Flüchtlingsgipfel - Bund gibt Ländern eine Milliarde Euro mehr für Geflüchtete

Mi 10.05.23 | 23:28 Uhr
  105
Symbolbild: Geflüchtete aus der Ukraine stehen nach ihrer Ankunft auf einem Bahnsteig. (Quelle: dpa/M. Matthey)
Audio: rbb24 Inforradio | Jan Menzel | 10.05.2023 | Bild: dpa/M. Matthey

Bund und Länder haben sich bei einem Spitzentreffen auf eine neue Lastenverteilung bei den Flüchtlingskosten geeinigt. Danach zahlt der Bund für Länder und Kommunen für 2023 wegen der gestiegenen Flüchtlingszahlen eine Milliarde Euro mehr.

Hinweis: Dieser Artikel wird nicht mehr aktualisiert. Über Reaktionen auf die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels berichten wir hier.

  • Berlin und Brandenburg meldeten im Jahr 2022 Rekordzahlen
  • Trend scheint sich auch im Jahr 2023 fortzusetzen
  • In beiden Ländern gibt es zu wenige Unterkunftsplätze
  • Brandenburger Landkreise sehen sich an Belastungsgrenze

Die Bundesregierung hat der Forderung der Bundesländer nach mehr finanzieller Unterstützung für die Versorgung von Flüchtlingen zum Teil nachgegeben. Für dieses Jahr gibt der Bund den Ländern eine Milliarde Euro mehr [tagesschau.de], wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach rund sechsstündigen Verhandlungen mit den Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer am Mittwochabend in Berlin mitteilte. Der Bund hatte bislang für dieses Jahr 2,75 Milliarden Euro zugesagt.

Ein an der Zahl der Flüchtlinge ausgerichtetes Finanzmodell setzten die Länder allerdings nicht durch. Darüber soll in Arbeitsgruppen weiter gesprochen und endgültig im November entschieden werden, wie aus dem Beschlusspapier der Bund-Länder-Runde hervorgeht. Die nun zugesagte zusätzliche Milliarde sollen die Länder dafür nutzen, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten.

Wie derzeit die Lage von Geflüchteten in Berlin und Brandenburg ist, dazu ein Überblick:

Berlin: Rekordniveau bereits im Vorjahr erreicht

Schon im vergangenen Jahr sind mit insgesamt knapp 95.000 Geflüchteten und Asylbewerbern in Berlin so viele Menschen registriert und bei der Ankunft versorgt worden wie nie zuvor. "Auch die Unterbringung in den LAF-Unterkünften stieg auf Rekordniveau", teilte das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in einer Bilanz für 2022 Anfang Februar mit. Etwa die Hälfte der Geflüchteten sei dauerhaft in Berlin untergebracht worden.

Im Jahr 2022 meldeten sich allein 71.097 Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen waren, im Ankunftszentrum Tegel an. Das waren im Durchschnitt jeden Tag knapp 200 Menschen. Rund 33.000 Ukrainerinnen und Ukrainer blieben in Berlin, die anderen wurden in andere Bundesländer weitergeleitet.

Täglich durchschnittlich 100 Asylsuchende in Berlin

Der Trend aus dem Vorjahr scheint sich nach Beobachtungen des ersten Quartals 2023 in Berlin noch zu verstärken: Von Januar bis März 2023 hat Berlin 2.845 Asylsuchende aufgenommen. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum 2022 waren es 2.147.

Zusätzlich kamen im ersten Quartal 2023 offiziell 5.503 Flüchtlinge aus der Ukraine in die Hauptstadt. Im Schnitt nimmt die Bundeshauptstadt jeden Tag 100 Menschen auf. Neben der Ukraine kommen die Menschen vor allem aus Moldau, der Türkei, Afghanistan und Georgien.

