Bilanz vom Sonntag - Dutzende Festnahmen, Strafanzeigen und verletzte Beamte bei Pro-Palästina-Demo

Mo 16.10.23 | 17:54 Uhr
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Einsatzkräfte der Polizei und Teilnehmende der Pro-Palästina-Demo am 15.10.2023 am Potsdamer Platz.(Quelle:picture alliance/ZUMAPRESS/M.Kuenne)
Video: rbb24 | 16.10.2023 | Nachrichten | Bild: picture alliance/ZUMAPRESS/M.Kuenne

127 Festnahmen und zahlreiche Strafanzeigen - das ist die Bilanz der ausgeuferten pro-palästinensischen Demo am Sonntag in Berlin. Polizeipräsidentin Slowik spricht von "unerträglichen Bildern, die wir gerne verhindert hätten".

  • Polizei zieht Bilanz der verbotenen pro-palästinensischen Demo am Potsdamer Platz
  • Wasserwerfer-Einsatz erwogen, aber Polizei entschied sich dagegen
  • Demo-Verbote sollen noch genauer geprüft werden
  • Große Dynamik bei Aufruf und Zulauf
  • Weitere Auswirkungen der aktuellen Nahost-Krise werden Berlin wohl noch mehr treffen

Bei der verbotenen pro-palästinensischen Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin am Sonntagnachmittag hat es dutzende Festnahmen und Strafanzeigen gegeben. Wie die Polizei am Montag mitteilte, kam es insgesamt zu 127 Freiheitsbeschränkungen beziehungsweise Freiheitsentziehungen, 76 Straf- und 68 Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Zuvor hatte die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses von 155 Festnahmen gesprochen. Laut Slowik waren gut 800 Polizeibeamte im Einsatz. 24 von ihnen seien verletzt worden, so Slowik, die meisten bei Widerstandshandlungen, sieben bei einem Reizgas-Einsatz.

Zustrom zur Demo mit "nicht gekannter Dynamik"

"Wir hätten diese unerträglichen Bilder am Potsdamer Platz gerne verhindert", sagte Slowik. Erst im Laufe des Sonntagnachmittags sei in der Community intensiv über das Internet und Chat-Kanäle für die eigentlich kleine Demonstration zum Israel-Konflikt geworben worden. Dann habe es einen heftigen Zustrom von Menschen zum Potsdamer Platz gegeben, woraufhin die Polizei die bis dahin nicht untersagte Demonstration dann doch verboten habe.

Etwa 500 Personen seien mit einer bisher nicht gekannten Dynamik und Schnelligkeit auf den Potsdamer Platz geströmt, so Slowik. Schnell waren es dann etwa 1.000 Menschen, die sich versammelt hatten.

Eine erfahrene Polizistin habe gesagt, eine solche Dynamik des Zustroms habe sie noch nie erlebt. Berlin habe eben eine sehr große "gewachsene palästinensische und arabische Community", so Slowik. "Es gibt in Berlin Stadtteile, das ist auch richtig so, die eine große Community haben, die vielleicht größer ist als manche Stadt in Deutschland."

Wasserwerfer-Einsatz in Erwägung gezogen

Die Polizei habe dann versucht, die Demonstration aufzulösen. Demonstranten wurden von Beamten angesprochen, die Szenerie zu verlassen. Auch per Lautsprecherdurchsagen wurden die Teilnehmer des pro-palästinensischen Aufzugs aufgefordert, den Potsdamer Platz zu verlassen. "Im weiteren Verlauf wurden die ausgesprochenen Platzverweise mittels einfacher körperlicher Gewalt in der Form von Schieben und Drücken durchgesetzt. Dabei kam es vereinzelnd zu Flaschenwürfen und zum Werfen von Pyrotechnik auf die Einsatzkräfte", hieß es in einer Pressemittelung der Polizei.

"Gegen 18.30 Uhr kam es zu tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte, die durch den Einsatz eines Reizstoffsprühgerätes von den Kräften abgewehrt wurden", hieß es weiter. Wegen der aggressiven Stimmung sei ein Wasserwerfer zu der Demonstration gefahren. Wegen der Gefahr der Eskalation und auch weil viele Kinder und Kinderwagen dort waren, sei er nicht eingesetzt worden.

