Razzia in mehreren Bundesländern - Stübgen betont bei "Letzter Generation" Verdacht auf kriminelle Vereinigung

Mi 14.12.22 | 18:07 Uhr
  27
Aktivisten der Klimaschutz-Initiative „Letzte Generation“ (Quelle: dpa/Matthias Balk)
Audio: Antenne Brandenburg | 14.12.2022 | Po Keung Cheung | Bild: dpa/Matthias Balk

Der Brandenburger Innenminister Stübgen hat betont, dass gegen die Gruppe "Letzte Generation" der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung besteht. Zuvor war die Staatsanwaltschaft Neuruppin mit einer Razzia gegen elf Aktivisten vorgegangen.

Der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) hat betont, dass gegen die Aktivisten-Gruppe "Letzte Generation" der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung bestehe.

Zu dieser Einschätzung seien das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft unabhängig voneinander im Zuge der Ermittlungen wegen der Angriffe auf die Ölpipeline der PCK Schwedt gekommen, sagte Stübgen rbb24 Brandenburg aktuell. Zudem habe ein Gericht dies bestätigt.

"Wer Recht und Gesetz vorsätzlich bricht, wird bestraft"

Zudem verwies der Innenminister auf den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung: "Vor dem Gesetz ist jeder gleich. Es gibt kein höheres Ziel, wie auch immer und wer das definieren will, was berechtigt, Straftaten zu begehen." Das gelte für Extremisten am rechten Rand genauso, wie vorige Woche die Durchsuchungen gezeigt hätten. Das gelte aber auch für diejenigen, die für den Klimaschutz oder für ein Neun-Euro-Ticket das Gesetz brechen. "Wer Recht und Gesetz vorsätzlich bricht, wird verfolgt und wird auch bestraft."

Weiter sagte Stübgen, Deutschland habe eines der liberalsten Versammlungs- und Demonstrationsrechte der Welt. Jeder dürfe für seine Meinung durch Demonstrationen eine öffentliche Wahrnehmung erzeugen, wie es auch z.B. Fridays for Future tue. "Es gibt aber keinen Grund und keine Berechtigung, Straftaten zu begehen."

Staatsanwaltschaft sieht konkrete Hinweise

Zuvor teilte auf die auch die Staatsanwaltschaft Neuruppin am Mittwoch mit, dass es konkrete Hinweise darauf gebe, dass es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handelt. Es besteht demnach der Verdacht, dass "der Zweck der Gruppierung zumindest auch auf die Begehung von Straftaten hinreichenden Gewichts ausgerichtet ist".

Die Staatsanwaltschaft sieht darüber hinaus eine auf längere Zeit ausgerichtete Tätigkeit der Gruppierung, "die von einer klaren Rollenverteilung und einer kontinuierlichen Struktur geprägt ist". Zudem wird den Aktivisten die "Störung öffentlicher Betriebe" vorgeworfen.

Angriffe auf PCK Schwedt

Hintergrund der am Dienstag durchgeführten Razzien sind laut Staatsanwaltschaft Angriffe auf die PCK-Raffinerie in Schwedt (Uckermark). Dabei wurde unter anderem die Ölzufuhr unterbrochen.

Es seien umfangreich schriftliche Unterlagen und elektronische Datenträger beschlagnahmt worden. Diese sollen nun ausgewertet werden. Weitere Angaben zum Stand des Verfahrens machte die Behörde nicht.

Künast: "Die Leute wollen den Staat nicht abschaffen"

Die Berliner Bundestagsabgeordnete und Rechtsexpertin Renate Künast (Grüne) hält die Razzien der Staatsanwaltschaft gegen die "Letzte Generation" für "keinen glücklichen Weg". Denn, "die Leute wollen hier nicht den Staat abschaffen und ähnliches", sagte sie am Mittwoch im rbb24 Inforadio.