Berlin will zusätzliche Unterkünfte bauen

Dass die Unterbringungsmöglichkeiten in Berlin erschöpft sind und dringend neue Unterkünfte entstehen müssen, ist seit langem bekannt. Auch deshalb hat der ehemalige rot-grün-rote Senat in einer seiner letzten Amtshandlungen beschlossen, dass Ankunftszentrum in Tegel zumindest bis Ende September offenzuhalten. Hier können bis zu 4.500 Menschen beherbergt werden. Fachleute rechnen damit, dass das nur noch bis August reicht.

Berlins neue Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) geht davon aus, dass bis Jahresende weitere 10.000 bis 12.000 Menschen in Berlin untergebracht werden müssen. Berlin will daher noch in diesem Jahr drei modulare Unterkünfte eröffnen. 29 hat die Stadt in den vergangenen Jahren schon gebaut. Dort leben derzeit 9.000 anerkannte Flüchtlinge. Weil viele Asylsuchende minderjährig sind, ist die Lage auch für Schulen und Kitas in Berlin angespannt.

Rekordwerte auch in Brandenburg

Auch in Brandenburg sind bereits im vergangenen Jahr außergewöhnlich viele Asylsuchende und Geflüchtete aufgenommen worden. Insgesamt kamen 2022 etwa 50 Prozent mehr Geflüchtete als zur letzten großen Fluchtbewegung 2015, wie das Ministerium für Soziales und Integration dem rbb mitteilte.

Zu Beginn des vergangenen Jahres hatte man in Brandenburg noch mit etwa 4.400 Menschen gerechnet. Diese Zahl sei in der Folge drei Mal korrigiert worden und selbst die letzte Prognose von rund 36.000 Geflüchteten wurde am Ende noch übertroffen, so das Ministerium. Letztlich seien fast 39.000 Menschen nach Brandenburg gekommen - mehr als acht Mal so viele wie ursprünglich zu Jahresbeginn gedacht. Vor allem der russische Angriff auf die Ukraine ab Ende Februar 2022 führte auch hier zu den hohen Zahlen.

Brandenburg: Erwartet werden weitere 26.000 Menschen

So wie in Berlin scheint sich auch in Brandenburg diese Entwicklung im laufenden Jahr fortzusetzen, wenn auch etwas abgeschwächt: In der Erstaufnahme-Einrichtung des Landes haben sich von Januar bis Ende März 4.077 Menschen gemeldet. 363 von ihnen kamen aus der Ukraine, wie das Landesinnenministerium dem rbb mitteilte.

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) rechnet über das gesamte Jahr mit 26.000 zureisenden Asylsuchenden und schon anerkannten Flüchtlingen. So viele Asylbewerber kamen bisher nur 2015 nach Brandenburg. Derzeit leben im Land laut der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) rund 60.300 Flüchtlinge und Geduldete.

Angespannte Lage in den Landkreisen

Die Landkreise und Kommunen sehen sich derweil zunehmend mit der Situation überfordert. So wandten sich im April die Bürgermeister und Amtsdirektoren der zehn Städte, Gemeinden und Ämter im Landkreis Barnim mit einem Hilferuf [bernau-live.de] an die Landes- und Bundesregierung. Man stoße an die Grenze des Machbaren, Hilfsmöglichkeiten seien im Barnim nahezu aufgebraucht, heißt es in dem Brief. Es gebe kaum noch Unterkünfte, und auch finanziell gerieten die Gemeinden an ihre Belastungsgrenzen.

Ähnlich gestaltet sich die Lage im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Hier wurden im vergangenen Jahr 1.400 Menschen aufgenommen, in diesem Jahr werden es voraussichtlich knapp 900 sein. Hinzu kommen Hilfsbedürftige aus Sonderprogrammen wie afghanische Ortskräfte oder Erdbebenopfer aus der Türkei, die Deutschland derzeit aufnimmt. Freie, bezahl- oder nutzbare Wohnungen findet der Landkreis für sie aber kaum noch. "Von Wohnungsbaugesellschaften bekommen wir de facto keine Wohnungen mehr angeboten", betont der zuständige Amtsleiter Andreas Liedtke.