Beim Abzug der Demo sei es nach Polizeiangaben gegen 19:30 Uhr in der Stresemannstraße zu einer Bedrohunglage gekommen. "Gäste eines jüdischen Restaurants beobachteten mehrere Unbekannte, die sich dem Restaurant genähert und die Fensterscheibe bespuckt sowie gegen diese getreten haben sollen. Des Weiteren sollen die Personen über Handgesten ein Maschinengewehr imitiert und auf das Restaurant gezielt haben", hieß es in der Mitteilung. Als alarmierte Einsatzkräfte eintrafen, waren die Unbekannten nicht mehr am Ort. Es konnte kein Schaden an der Fensterscheibe festgestellt werden.

Polizei will in Zukunft auf der Hut sein

Als eine Reaktion will die Berliner Polizei noch genauer als bisher prüfen, welche pro-palästinensischen Demonstrationen verboten werden und welche nicht, kündigte Polizeipräsidentin Slowik an. Sie sagte dem rbb, die Polizei sei jetzt "natürlich deutlich mehr auf der Hut, ob Veranstaltungen als Trittbrette genutzt werden."

Slowik betonte gegenüber dem rbb aber auch, dass die Versammlungsbehörde "gewillt" sei, Veranstaltungen zuzulassen, wenn es keinerlei Hinweise gebe, dass dort Straftaten, Gewaltverherrlichung oder antisemitische Hetze stattfinde. "Wenn wir zunehmend den Eindruck haben, dass es kaum zu verhindern ist, dass Potential zuströmt, das Straftaten verübt, dann werden unsere Ermessensspielräume immer enger," so Slowik.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ergänzte im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit in einem Rechtsstaat ein hohes Gut sei. "Das müssen und werden wir natürlich auch zukünftig sehr klar beachten," unterstrich Spranger.

Vertreter Palästinas kritisiert Kundgebungsverbote

Der Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland, Laith Arafeh, kritisierte die Einschränkungen für palästinensische Kundgebungen. "Ich bin zutiefst besorgt über die übertriebene Reaktion auf eine friedliche Antikriegsdemonstration gestern in Berlin", hieß es in einer Stellungnahme Arafehs vom Montag. "Free Palestine" sei ein Aufruf zur Beendigung der israelischen Besatzung und zur Wahrung der Menschenrechte, fügte er hinzu.

Auswirkungen der Nahost-Krise werden Berlin noch mehr treffen

Zur Lage in der Stadt insgesamt sagte Slowik, die Polizei schütze mit 400 Objektschützern aktuell 100 israelische und jüdische Einrichtungen. Zur Stunde lägen keine Hinweise vor, dass Angriffe auf diese Einrichtungen geplant seien.

Die Auswirkungen der aktuellen Nahost-Krise werden Berlin nach Einschätzung der SPD in nächster Zeit aber noch mehr und stärker treffen als bisher. "Hier bei uns werden die schwierigsten Momente sicher noch kommen, die haben wir noch nicht gesehen", sagte der Berliner SPD-Innenpolitiker Martin Matz am Montag dem rbb. Matz forderte, auch Hassäußerungen und Antisemitismus im Internet zu verfolgen. Portale wie Tiktok seien kein rechtsfreier Raum, gegen manche verbotene Äußerungen von bekannten Nutzern dort müsse konsequent vorgegangen werden.

Spranger will konsequent ausweisen

Auf die Frage des AfD-Abgeordneten Karsten Woldeit, ob unter den Demonstrations-Teilnehmern am Sonntag auch ausreisepflichtige Personen und bekannte Straftäter gewesen seien, antwortete Innensenatorin Spranger: "Wir werden konsequent ausweisen, wenn wir ausweisen können."

Die rechtlichen Grenzen für Abschiebungen sind allerdings eng. Wenn ein Ausländer eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" ist, so sieht es das Aufenthaltsgesetz vor, kann ausgewiesen werden. Das gilt vor allem für Straftäter, wenn sie rechtskräftig verurteilt sind.

Die Taten müssen aber ein bestimmtes Gewicht haben. Gewalt auf einer Demonstration kann dazugehören. Schwere Straftaten gegen das Leben, Körperverletzung, auch Angriffe auf Polizeibeamte wiegen besonders schwer. Einfach nur an einer verbotenen Demonstration teilzunehmen reicht nicht aus.

Spranger betonte zudem: "Wir haben viele arabischstämmige Familien in der Stadt, die nichts mit der Hamas zu tun haben wollen. Das dürfen wir nicht vergessen." Sie würden auch Signale geben, dass sie versuchen, einzuwirken gegen extremistische Bestrebungen. Spranger betonte: "Wir müssen in Kitas und Schulen massiv Aufklärung betreiben."

