Medienexperte Jörg Wagner - "Stärkste Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks"

Mo 08.08.22 | 13:13 Uhr
Fernsehzentrum und Haus des Rundfunks Fernsehzentrum (FSZ) und das Haus des Rundfunks (HdR) des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) in Berlin. (Quelle: rbb/Gundula Krause)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.08.2022 | Jörg Wagner | Bild: rbb/Gundula Krause

Am Tag nach dem Rücktritt der rbb-Intendantin spricht der rbb-Medienexperte Jörg Wagner von der "stärksten Krise" der ARD. Vier wesentliche Fehler von Patricia Schlesinger sieht Wagner.

Der rbb-Medienexperte Jörg Wagner hat den Rücktritt Patricia Schlesingers von ihrem Amt als Intendantin des rbb als "unausweichlich" bezeichnet. Der Druck sei gerade am Wochenende durch neue Enthüllungen "enorm gewachsen", wie er am Montagmorgen im rbb24 Inforadio sagte. Die Berichte über die angeblichen Kosten in Höhe von mehr als 600.000 Euro für den Umbau der Intendantin-Etage hätten den Rücktritt letztlich "unausweichlich" gemacht.

Wagner attestiert Schlesinger "völlig falschen Ursachenbefund"

Schlesinger hat nach Aussage von Wagner vier wesentliche Fehler begangen: "Sie hat über eine lange Zeit Berufliches und Privates nicht genug getrennt. Sie hat einen sehr kostenintensiven Arbeitsstil gepflegt - während Programmmittel gestrichen wurden, schien die Kreditkarte der Intendanz kein Limit zu kennen. Sie hat die Volksvertreter brüskiert, indem sie die Einladung des Brandenburger Hauptausschusses ausgeschlagen hat. Und es gab eine mangelnde Krisenkommunikation mit einem völlig falschem Ursachenbefund, nämlich eine vermutete Medienkampagne aus dem Hause Springer", so der rbb-Medienexperte, der den Fall von Beginn an intensiv begleitete.

Inwiefern auch die rbb-Aufsicht versagt habe, müsse nun die beauftragte Kanzlei bis Oktober klären, so Wagner.

"Stärkste Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks"

Den Schlesinger-Rücktritt bezeichnete Wagner als "die stärkste Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ich beobachte die ARD von innen seit 30 Jahren, es gab immer mal wieder Skandale. Der MDR hatte Geld verzockt und Aufträge nicht richtig vergeben, der NDR auch. Es gab Schleichwerbeskandale bei der ARD-Serie 'Marienhof' oder bei 'Wetten dass?'. Aber das hier kann auf lange Zeit die Akzeptanz für einen beitragsfinanzierten Rundfunk extrem senken", meint der rbb-Medienexperte.

Nun müsse der Rundfunkrat in seiner Sondersitzung am Montagnachmittag die nächsten Weichen stellen. Auf der Agenda stehe eine Intendanz-Findungskommission, danach würde eine Bewerbung rausgeschickt, unter anderem an Printmedien. "Ganz normale Menschen können sich bewerben. Die Kommission wird realistische Bewerbungen sichten, dann wird neu gewählt werden müssen", erklärt Wagner.

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