Sie äußerte darüber hinaus Zweifel, dass die Klimaschutz-Gruppe "Letzte Generation" tatsächlich als kriminelle Vereinigung eingestuft wird. Bei einer kriminellen Vereinigung seien ihr Zweck oder ihre Tätigkeit darauf ausgerichtet, Straftaten zu begehen, erklärte die Juristin. Dagegen wolle die "Letzte Generation" nach eigenen Angaben Aufmerksamkeit erregen und die Politik zu mehr Klimaschutz bewegen. "Da darf man erhebliche Zweifel haben, dass am Ende dieser Verdachtsprüfung rauskommt", dass es eine kriminelle Vereinigung wäre.

Die Politikerin bekräftigte zugleich ihre Kritik an den Aktionen der Gruppe, weil mehr über die Form des Protests als über die Ziele diskutiert werde. Das werde durch die Ermittlungen noch verstärkt: "Die Aktiven selber müssen sich auch fragen: Was bringt das jetzt eigentlich noch? Jetzt reden wir schon wieder darüber."

Durchsuchungen in sieben Bundesländern

Am Dienstag waren in den Morgenstunden in sieben Bundesländern Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Neuruppin vollstreckt worden, die sich gegen elf Unterstützer der Gruppierung richteten. Es sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft umfangreich schriftliche Unterlagen und elektronische Datenträger beschlagnahmt worden.

Die "Letzte Generation" sprach in einem Tweet von einem "Einschüchterungsversuch". "Wir stehen mit Gesicht und Namen für das, was wir tun - wenn der Wunsch nach Informationen besteht, braucht es keine Hausdurchsuchung", erklärte die Gruppe darin.

Die Gruppierung blockierte in den vergangenen Monaten auch immer wieder Straßen im Berliner Stadtgebiet - so auch am Mittwochmorgen. Betroffen waren drei Kreuzungen in Steglitz, Westend und Wilmersdorf. Auch das Brandenburger Tor bestiegen sie bereits.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.12.2022, 9 Uhr


Die Kommentarfunktion wurde am 14.12.2022 um 13:44 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

27 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 27.

    Eins ist sicher: Niemand kann Regen herbeizaubern. Der Verweis auf "ausgetrocknete Flüsse" rechtfertigt also genau gar nichts.

  2. 26.

    Gewalt beginnt dort, wo Menschen mit Zwang ihren Willen anderen aufzwingen wollen.
    Und durch das Blockieren und Festkleben ZWINGEN die Klimaterroristen andere Bürger zum Anhalten und zum Unterbrechen ihres freien Weges.

    Diese Art der Klima-"Proteste" ist also mitnichten "gewaltfrei" !!

  3. 24.

    Wenn man die Erderwärmung verlangsamen will, muss man die richtigen Hebel setzen. Z.B. die Mitarbeit bei Zementersatz oder die Zementherstellung anders machen. Es gibt viel zu tun.... für Leute die wollen. Oder man arbeitet mit, an der Kernfusion usw. Oder kümmert sich um die praktische Umsetzung des Forschungspreises des Bundespräsidenten.

    „man braucht nicht eine Maßnahme sondern viele Einzelne“ - Versuchen Sie mal aus einem Ozean ein Süßwassersee zumachen, durch die Entnahme von einzelnen vielen Salzkörnchen. Also, das Richtige ist es, nicht Symbole für die eigene Moral.

    P.S. T.limit führt zu sehr geringen Einsparungen bedingt, wenn man weiß, dass die Unfallzahlen ab 120 stark ansteigen. Sehr traurig für die Opfer. Ob Sie an diese Opfer denken?

  4. 23.

    Nun schauen Sie doch nur auf die Energie- und Lebensmittelpreise, die alleine in diesem Jahr extrem angezogen sind und nicht nur auf das Feigenblatt eines nichtfinanzierbaren 9€-Tickets!
    Fragen Sie nie danach wie so etwas finanziert werden soll? Ach ja der Staat ist die Nanny die alle umsorgt. Da gab es schon einmal so einen Staat auf deutschem Boden der auf Grund solchen Gaben untergegangen ist weil er sie nicht mehr finanzieren konnte. Geschichte bitte ernst nehmen!

  5. 22.

