Hilfe für Schüler - Bildungsverbände ziehen kritische Zwischenbilanz zu Corona-Aufholprogramm

So 02.01.22 | 11:27 Uhr
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Ein Kind mit Kopfhörern sitzt vor einem Laptop und Schulbüchern an einem Tisch (Quelle: Fotostand / K. Schmitt)
Bild: Fotostand

Rund ein halbes Jahr nach dem Start des sogenannten Corona-Aufholprogramms für Schülerinnen und Schüler fällt die erste Bilanz von Bildungs- und Lehrerverbänden kritisch aus. Zwar sei eine pauschale Einschätzung wegen unterschiedlicher Maßnahmen in den Bundesländern schwierig, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, der Deutschen Presse-Agentur. "Mehrheitlich melden die GEW-Landesverbände jedoch zurück, dass die Maßnahmen offenbar nicht so fruchten wie geplant", fügte sie hinzu.

Finnern kritisierte, dass viele Angebote nicht die Kinder erreichten, die am meisten Unterstützung bräuchten, sondern diejenigen, "deren Eltern sich darum kümmern (können)". Sie erklärte das damit, dass Maßnahmen nicht im System Schule "angedockt" seien. Gelder flössen etwa in außerschulische Fördermaßnahmen und verfehlten so den Beitrag zur Chancengleichheit.

Verbandsvertreter: Personalmangel verschärft Lage

Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, sagte: "Fakt ist, dass die Wirkung des Nachholprogramms maßgeblich dadurch bestimmt wird, wie sehr die einzelne Schule überhaupt Ressourcen hat, sich dem einzelnen Schüler, der einzelnen Schülerin zu widmen." Die jetzige Schülergeneration zahle verschärft durch Corona den Preis für eine über Jahre verfehlte Personalpolitik.

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger: "Nach unseren Informationen beteiligt sich die große Mehrheit der Schulen an den Aufholfördermaßnahmen, allerdings gibt es auch einen Teil, der aufgrund beispielsweise einer enorm angespannten Personallage zu einer vollen Teilnahme nicht in der Lage ist." Zweifel am Erfolg der Aufholmaßnahmen äußerte Meidinger auch, weil "die Freiwilligkeit der Fördermaßnahmen dazu führt, dass nicht wenige Kinder mit großen Lernlücken nicht erfasst werden".

Zwischenbericht bis Ende März

Bundestag und Bundesrat hatten im Juni das Programm "Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche" in Höhe von zwei Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Der Bund überlässt den Ländern unter anderem Anteile aus der Umsatzsteuer, so dass sie zusätzliche Maßnahmen zur Lernförderung finanzieren, Sozialprojekte ausweiten und mehr kostenlose und günstige Freizeit-, Sport- und Erholungsangebote anbieten können. Die Lernförderung kann beispielsweise von Stiftungen, Vereinen, Initiativen, Volkshochschulen, pensionierten Lehrkräften, Lehramtsstudierenden und auch kommerziellen Nachhilfeanbietern übernommen werden. Die Bundesländer sollen dem Bund bis spätestens Ende März einen Zwischenbericht zur Umsetzung der Maßnahmen und Verwendung der Gelder vorlegen.

Die ehemalige Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte im vergangenen Frühjahr in Vorbereitung des Aufholprogramms davon gesprochen, dass 20 bis 25 Prozent der Schüler "vermutlich große Lernrückstände" hätten.

Nach Ansicht der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien, die im Januar die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz übernimmt, wird die Bewältigung der Corona-Folgen für viele Schüler Jahre dauern. Bei einem großen Teil hätten die Pandemie und Schulschließungen nicht nur zu Lerndefiziten, sondern oftmals auch zu psychischen oder psychosozialen Problemen geführt, hatte die CDU-Politikerin kürzlich gesagt. Tendenziell hätten Grundschüler damit stärkere Probleme als ältere Schüler. Betroffene bräuchten Hilfe. "Und das wird, da muss man sich nichts vormachen, eine Daueraufgabe."

4 Kommentare

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  1. 4.

    Ich finde es schon merkwürdig, dass wir immer in Notsituationen feststellen, dass es in der Vergangenheit eine verfehlte Personalpolitik gegeben hat.Wer bitte hat denn diese Politik bestimmt? Die Lehrer sind permanent am jammern über die Arbeit. Die wenigen Lehrer, die sich wirklich engagieren, können das Ruder nicht herumreißen.

  2. 3.

    Dem kann ich mich nur anschließen. Auch am K.L. Gymnasium in Ffo ist leider bisher noch nichts Konkretes zu dem Aufholprogramm angelaufen, Ausfall gab es in den letzten beiden Schuljahren, insbesondere in den Klassen 7 - 9, dafür mehr als genug. Für die Schüler ist es höchste Zeit, endlich mit Maßnahmen zu beginnen.

  3. 2.

    Ich habe zwei Kinder an verschiedenen Schulen (Grundschule und Gymnasium). An keiner der Schulen habe ich bisher überhaupt irgendetwas von diesen Förderprogrammen mitbekommen. Scheint wohl so, als geht das wieder mal in großem Bogen an Brandenburg vorbei....

  4. 1.

    Welches Förderprogramm???? In Berlin nennt sich diese bisher völlig nutzlose Aktion „Stark trotz Corona“. Unsere Grundschule hat erst vor drei Wochen (!) endlich einen (!) Studenten gefunden, der unsere Schüler unterstützen soll. In Berlin gibt es gar kein Personal für dieses Programm!!!
    Nach zwei Wochen fehlte der Student krankheitsbedingt und die Förderung fiel aus.
    Problematisch ist auch die Umsetzung des Programms, denn unsere Kinder, die sowieso schon Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten haben, müssen nun in der 7. bzw. 8. Stunde noch das Förderprogramm besuchen. Ob das dann wirklich was bringt, bleibt abzuwarten.

    Dass man jetzt auf die Rückmeldung der Länder wartet, beunruhigt mich insofern, dass diese Rückmeldung von den gleichen Personen im Amt kommen wird, die auch behaupten, dass alle Klassenzimmer mit Filtern ausgestattet sind… :(

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