Sendung: rbb 88.8, 16.10.2023, 11:30 Uhr

94 Kommentare

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  1. 94.

    Nach den entsetzlichen Greueltaten der Hamas-Terroristen hoffe ich, dass es der israelischen Armee gelingt, die Hamas auszuschalten.

  2. 93.

    Was wir in Deutschland gerade erleben ist ein Konflikt auf einem Nebenkriegsschauplatz und hängt mit unseren überholungsbedürftigen Ansichten vom Inhalt und der Durchsetzung des Asylrechtes zusammen.
    Es steht aber in keinem Verhältnis zu dem, was sich gegenwärtig in der Region Israel - Gazastreifen-Libanon anbahnt. Dort droht ein regionaler Flächenbrand. Nicht nur der Hamas sondern auch die Hisbolla stehen Israel gegenüber und drohen Israel in einem Zweifrontenkrieg in die Zange zu nehmen.
    Wenn das dort knallt, gibt es ein Erdbeben, das auch in Europa noch spürbar sein wird.
    Ich sage es nochmal: es muss eine friedvolle komplexe Lösung gefunden werden. Nicht umsonst ist Biden jetzt in Israel.

  3. 92.

    Wehret den Anfängen. Davidsterne gab es schon einmal. Wie das geendet hat, weiß man. Wer nicht aus den Fehlern der Geschichte lernt, ist verdammt sie zu wiederholen. Wenn man wirklich etwas ändern will, stehen der Gesetzgebung und dem Rechtstaat genug Möglichkeiten zur Verfügung. Allein mir fehlt der Glaube, dass der Wille, zu handeln, mehr als ein Lippenbekenntnis ist.

  4. 91.

    https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-10/palaestinenser-deutschland-demonstration-verbot-berlin?

    Palästinenser in Deutschland: "Nein, sag das nicht! Nur Sätze für den Frieden!"
    Gemäßigte Palästinenser wie Yasmina und Salem finden in Deutschland keinen Ort für ihre Angst um ihre Familien. -----
    Ich hatte mich eigentlich auf diesen Artikel aus der ZEIT bezogen heute morgen... die vorgehabte Demonstration am Samstag am Brandenburger Tor hieß: "Frieden in Nahost – Waffenstillstand in Nahost – Zwei-Staaten-Lösung", angemeldet vom Zentralrat der Palästinenser in Deutschland.
    Ich möchte die Menschen unterstützt sehen, die seit Jahren auf israelischer und palästinensischer Seite aus der Fortführung des gegenseitigen Bekämpfens wegen alter gegenseitiger Verletzungen ausgestiegen sind. Sonst hört das nie auf. Und es stellt sich wieder auch die Frage: WEM NUTZT ES ? WER verdient daran, wenn kein Frieden in Nahost einkehrt ??? Dazu darf man nicht nur vor Ort schauen !

  5. 90.

    Eine Bodenoffensive in Gaza bedeutet viele zivile Opfer, mit dem humanitären Völkerrecht ist das nicht vereinbar. Dass dagegen nicht demonstriert werden darf ist bitter für die dt. Demokratie.

  6. 89.

    "Früher gab es sog. E-Kommandos. Da gab es dann den Ruf : Knüppel frei ! Grundsätzlich trifft es bei solchen Maßnahmen keine Unschuldigen. Bei anderen Demos heißt es immer, wer daran teilnimmt macht sich mit der Sache gemein."

    Die hießen "Greifkommandos" und wandten die "Leberwursttaltik" an. Mitten rein in die Demo schlagen, damit die Enden auseinanderspritzen. Und ich dachte die Zeiten wären vorbei.

    Den Rest möchte ich lieber nicht kommentieren, der spricht für sich.

  7. 88.

    Sie machen mit ihrem Kommentar alles zunichte, was ich in meinem Kommentar versucht habe, komplex zu schildern. Wessen Freiheit ist denn in Berlin momentan mehr eingeschränkt? Wer muss denn wieder Angst haben und wer nicht? Versuchen Sie doch einfach mal, nicht nur den Splitter zu sehen, sondern auch den ganzen Balken, der da hinten mit dranhängt. Sorry, ist nicht persönlich gemeint, aber es ärgert mich.

  8. 87.

    Müssen Grundrechtseingriffe nicht verhältnismäßig sein? Ich finde die Einschränkung der Meinungsfreiheit nicht richtig.

  9. 86.