    Mal angenommen, es stellt sich schlussendlich heraus, die sog. "Letzte Generation" ist keine kriminelle Vereinigung. Ist das, was die Staatsanwaltschaft hier durchführt, dann üble Nachrede o.ä., da rufschädigend?

  6. 21.

    Nötigung, Sachbeschädigung und die Angriffe auf die Pipeline sind keine Gewalt? Äußerst merkwürdige Begriffsdefinition! Gewalt im strafrechtlichen Sinne setzt nicht immer direkte körperliche Gewalt durch die Täter voraus. Lassen Sie sich da einmal von einem Strafverteidiger oder Richter aufklären ehe Sie hier so ein Humbug erzählen!
    Im übrigen ich bin Jurist!

  7. 19.

    Das war ja mal wieder klar, wer im ölabhängigen Autoland Deutschland "kriminell" ist ;)

  8. 18.

    Ich bin ja auch davon überzeugt, das die meisten Menschen (in der westlichen Welt) die im letzten und diesen Jahrtausend gezeugt wurden, nur um für eine gesunde Welt zu sorgen.
    Ihre Existenz stand sicher auch unter diesen wohlwollenden Zeichen.

  9. 17.

    Einspruch euer Ehren:
    (3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,
    ...
    2. wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist
    ...
    Auch wenn ich den Weg der Gruppierung für einen Totalausfall halte, treffen die sich nicht um Straftaten zu begehen. Diese sind eine Folge einer nicht strafbaren Handlung - einer Demo.

  10. 16.

    Los Leute!
    Ordentlich über diese Thema aufregen, dann kommt das Blut in Wallung und man spürt nicht mehr so die Kälte durch die Reduzierung der Heizung in der Wohnung.

  11. 14.

    Gewalt setzen die Demonstranten nicht ein. Die kommt eher von aufgebrachten Autofahrer*innen.

  12. 13.

    Vielleicht immer noch nicht verstanden, es geht nicht um den Protest sondern um das wie!!!! Es gibt dafür keine Akzeptanz, wer gegen Gestze verstößt wird halt bestraft. Warum man das macht ist zweitrangig.

  13. 11.

    Ein aberwitziges Konstrukt der Staatsanwaltschaft Neuruppin finde ich: Dahinter steckt mehr der Wunsch eine wichtige Bewegung zur Rettung des Planeten zu kriminalisieren. Denn das die Erde dem Abgrund entgegensteuert ist Wahrheit. Und das politisch viel zu wenig gemacht wird auch. Dabei sitzen die Grünen nun schon mit in der Regierung. Aber die wollen lieber Panzer an die Front schicken. Es bleiben nur solche Aktionen um klarzumachen, dass sich wirklich etwas ändern muss.

  14. 10.

    Stimmt, Sie sind wirklich „Zwischen den Welten“ eingeklemmt, sich zu informieren und selbst aktiv etwas zu unternehmen erscheint mir wichtiger, als die Schuld immer jemand anderem in die Schuhe zu schieben.

  15. 9.

    Die Aussage ist symbolisch gemeint. Zudem sorgt ein Tempolimit für Einsparungen. Eine Info noch für die Klimamaßnahmenverweigerer, man braucht nicht eine Maßnahme sondern viele Einzelne.
    Wissen sie denn vorauf es ankommt?

  16. 8.

    "der Zweck der Gruppierung zumindest auch auf die Begehung von Straftaten hinreichenden Gewichts ausgerichtet ist".

    Zweck? Sind die Straftaten nicht das Mittel? Und ich kann kein Juristen-Sprech, aber die Straftaten - Nötigung, Sachbeschädigung usw. - haben für mich kein "hinreichenden Gewicht". Da verstehe ich was anderes.

    Frau Künast hat mit ihrer Kritik natürlich recht - es wird über den Protest, aber nicht über die Ziele gesprochen. Anderseits würde man genauso wenig über die Ziele sprechen, wenn die Klimaaktivisten klassische Demos als Protestform wählen wurden. Ein Teufelskreis....

Nächster Artikel