Berliner Verkehrssenatorin - Manja Schreiner - die widersprüchliche Sachverständige

Do 13.07.23 | 07:51 Uhr | Von Franziska Hoppen
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Manja Schreiner, neue Verkehrssenatorin von Berlin
Bild: IMAGO / tagesspiegel

Verkehrssenatorin Manja Schreiner von der CDU hatte einen Kurswechsel in der Verkehrspolitik angekündigt: Mehr Pragmatismus und Ausgleich statt Ideologie. Bislang aber steht sie vor allem für Hin und Her und Widersprüche. Von Franziska Hoppen

Keine 100 Tage war Verkehrssenatorin Manja am Schreiner im Amt, da gingen tausende Menschen wegen ihr auf die Straße. Mehr als 8.000 Radfahrerinnen und Radfahrer protestierten gegen Schreiners vorläufigen Stopp beim Radwegeausbau. Dabei hatte die Verkehrssenatorin bis dato betont, für ein neues Miteinander zu stehen: Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger, sie alle sollten Platz haben auf Berlins Straßen, neben Bussen, Straßenbahnen und Lieferverkehr.

"Es ist unser Ziel, all diesen Bedürfnissen gerecht zu werden", sagte sie bei ihrer Antrittsrede auf dem CDU-Parteitag im April. "Das ist unser Anspruch: Jedem in seinem Bereich etwas zu bieten." Verankert ist dieses Ziel auch im Koalitionsvertrag: "Unsere Mobilitätspolitik setzt auf ein Miteinander und nicht auf ein Gegeneinander."

SPD sah "Kommunikationsdesaster"

Schreiners Start wäre wohl nicht so holprig gewesen, wäre Mitte Mai nicht eine Mail der Verkehrsverwaltung an den Bezirk Lichtenberg bekannt geworden. Darin die Info: Das seit 2017 geplante Radwegeprojekt Siegfriedstraße soll vorläufig gestoppt werden, auch weitere Projekte könnten betroffen sein. Dadurch kamen auch andere Bezirke ins Schwitzen. Schreiner musste sich erklären und gab an, es handele sich nur um eine Überprüfung und Priorisierung.

Doch Angaben, wonach sie priorisierte, blieb Schreiner schuldig. Der Koalitionspartner SPD ging auf Distanz, SPD-Fraktionschef Raed Saleh sprach von einem "Kommunikationsdesaster". Die Opposition tobte. Die Medien sprangen mit auf. Und der Regierende Bürgermeister musste in die Bresche springen und seine Parteikollegin verteidigen. Nach Wochen der Aufregung stand dann fest, dass fünf Radwegeprojekte auf Eis gelegt bleiben - nach welchen Maßstäben genau, ist weiter unklar. Statt Miteinander also: wütende Radfahrer.

No-nonsense

Als Schreiner noch keine Senatorin war - und die CDU noch in der Opposition - warf sie der rot-grün-roten Regierung das vor, was ihr nun von Kritikern entgegenschallt: Klientelpolitik. Der Senat bediene Interessengruppen, erlasse Gesetze auf einer gefühlten Realität. Das erzählte die stellvertretende Landesvorsitzende im Youtube-Format des Parteifreunds und heutigen Kultursenators Joe Chialo. Schreiner gab sich dort betont pragmatisch, zielorientiert, kritisierte die "Laber-Rhabarber-Runden" in der Politik.

Überhaupt verleiht sich Schreiner gerne das Image einer toughen No-Nonsense-Frau. Die Juristin aus Mecklenburg-Vorpommern hat in der Revision bei der Kreuzfahrtmarke Aida angefangen, ist dann zum Bundesverband der Deutschen Industrie gewechselt, später zum Zentralverband des Deutschen Handwerks. Zuletzt war sie Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Ihre Währung: Zahlen und Gesetze. Fleiß und gesunder Menschenverstand hätten ihr geholfen, betont sie in Interviews, sich einzuarbeiten und in männerdominierten Büros zu behaupten.

Das Interesse an Politik sei durch die Verbandsarbeit entstanden, sagte Schreiner dem "Tagesspiegel" in der Reihe "Frauen in der Berliner Wirtschaft". Sie habe sich dem Thema "sehr rational" genähert. 2012, mit Mitte 30, tritt Schreiner der Berliner CDU bei. Damals ist die Union noch stärkste Kraft im Land und Kanzlerin Angela Merkel beliebteste Politikerin. In Berlin regiert rot-schwarz. Schreiner will sich engagieren.

Die Sachverständige

In der CDU macht Schreiner schnell Karriere. Sie kann gut reden, ist charmant. Bauen, Wohnen, Handwerk, zu diesen Themen wird sie regelmäßig interviewt. Sie fällt einerseits auf mit Expertise, andererseits aber kaum öffentlich. Auf der Straße dürften damals nur wenige Schreiners Namen gekannt haben. Denn sie lässt offen, wofür sie politisch brennt, zeigt keine Ecken und Kanten. Schreiner macht das bewusst zu ihrem Stil: Themen "unideologisch" betrachten, wie sie der "Morgenpost" erzählt.

Doch frei von ideologischen Überzeugungen ist Schreiner nicht. Den Berliner Mietendeckel zum Beispiel bezeichnet sie 2020 als "zutiefst unsozial". Schreiner sorgte sich, dass Eigentümer an ihren Investitionen nichts mehr verdienen könnten.

