Schäden durch Hochhausbau in Berlin - Zement-Einspritzung soll U2-Tunnel am Alex retten

So 05.02.23 | 17:02 Uhr | Von Sebastian Schöbel und Boris Hermel
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Baustelle am Alexanderplatz (Quelle: rbb)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.02.2023 | Sebastian Schöbel | Bild: rbb

Die Bauarbeiten am Covivio-Tower haben den Tunnel der U2 unter dem Alexanderplatz beschädigt. Ein spezielles Verfahren soll nun den Tunnel absichern: Gebraucht werden Zement, Stahl und sehr, sehr lange Spritzen. Von Sebastian Schöbel und Boris Hermel

Oben Hochhäuser, unten die U-Bahn: Im Masterplan für den Berliner Alexanderplatz von Star-Architekt Hans Kollhoff gehörten beide Welten untrennbar zusammen. In der Mitte des "Alex" hatte Kollhoff sogar extra eine große, runde Glaslinse geplant: Man sollte von oben hinab in den U-Bahnhof blicken können, wie ein Schaufenster in die rastlose Berliner Unterwelt. Dass ausgerechnet die von Kollhoff erdachten Hochhäuser am Alex einmal genau diese U-Bahn-Tunnel gefährden würden, hatte 1993 aber mutmaßlich niemand erwartet.

Es geht um wenige Zentimeter

Nun aber ist genau das geschehen: Die Baugrube für den Turm, den der französische Investor Covivio neben dem Park Inn Hotel plant, hat den Tunnel der U-Bahnlinie 2 beschädigt. Seit vier Monaten ist der U-Bahn-Verkehr unterbrochen. Nach jetzigem Stand pendelt die U2 bis August nur zwischen Klosterstraße und Senefelderplatz.

Behördenunterlagen, die dem rbb vorliegen, zeigen das Ausmaß der Schäden: Die Stützwände, die die Baugrube absichern sollen, haben dem Druck des Grundwassers nicht standgehalten und wurden um mehr als fünf Zentimeter eingedrückt - so stark, dass daraufhin der ebenfalls im Grundwasser liegende Tunnel der U2 direkt daneben auf einer Seite um fast vier Zentimeter abgerutscht ist. Das klingt wenig, hat aber schon zu Wassereinbrüchen im Tunnel geführt, heißt es in den Unterlagen.

Schäden an der U2 unter dem Alexanderplatz

Über die Schuldfrage wird noch zu reden sein: Wurde bei der Genehmigung geschlampt? Oder hat der Investor das Risiko unterschätzt? Dass der Alexanderplatz kein einfaches Baufeld ist, war bekannt. So hatte sich bei einer Baustelle direkt nebenan der US-Investor Hines für sein Hochhaus mit der BVG nach langen Verhandlungen auf eine 30 Millionen Euro teure Absicherung des U5-Tunnels geeinigt. Beim Covivio-Turm hingegen beließ man es bei Sensoren, die bei einer möglichen Beschädigung des U-Bahn-Tunnels Alarm schlagen sollten - was im Oktober dann auch geschah.

Betonspritze gegen den Verfall

Zunächst soll es aber erst einmal darum gehen, Lösungen zu finden. Am Montag treffen sich Vertreter von BVG, Covivio, Bezirk und Senat, um zu besprechen, wie die Baugrube und der U-Bahnhof abgesichert werden können.

Im Gespräch ist nach rbb-Informationen ein aufwändiges Verfahren: Zunächst sollen Stahl-Anker die Baugrube stabilisieren. Danach will Covivio sogenannte Injektionslanzen von der Grube aus durch die Wand unter den Bahnhof einbringen und eine spezielle Emulsion einspritzen, um den Grund unter dem Bahnhof härter zu machen. Danach wird mit den Lanzen eine weitere Zement-Emulsion direkt unter den Bahnhofstunnel gespritzt, um den Tunnel um knapp vier Zentimeter anzuheben.

Bis Ende der Sommerferien, im August, soll die U-Bahn wieder rollen. So zumindest lautet der Plan, auf den sich alle Beteiligten geeinigt haben sollen. Über die Kosten für den Investor wurde bislang geschwiegen, mehrere Millionen Euro aber dürften es wohl werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel und Boris Hermel

38 Kommentare

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  1. 38.

