. Hunderte Menschen warteten geduldig, um im Sommer 2014 ein letztes Mal den Pergamonaltar zu bewundern. Mitten drin stand eine sehr alte Dame aus dem Berliner Osten, die seit Jahrzehnten ein Mal pro Monat ihren Pergamonaltar besuchte. Sie wirkte traurig. 95 sei sie, und 2018 oder 2021, wenn dieses Wunderwerk wieder zu sehen sein soll, erlebe sie wohl nicht mehr.
Angesichts der jetzt verkündeten Verschiebung wäre ein Besuch der alten Dame bei der Wiedereröffnung ein medizinisches Wunder.
Ein Teilbereich sollte eigentlich immer geöffnet bleiben
Erst 2027, viel später als geplant, soll der Altar aus dem 2. Jahrhundert vor Christus wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Und weitere zehn Jahre später, 2037, dürfen wir endlich alles im neuen Glanze feiern; das gesamte Museum mit der Prozessionsstrasse vor dem Ishtartor, mit dem Markttor von Milet und den anderen unschätzbaren Kunstwerken, die ab Oktober hinter Baustellengittern verschwinden werden. Seit 2013 wird das Pergamonmuseum, der berühmteste Teil des Unesco-Weltkulturerbes Museumsinsel, grundsaniert.
Eigentlich sollte immer ein Teil geöffnet bleiben fürs Publikum. Das lange Zeit bestbesuchte Museum Deutschlands, das selbst während der Teilschließung noch über 800.000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr hatte, wird jetzt also komplett dicht gemacht.
Ja, es ist marode. Die Kriegsschäden wurden nur notdürftig repariert, das Haus schludrig renoviert, der Untergrund der Museumsinsel und die feuchte und bröckelnde Bausubstanz sind für die monumentalen Kunstwerke eine Gefahr. Sie können nicht einfach abgebaut und ausgelagert werden. Neue Gebäudeteile werden die Ausstellungsfläche des Hauses vergrößern.
All das jedoch war immer bekannt. Weshalb wird das Publikum jetzt plötzlich zum Störfaktor?
Kein Trost per 3D-Projektion
Warum ist Bauteil A mit dem Pergamonaltar insgesamt 13 Jahre gesperrt? Und 14 Jahre gar das Ishtartor, das Markttor von Milet, das vorderasiatische Museum? Ist es eine naive Forderung, wenigstens hin und wieder für einige Wochen dieses Weltwunder zugänglich zu machen?
Digitale 3-D-Projektionen, auf Reisen gehende kleinere Kunstwerke oder ein Babylonpanorama sind wahrlich kein Ersatz. Würde die Renovierung nicht auch glücken, wenn sie etwas weniger aufwändig und teuer geplant worden wäre? Nein, sie sei alternativlos, so die Referatsleiterin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung.
Ich finde das mitleidlos gegenüber all den Berlinbesuchern und den Museumsfans weltweit. Eine "zweite Meinung" hätte ich da gerne mal gehört.
Ein kleiner Trost: das Pergamonmuseum wird komplett barrierefrei wiedereröffnet. In 14 Jahren… oder, beim deutschen Bautempo, wahrscheinlich noch später. Dann dürfen wir den Pergamonaltar und das Ishtartor also immerhin mit Rollator bestaunen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 27.03.2023, 19:30 Uhr