Wechsel zu Grundschulen - Musikschulen laufen die Lehrer weg
Klavier lernen - nur von wem? Brandenburgs Musikschulen suchen Fachkräfte. Doch die Honorare sind bescheiden und es gibt kaum feste Anstellungen. Deshalb satteln immer mehr Lehrer um. Von Daniel Friedrich und Martin Schneider
Die Musikschulen im Land Brandenburg haben offenbar immer mehr Probleme, Lehrer zu finden beziehungsweise zu halten. "Vor allem Lehrkräfte der Elementaren Musikpädagogik gehen an Grundschulen", teilte das Brandenburger Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur dem rbb auf Nachfrage mit.
Aus Gesprächen mit dem Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg und im Rahmen von Musikschulleitertagungen wisse das Ministerium, dass "in den vergangenen Jahren Musikschullehrkräfte über Quereinstiegsmodelle nun an allgemeinbildenden Schulen unterrichten", heißt es weiter. Genaue Zahlen könne das Ministerium nicht nennen. In welchem Umfang die angespannte Lehrkräftesituation an Musikschulen aber auf die Abwanderung von Lehrern an Grundschulen zurückzuführen ist, könne das Ministerium nur schwer einschätzen, heißt es.
Zwei Kollegen, unterschiedlich bezahlt
30 anerkannte Musik bzw. Musik- und Kunstschulen gibt es in Brandenburg, die städtische Musikschule "Johann Crüger" in Guben (Spree-Neiße) ist eine davon. Auch sie hat mit solchen Abgängen zu kämpfen, sagte Leiter Andreas Zach dem rbb. "Wir haben in den vergangenen Jahren zwei Kolleginnen an die Grundschulen verloren, die bei uns ein relativ großes Unterrichtsdeputat unterrichtet haben." Gelockt habe die feste Anstellung im Schuldienst, so Zach. "Das ist ohne Frage sehr viel attraktiver."
Das weiß auch Felix Naglatzki. Der 35-Jährige leitet aktuell mehrere Bläserklassen, unter anderem in Guben, und ist auf Honorarbasis angestellt. Er wird also pro Unterrichtsstunde bezahlt. Zusammen mit einer Grundschulkollegin bringt er in Guben Fünft- und Sechstklässlern Noten, Taktgefühl und Spieltechnik bei. Doch zwischen beiden Lehrern gibt es einen entscheidenden Unterschied. Die Grundschullehrerin ist festangestellt und verdient dadurch monatlich rund 1.000 Euro mehr als Naglatzki.
Hinzu kommt, dass in den Schulferien kein Unterricht stattfindet. Für freie Mitarbeiter wie Felix Naglatzki gibt es in dieser Zeit auch kein Geld. Im Jahr summiere sich das auf rund drei Monate ohne Einkommen, sagt er. Er müsse im restlichen Jahr so viel verdienen, dass er in diesen rund drei Monaten über die Runden kommt. Auch bei Krankheit gebe es kein Geld. Zudem muss er sich um seine Rente selbst kümmern.
"Das Problem, was da entsteht, ist, dass wir keinen Nachwuchs an Musiklehrern haben, weil dieser Job einfach wahnsinnig unattraktiv ist", so Naglatzki. Keiner wolle Musiklehrer werden. "Viele meiner Kommilitonen sind auf allgemeinbildende Schulen umgesattelt, weil sie keinen Bock mehr auf dieses System hatten."
Nicht nur für die Lehrkräfte ist es eine schwierige Situation, auch für die Musikschule ergebe sich daraus eine Unsicherheit, so Schulleiter Zach. Angestellte Lehrer seien "immer verfügbar, haben auch untereinander mehr Kontakt, können gemeinsam Projekte planen und sind natürlich viel enger in den gesamten Musikschulbetrieb eingeplant." Die Schule wäre dann in der Lage, "eine viel, viel bessere Qualität zu liefern", so Zach.
Finanzielle Frage - auch für die Eltern
Dass nicht mehr Lehrer festangestellt werden, ist laut dem Schulleiter eine Geldfrage. Viele Kommunen könnten es aus eigener Finanzkraft nicht schaffen, alle Lehrer fest anzustellen. "Man muss beachten, dass die Eltern auf der anderen Seite den Unterricht auch bezahlen können müssen", so Zach.
Zuletzt haben viele Musikschulen ihre Honorare etwas angehoben, auch die in Guben. Freie Mitarbeiter bekommen dort seitdem 36 Euro pro 45-minütiger Einzel-Unterrichtsstunde. "Ich glaube, da liegen wir, ohne dass ich es genau nachgeprüft habe, in Brandenburg ganz weit vorn", so Zach.
Musikschulverband: Land ist in Pflicht
Zach würde sich für alle Kollegen eine Festanstellung wünschen. "Das ist aber nur mit einer adäquaten finanziellen Beteiligung des Landes möglich", so der Musikschulleiter. In Guben sei das Engagement der Kommune groß, ihr Anteil liege bei über 50 Prozent. Das Land gibt Geld für die Personalkosten dazu, dieser Anteil liege zwischen zehn und 13 Prozent. "Eigentlich liegt er sogar noch viel niedriger, bei unter zehn Prozent, wenn man betrachtet, dass auch ein Musikschulgebäude Kosten verursacht und unterhalten werden muss. Das ist noch gar nicht mit eingerechnet."
Auch Winnetou Sosa, der Geschäftsführer vom Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg, sieht das Land in der Pflicht, den Trägern der Musikschulen mehr Geld dazuzugeben. Er fordert einen eigenen Fonds, damit Musikschulpädagogen beim Gehalt auf dem gleichen Niveau landen wie Grundschulpädagogen.
Mehr Hilfe vom Land scheint laut Kulturministerium in Sicht zu sein. "Wir streben im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen an, dass sich das Land durch eine Erhöhung der gesetzlichen Musikschulförderung an den Mehraufwendungen der Träger für höhere Vergütungen und die Umwandlung von Beschäftigungsverhältnissen auf Honorarbasis in abhängige Beschäftigungsverhältnisse angemessen beteiligt", heißt es in der Antwort an den rbb.
"Das ist etwas fürs Leben"
Mehr Gehalt wünscht sich auch Musikschullehrer Felix Naglatzki, damit er sein Einkommen nicht noch durch Konzertauftritte an Wochenenden aufbessern muss. Der Wechsel zu einer Grundschule komme für ihn aber nicht infrage, sagt er. Er mache den Job "mit Herz und Seele", habe Spaß und bekomme viel von den Kindern zurück. "Und wenn man das erste Mal mit ihnen auf der Bühne steht… was von Eltern wiederkommt und die Kinder sind voller Stolz... das ist einfach etwas fürs Leben."
Der 35-Jährige will den Job bis zum Lebensende machen, sagt er. Und schiebt hinterher "Vorausgesetzt, es gibt dann irgendwann mal ein bisschen mehr Geld."
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.04.2024, 15:40 Uhr