    Super Nachricht. Ab Sommer sollen wir wieder von Pankow unter dem Alexanderplatz durchfahren. Vielleicht auch erst ab Herbst. Und zwei Jahre später muss der Tunnel wieder saniert werden, weil die Schäden doch größer waren als angenommen. Das ist Berlin.

    Warum wird der Tunnel/Bahnhof auf Kosten der Investoren, deren Baustellenplanung die Schäden am Tunnel verursacht haben, nicht gleich neu gebaut? Für mich schreit diese Baugenehmigung nach einem Untersuchungsausschuss. Wurden die Risiken richtig eingeschätzt? Nein. Wer hat die Baugenehmigung auf wessen Weisung genehmigt? Das wären vor der Wahl ja doch mal interessante Informationen, oder nicht? Warum wurden wir Fahrgäste nicht informiert, dass sich im Sommer eine wichtige Stützwand verschoben oder verformt hat? Ich würde schon gern mal wissen, wer uns Fahrgästen solchen Risiken ausgesetzt hat. Es ist ja scheinbar nur Glück, dass niemand zu schaden kam und niemand gestorben ist.

  2. 37.

    Gerade weil alle wissen das Berlin Urstromtal ist, kann man nicht einfach wild drauflosbauen und hinterher von höherer Gewalt faseln.
    Sowas ist Bauphysik und nicht Zufall. Allerdings muss man da schon etwas mehr Geld für vorbereitendende sichernde Maßnahmen in die Hand nehmen, wenn man auf morastigen Untergrund in einer bereits zugebauten Stadt wild herumbaut.

  3. 36.

    Ich fürchte, das hätte mit jeder anderen Baugrube genau so passieren können. Das Problem in Berlin ist der morastig-sandige Untergrund mit extrem hohem Grundwasser. Rutschungen und Absackungen sind da eher die Regel, als die Ausnahme.
    Für mich hört sich das nach einem indirekten Schaden an. Die Verschalung der Baugrube wurde offenbar nach innen gedrückt. Dadurch ist dahinter Erdreich vom U2-Tunnel weggerutscht und es entstand ein Hohlraum, in den Teile des Tunnels nachgegeben haben. Wofür die Baugrube ausgehoben wird, ist da egal. Ab einer gewissen Tiefe wird es extrem kritisch.

  4. 35.

    Baugenehmigungen sind aber nur zwei Jahre gültig, wenn erst später mit dem Bau begonnen wird muss eine neue beantragt werden.

  5. 34.

    Sind die Grünen nicht erst seit 2016 im Berliner Srnat vertreten? Meiner Meinung nach wurden diese Bauten weit vorher geplant (in den 90ern - damals hat noch die CDU regiert) und auch vorher genehmigt.

  6. 33.

    Ich habe das doch gleich gesagt!

  7. 32.

    Als hätten die momentan Regierenden irgendwas damit zu tun... das ist doch schon seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten genehmigt!
    Aber immer weiter fadenscheinige Gründe suchen warum man die jetzige Regierung Berlins abwählen sollte

  8. 31.

    Ganz einfach, die U2 fährt nicht an den Potsdamer Platz Arkaden vorbei, sondern auf der anderen Seite des 'Parks' neben der Köthener Straße

  9. 30.

    Die Diskussion um die Hochhausbauerei auf dem Alexanderplatz läuft ja nun schon seit sehr vielen Jahren. Ich erinnere, dass die vormalige BVG-Chefin, Frau Nikutta schon vor Jahren starke Bedenken und Angst im ihre Tunnel hatte, wie wir jetzt wissen, nicht unbegründet. Die jetzt betroffene Schlitzwand soll lt. Berliner Medien ca. 2 Meter vom U2-Tunnel entfernt sein. Unter bekannten Baugrundverhältnissen bleibt hier die Frage, wer genehmigt so was. Auch wenn Covivo die Kosten übernimmt, sind es letztendlich die Fahrgäste, die die Sache ausbaden, durch längere Fahrwege etc. Ebenso wie im Artikel geschrieben übernimmt Hines mit 30 Mio € eine Absicherung des U5 Tunnels. Das löst aber die Probleme nicht, wenn es auch dort zu Komplikationen kommt. Bleibt schlussendlich die Frage, ob man einen Platz, der derart schwierige Bodenverhältnisse hat, unter dem 3 U-Bahn Linien verlaufen tatsächlich auf die Art und Weise bebauen muss. Eine funktionierender ÖPNV ist für die Berliner unerlässlich.

