Landtagsdebatte in Potsdam - Streit über Lernrückstände an Brandenburger Schulen

Gut 68 Millionen Euro stehen Brandenburg für das Bund-Länder-Programm "Aufholen nach Corona" zur Verfügung, um die Lernrückstände an den Schulen abzubauen. Im Parlament gab es Streit über die Frage, ob das Geld richtig eingesetzt wird. Von Oliver Soos
Die AfD-Fraktion hatte die Aktuelle Stunde zum Thema "Lernrückstände" im Landtag beantragt. Ihr bildungspolitischer Sprecher, Dennis Hohloch, nutzte die Debatte für einen bekannten AfD-Vorwurf: Nicht das Corona-Virus sei für die Lerndefizite bei den Schülern verantwortlich, sondern die Coronapolitik der Landesregierung, mit den - aus Hohloch's Sicht - völlig unnötigen Lockdowns.
Nun würden die 68 Millionen Euro, zum Abbau der Lernrückstände, falsch eingesetzt. "Ein Großteil ihres so genannten Aufholprogramms verpulvert in der Hand von freien Trägern. Ferienprogramme, wie ein Graffiti-Kurs, hören sich nett an, aber wenn Lernrückstände abgebaut werden sollen, bringt es nichts, wenn ich mit einer Sprühdose in der Hand dastehe", sagte Hohloch.
Zu viel Fokus auf "pauken, pauken"?
Seine Forderung: eine Konzentration auf die Schließung von Wissens- und Könnenslücken. Außerdem sollten mehr Schulpsychologen eingestellt werden und jede Schule solle 5.000 Euro bekommen, um das freizeitpädagogische Programm selbst zu gestalten, mit selbst ausgewählten Partnern, so Hohloch. Das Brandenburger Aufholprogramm sieht 3.000 Euro pro Schule zur freien Verfügung vor.
Widerspruch kam von der SPD-Fraktion. Ihre bildungspolitische Sprecherin, Katja Poschmann, warf der AfD vor, den enormen Erfolgsdruck, der durch den verpassten Unterricht auf den Schülern laste, zu verstärken. "Sie legen ihren Fokus immer nur auf: pauken, pauken. Kinder und Jugendliche sind aber noch mehr als Schülerinnen und Schüler. Schulen sind auch ein Ort des Miteinanders, der individuellen Entfaltung und des sozialen Lernens. Diesen Raum braucht es jetzt mehr denn je", sagte Poschmann.
Kindern ganzheitlich helfen
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende, Petra Budke, griff die AfD scharf an. Der Partei stehe es nicht zu, sich zum "vermeintlichen Fürsprecher" der Kinder und Jugendlichen zu machen. "Ausgerechnet die Fraktion, die hier im Landtag beharrlich alle Schutzmaßnahmen in Kitas und Schulen abgelehnt hat. Sie haben doch maßgeblich dazu beigetragen, eine Coronaleugner-Stimmung im ganzen Land zu erzeugen, so dass die Impfquote immer noch viel zu niedrig ist", sagte Budke. AfD-Fraktionschef Christoph Berndt wies das zurück, als "absurde Vorwürfe". Budke würde eine "Politik der Angstmache" verfolgen und "jeden kritischen Gedanken verteufeln", so Berndt.
Das Aufholprogramm der Landesregierung wurde auch von den Linken kritisiert, allerdings aus einer anderen Richtung. "Allein der Name des Programms ist demotivierend: Du musst aufholen. Was wir brauchen ist ein Rückenwind-Programm - Motivation", forderte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Dannenberg. Die Stimmung an den Schulen sei "nicht die beste". Dannenberg erwähnte die vielen Überlastungsanzeigen und den hohen Krankenstand bei den Lehrern und warf der Bildungsministerin vor, kein Konzept zu haben, sondern nur Geld zur Verfügung zu stellen und damit den Druck an die Schulen abzugeben.
BVB/Freie Wähle fordern mehr Rücksicht auf kindliche Bedürfnisse
"Kümmern sie sich um eine nachhaltige Besetzung von offenen Stellen an unseren Schulen. Sorgen sie für Schulsozialarbeiter an allen Schulen, anstatt die Schulkrankenschwestern zu entlassen. Geben sie den Lehrkräften und Kindern mehr Zeit zum Lernen", forderte Dannenberg.
Der Fraktionsvorsitzende von BVB/Freie Wähler, Peter Vida, sprach sich dafür aus, auf "kindliche Bedürfnisse" Rücksicht zu nehmen. "Kinder brauchen auch Zeit zum Spielen und zur Erholung, um sich zu entwickeln. Wir müssen Kindern ganzheitlich helfen, mit den vielfältigen Auswirkungen der Pandemie auf Bildung, soziale Interaktion und sozio-emotionale Entwicklung", sagte Vida.
Keine verlorene Generation
Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) verteidigte das Brandenburger Aufholprogramm, das aus einer Bund-Länder Initiative entstanden sei. "Die Kultusministerkonferenz lässt sich dabei von zwölf exzellenten Professorinnen und Professoren ständig beraten. Das ist die Creme de la Creme der deutschen Bildungsforschung. Ihre Hinweise finden sich auch im Brandenburger Aktionsprogramm wieder", so Ernst.
Die Ministerin nannte die aus ihrer Sicht wichtigsten Punkte des Programms: eine befristete Einstellung von 200 zusätzlichen Lehrern, diejenigen Schüler in den Fokus nehmen, die den meisten Unterstützungsbedarf haben. Einen Schwerpunkt auf Deutsch und Mathematik legen und auch auf die psychosoziale Befindlichkeit der Kinder schauen. Ernst betonte, dass man den Jugendlichen nicht den Stempel der „verlorenen Generation“ aufdrücken solle. Rund zwei Drittel der Jugendlichen hätten die Corona-Einschränkungen gut überstanden.
Sendung: Brandenburg aktuell, 18.11.2021, 19:30 Uhr