Auch im Landkreis Uckermark sind die Kapazitäten so gut wie aufgebraucht, weshalb beispielsweise in Schwedt bis zu 80 Geflüchtete vorübergehend in die Sporthalle des dortigen Oberstufenzentrums einziehen müssen. Weitere Wohnungen hätten nicht zur Verfügung gestanden, teilte der Landkreis Uckermark mit.

Brandenburg will mehr Geld vom Bund

Das Finanzministerium in Potsdam rechnet derweil nach eigener Aussage damit, dass vor allem Unterbringung und Sozialarbeiter in diesem Jahr landesweit circa 536 Millionen Euro kosten werden. Diese Schätzung liegt leicht über dem, was die Brandenburger Verwaltung im vergangenen Jahr für ankommende Asylsuchende und Flüchtlinge ausgegeben hat.

Damals übernahm der Bund noch knapp ein Drittel der Kosten. Nach aktueller Rechtslage dürfte dieser Anteil in 2023 sinken, weil etwa die Pauschale des Bundes für unbegleitete Minderjährige wegfällt, so die ZABH. Brandenburg fordert daher Nachbesserungen vom Bund.

Manche Asylsuchende sollen länger in Erstaufnahme bleiben

Um mehr Asylsuchende unterbringen zu können, will Brandenburg die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung des Landes vergrößern. Insgesamt 1.500 zusätzliche Plätze sollen in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree), Wünsdorf (Teltow-Fläming) und in einer Kaserne in Frankfurt (Oder) entstehen.

Das Land will außerdem dafür sorgen, dass Menschen, denen wahrscheinlich kein Asyl gewährt werden wird, länger in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben und nicht auf Kommunen verteilt werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.05.2023, 06:00 Uhr

105 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 105.

    Ganz Ihrer Meinung. Es ist einfach nur noch beschämend, wie leichtsinnig die Regierungsparteien Wahlhilfe für die AfD machen. Man muss entweder ständig stoned sein oder anderweitig sinnesgetrübt, um die Realität, die sich uns unmittelbar und immer drängender zeigt, nicht wahrzunehmen. Das Risiko, das damit verbunden ist, ist viel zu hoch, um dafür nur noch das geringste Verständnis zu haben. In Brandenburg bewegt sich die AfD mit großen Schritten auf die 30% zu. Wie kann man das ignorieren? Das ist schon mehr als fahrlässig.

  2. 104.

    Irrtum, die Milliarde geben wir Steuerzahler. Ist ja auch besser, als sie für Kitas und Schulen zu verplämpern.

  3. 103.

    Das Futter ist so gut und nährreich, dass die AfD davon richtig dick und fett werden wird. Das Schöne daran ist, keiner der Fütterernden merkt es, vor lauter jovialer Einfalt, Arroganz und grenzenloser Überschätgzung der eigenen Fähigkeiten. Das kann auf Dauer nicht gutgehen.

  4. 102.

    Mit Deckelung der Zuschüsse hat klar zur Folge, dass Deutschland keine Geflüchteten mehr aufnehmen kann - wenn die Milliarde aufgebraucht ist.

  5. 100.

    Ach, Tom, Sven & Eric, glöckner und welche Namen sie sich noch so geben.

    "Der Krug geht solange zu Boden, bis er bricht."

  6. 99.

    Finanzielle Probleme kann ich mit Geld prima lösen. Es handelt sich aber in erster Linie nicht um ein finanzielles Problem, sondern um Ressourcenprobleme und ein politisch-gesellschaftliches. Mit Geld bekomme ich das nicht in den Griff. Es ist eine Beruhigungspille und ändert an den eigentlichen Problemen nichts, eher im Gegenteil. Futter für die AfD.

  7. 98.