  10. 29.

    .. um das noch zu ergänzen: Kosten zu Lasten der Steuerzahler. Weil die Berliner Verwaltung nicht nur Baurisiken nicht beurteilen kann sofern auch
    wasserdichte Verträge nicht kann. Berlin eben...

  11. 28.

    Zudem faehrt jetzt auch die U1 nicht zwischen Kottbusset Tor und Warschauer Strasse, obwohl die Strecke vor zwei Jahren bereits ein Jahr lang gesperrt war... Jetzt werden da wieder die Gleise ausgetauscht... Was soll das auch kosten,

  12. 27.

    Hallo...
    muss da ueberhaupt so tief gebündelt werden? Beim Kaufhof und beim damaligen Hotel Stadt Berlin wurde Betonpfaehle in den Boden gerammt und eine Beton-Platte fuer das Gebaeude darauf gebaut. Das sind auch enorme Kräfte die auf die Wand wirken...

  13. 26.

    Was solls, 2040 rollt die Bahn dort bestimmt wieder... Im neugebauten Tunnel. :-)

  14. 25.

    Das Problem ist, dass im Hochbau alles, aber wirklich alles mit sehr spitzen Bleistiften kalkuliert wird. Wenn man sich die Gewinnspannen der Bauträger ansieht, und dann die Kosten für Engineering ist das derzeit völlig inakzeptabel. Die Gehälter der Ingenieure sind in Berlin in den letzten 15 Jahren kaum gestiegen, dafür sind die Gewinne der Bauträger, welche nur Kredite und Grundstücke besorgen auf ca 2300€/m² gestiegen! Ich denke der Bauherr des Hochhauses hat wohl beim Gründungsbauwerk ordentlich gespart. Was der Senat und die Presse wissen sollte, der Baugrund ist immer Bauherren Risiko, heißt die BVG ist völlig im Recht, wenn sie 100% Schadensersatz fordern. Und nebenbei, das HDI verfahren, welches jetzt angepriesen wird hat nur eine Erfolgschance von maximal 50%!

  15. 24.

    Warum werden die grünen Genehmigerinnen nicht belangt? Ihre Unfähigkeit auch nur irgend etwas mit Durchsicht zu managen, hat was mit fehlender Ausbildung, kranker Engstirnigkeit und Parteibuchdenken zu tun.

  16. 23.

    "Zement" wird nicht reichen, Beton sollte es schon sein. Der U-Bhf ist mehr als 100 Jahre alt, die Bausubstanz auch. Wenn das mal gut geht...Covivio ist im Zugzwang, schließlich wollen sie ihren Klotz fertig bauen, da stecken Millionen-Investitionen drin und die Anleger wollen Kohle sehen.
    Steglitzer Kreisel damals, Alex heute...

  17. 22.

    "Bin ja gespannt wer das alles bezahlt,hoffe doch die Baufirma,die das zu verantworten hat ."
    Das ist letztlich nur das eine. Unabhängig davon, wer das finanziell trägt, bezahlen die U2-Nutzer das über Monate und sicher Jahre mit ihrer Lebenszeit. Dafür kommt keiner auf. Nur, weil ein Investor hier Profit machen will und ihm das auch genehmigt wurde.

  18. 21.

    Der Stadtmurks begann am Alex mit dem roten Alexa.

  19. 20.

    Alle Hochhäuser am Alex verbieten! Baugrube schließen! Keine Hochhäuser wo eine U-Bahn ist. Fertig.

  20. 19.

    Nein, Berlin, mindestens das alte Berlin und Cölln sind auf Sumpf gebaut, auf Pfählen. Wie z.B. auch Amsterdam.

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