    Jeder hat das Recht seinem Land bei zu stehen, aber niemanden hat das Recht uns in diesen Krieg sein Recht mit Gewalt im Gastland zu fordern. Wenn das Herz ,so sehr an Palistiner hängt ,sollte schnell nach Hause fliegen und für sein Land kämpfen . Lasst uns hier weiter mit allen in Ruhe leben.

  10. 85.

    Ihr Kommentar ist einfach nur zynisch und bei solch einem Thema völlig deplatziert.

  11. 84.

    Danke und ich setze noch eins drauf. Wer ist denn momentan leise und wer ist laut? Was für Schmierereien tauchen auf und wer hat momentan wieder Angst?

    Ich habe in diversen Gesprächen mit meinen Eltern damals die immer gleiche Frage gestellt: "Wie konnte das passieren und wieso habt ihr nichts getan?" Und sie haben versucht, mir ihre Antworten zu geben, zumal sie auch noch recht klein waren.

    Ich habe mir seitdem aber geschworen, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um so etwas zu verhindern und dagegen vorzugehen. Und diese Zeit ist genau jetzt. Es sind absolute Alarmzeichen, wenn ekelhafte Schmierereien auftauchen und jüdische bzw. israelische Berlinerinnen und Berliner wieder Angst haben müssen. Und das geschieht beileibe nicht nur in Berlin. Ich war über damals schon wütend und bin es jetzt wieder.
    NIE, NIE WIEDER.

  12. 83.

    Früher gab es sog. E-Kommandos. Da gab es dann den Ruf : Knüppel frei ! Grundsätzlich trifft es bei solchen Maßnahmen keine Unschuldigen. Bei anderen Demos heißt es immer, wer daran teilnimmt macht sich mit der Sache gemein. Natürlich dann auch mit der Gewalt gegen Amtspersonen.

  13. 82.

    Das Feiern des Hamas-Terrors ist definitiv keine Friedensinitiative. Wer wirklich zu Friedensgesprächen aufrufen wöllte, geht nicht zu Demos von offenen Israelhassern.

  14. 81.

    Nein, der Konflikt entsteht durch den eingeimpften Hass auf Israel. Die Rückgabe von Gaza in die palästinensische Eigenverwaltung hat zu nichts anderem geführt, als noch mehr Hass und noch brutalere Angriffe auf Israel, weil die Hamas relativ unbehelligt ihren Terror vorbereiten kann. Gleichzeitig gibt es keinerlei erkennbare Opposition gegen das Hamas-Regime innerhalb von Gaza. Das ist durchaus vergleichbar mit dem Hitler-Regime damals. Da hätte auch niemand mit Verstand unterschieden und man tut es auch heute noch nicht. Die Palästinenser leider viel mehr unter ihrer eigenen korrupten und menschenverachtenden Regierung, als sie es jemals durch Israel getan haben. Trotzdem oder gerade deswegen hält der Hass auf Israel sie zusammen, weshalb sie eben nicht nur Opfer sind.

  15. 80.

    1948 haben die arabischen Staaten die Zwei-Staaten-Lösung abgelehnt, Ägypten hatte Gaza besetzt, Jordanien die Westbank sogar annektiert. Israel hat dem gegenüber Gaza nicht annektiert. Wer hat Ihnen den Bären aufgebunden? Im Gegenteil hatte sich Israel 2005 vollständig aus dem Gaza-Streifen zurück gezogen.

  16. 79.

    Ja die gut Menschen !!! Von den Grünen. Schau hin was ihr mit
    Der schönen Stadt Berlin macht. Neukölln Potsdamer Platz.

  17. 76.

    Ist man für Sie schon ein Extremist, nur weil man wie die Israelis nicht wegen Hamas-Terrors um sein Leben fürchten will? Dem gegenüber haben andere Extremisten in großer Zahl diese Demonstration gekapert und Parolen zur Auslöschung Israels skandiert.

  18. 75.

    Die meisten arabischen Staaten befürworten die Zwei-Staatenlösung und haben auch mehrere Millionen palästinensische Flüchtlinge aufgenommen. Was sie nicht befürworten ist das Räumen von Gaza, da das Gebiet dann von Osrael annektiert würde. Das Problem ist u.a. die Likudpartei von Netanjahu, die einen jüdischen Staat zwischen Mittelmeer und Jordan anstrebt ohne Zwei-Staatenlösung, wobei unklar ist, wo dievPalästinenser hinsollen.

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