    "Der Krug geht solange zu Boden, bis er bricht.
    Autsch. Made my day..."

    Wenn der Brunnen schon gebrochen ist, dann auch mal der Boden.
    Am Ende bricht der Krug sowieso....

  8. 97.

    Ich kenne Max nicht, insofern ist er auch nicht mein Kumpel. Allerdings lese ich häufig vernünftige Beiträge von ihm, anders als von Ihnen. In einem anderen Thread haben Sie sich gegenüber anderen Forist:innen in höchsten Maße respektlos geäußert, insofern sollten Sie anderen keine Hetze vorwerfen. Wenn Sie statt Sachargumenten Beleidigungen vorziehen, ist es schwierig Ihnen zuzuhören.

  9. 96.

    "Der Krug geht solange zu Boden, bis er bricht."

    Autsch. Made my day...

  10. 95.

    Doch, das ist ganz einfach zu beantworten, sie ergehen sich in nebulösen Andeutungen und Verschwörungstheorien, während ich mich mit Tatsachen beschäftige. Haben sie denArtikel der TS überhaupt angesehen? Ich wette nicht.

    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/dietenbronn-gefluechtete-100.html

    Sie hingegen verbreiten Verschwörungstheorien: "Weil abschiebungen nicht gewollt sind."

  11. 94.

    na vielleicht wissen sie es ja ncht...aber ist ja auch egal

  12. 92.

    Wie immer Steuergelder mit der Gießkanne verteilen, konkrete Beschlüsse vertagen, Zeit gewinnen und die Wähler ruhig stellen, anstatt konsequent zu handeln. Die Quittung erhält man bei den nächsten Landtagswahlen, spätestens.

  13. 91.

    aber bitte nicht traurig sein wenn Ihre blase zerplatzt...

  14. 90.

    Brandenburgs Innenminister Stübgen besuchte im März den Landkreis Spree Neiße. Der Landkreis / Bundespolizei hat durch seine Nähe zu Polen seid längerem mit illegalen Grenzübertritten zu kämpfen,fast jeden Tag sind solche zu beobachten. In Forst ist auch die Bundespolizei stationiert ,die jeden Tag versucht mehr oder weniger der Lage einigermaßen herr zu werden. Wer jetzt denkt der Innenminister trifft sich mit Vertretern der Bundespolizei um ein Strategie zu erarbeiten wie man die Lage in den Griff bekommt ,weit gefehlt er besuchte die Werksfeuerwehr in Jänschwalde und sprach ein Grußwort.
    Wie es scheint, ist alles doch nicht so dramatisch wie die Landkreise und Kommunen es darstellen , sonst würde man nämlich vesuchen oder darauf drängen erstmal einmal die illegale Einwanderung zu unterbinden oder unter Kontrolle zu bekommen und dieses obliegt nunmal dem Innenminister und wenn er schon mal vor Ort ist sollte dieses Thema Vorrang haben.

  15. 89.

    „Die Milliarden für die Integration wurden in diesem Land erwirtschaftet und wurden niemanden weggenommen.“ — Heiko Maas
    muss man dazu noch was sagen?

  16. 88.

    Klar schafft sich Deutschland ab aber anders wie "dicker Pulli" Sarrazin und andere Rechtsextreme es meinen.

    Da wo keine Rechtsextremisten die Oberhand haben läuft es nämlich!

    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/dietenbronn-gefluechtete-100.html

  17. 87.

    Nicht der Bund,der Steuerzahler gibt das Geld

  18. 86.

    "Warum geht Abschiebungen nicht schneller?"
    Morjens, tja da fragen sie den falschen, ich verstehe das auch nicht. Aber das ist eine Frage die ihnen unser MP beantworten müßte. Aus dieser Richtung kommt leider nix dazu und ich höre/lese leider auch keine Fragen der Medien zu dem Thema. Ich vermute aber mal #81 hat recht: Abschiebungen sind nicht gewollt.

Nächster Artikel