Den Staat will Schreiner außerdem möglichst klein sehen: So wenig wie nötig soll er eingreifen. "Politik ist kein Versicherungsunternehmen" schreibt sie in einem Essay für ihre Internetseite. Darin appelliert Schreiner an mehr Eigenverantwortung und moniert, dass "alle gegen alles" abgesichert werden müssten. "Gegen zu hohe Mieten - deshalb der Mietendeckel und Enteignung, gegen zu hohe Energiekosten - deshalb Rekommunalisierung der Energieversorger". Für die Geschäftsfrau Schreiner ist all das "moderner Ablasshandel".

Auch bei der Verkehrswende, so fürchtet nun die Opposition, setzt Schreiner lieber auf Eigenverantwortung statt auf politische Vorgaben. So bestätigte sie zwar in der rbb24 Abendschau, dass der Autoverkehr eingedämmt werden müsse. Zuletzt sagte sie aber im Abgeordnetenhaus: "Wir machen keine Politik gegen das Auto. Wir machen Politik mit dem Auto." Mobilität sei individuell, betont Schreiner auch im rbb24 Inforadio. Es sei nicht ihre Aufgabe, zwischen den Verkehrsträgern zu unterscheiden.

Was sie mit der Überprüfung der Radwege nun aber doch tut, sagen ihre Kritiker. Indem Radwege plötzlich zur Disposition stehen, wenn bei deren Bau zum Beispiel Parkplätze für Autos wegfallen würden.

Der neue Doppelhaushalt wird damit für Manja Schreiner zu einer besonders spannenden Herausforderung: Die Mittel für neue Radwege in Berlin wurden nämlich, entgegen ursprünglicher Vermutungen, nicht gekürzt. Am Geld kann der Ausbau unter Schreiner also schon mal nicht scheitern. Ob das auch für den Willen der Senatorin gilt, muss Manja Schreiner noch beweisen.

Beitrag von Franziska Hoppen

204 Kommentare

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  1. 204.

    Ihr Motto ist: unterstellen auf "Teufel komm raus", das zeiigt wieder mal Ihre Antwort. auf #193.
    Ach, ja, die AfD etc.,und ihre vermeintlichen Argumente.


  2. 203.

    "Sie schwurbeln immer wieder das gleiche, oft an der Sache vorbei."

    Und deswegen kommt keine Widerrede? Es müßte ihnen doch ein Vergnügen und ein Leichtes sein mein angebliches "schwurbeln " zu widerlegen.

    Aber nein, sie probieren es ja nicht mal, wohlwissend dass sie meine Aussage nicht widerlegen können. Arm.

  3. 202.

    "Wurde schließlich zuvor sehr schlecht gemacht durch die Vorgänger."

    Nein, noch mieser wie unter der Autolobbyistin geht nun wirklich nicht mehr. Das war kein "Kommunikationsdesaster", sondern man mußte Schreiner erst demokratische Gepflogenheiten statt ihrer Gutsherrenart beibringen. Die Frau hat in der Politik nichts verloren.

  4. 201.

    "Wurde schließlich zuvor sehr schlecht gemacht durch die Vorgänger."

    Nein, noch mieser wie unter der Autolobbyistin geht nun wirklich nicht mehr. Das war kein "Kommunikationsdesaster", sondern man mußte Schreiner erst demokratische Gepflogenheiten statt ihrer Gutsherrenart beibringen. Die Frau hat in der Politik nichts verloren.

  5. 200.

    Kein leichter Job, den sie hat. Wurde schließlich zuvor sehr schlecht gemacht durch die Vorgänger.

  6. 199.

    An Ihnen ist Hopfen und Malz verloren,
    Sie schwurbeln immer wieder das gleiche, oft an der Sache vorbei.

  7. 198.

    Mit einem Beitrag von 100 Milliarden Euro jährlich in den Bundeshaushalt, und Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland leisten die die Autofahrer einen ordentlichen Beitrag zum Bruttoinlansprodukt!
    Alles wissenschaftlich belegt, man muss es nur wissen wollen

  8. 197.

    Sie hat kurzum in der Politik nichts verloren. Wer glaubt, es sei "Ablasshandel", wenn existenzielle Rechtsgüter von Bürger*innen in Gefahr sind und diese geschützt werden sollen, wie z.B. Wohnen, glänzt nicht gerade mit Expertise. Eine Politikerin, der man das Sozialstaatsprinzip - als studierte Juristin(!) - erklären muss, da sie es ungesetzlich und verfassungswidrig ignoriert, unterstreicht die eigene Handlungsunfähigkeit und die niedrige Auffassungsgabe. Sie hat in keinem ihrer Arbeitsfelder klar kommunizierte Ziele und pragmatische Umsetzungen dieser, entgegen ihrer Selbstinszenierung. Sie ist mitverantwortlich für die Rückschrittspolitik des Senats, insbesondere im Bereich Verkehr, wo sie schlichtweg als unglaubwürdig und einseitig auftritt.

  9. 195.

    "Übrigens, die Straßen werden vorwiegend von LKW und anderen Schwerfahrzeugen überstrapaziert, und ohne diese Fahrzeuge kann man nicht auskommen. "

    Sie leugnen ja grundsätzlich alle wissenschaftlichen Erkenntnisse. Dennoch, obwohl der LKW Verkehr noch zunehmen wird weil die cDU/cSU gezielt die Infrastruktur der Bahn zetstören ließ, sind es immer noch die masse der Autofahrer die durch ihre überflüssigen Fahrten die Straßen usw. zerstören.

    Während der LKW Verkehr somit einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Nutzen erbringt sind es die Autofahrer die uns einen erheblichen volkwirtschaftlichen Schaden zufügen.

  10. 194.

    "hat Frau Schreiner es geschafft die Stadt gegen sich und ihre Politik aufzubringen."

    Aber ganz im Gegenteil. Der Großteil der Berliner atmete erleichtert auf.

  11. 193.

    184. Dagmar lassen Sie es, die Fahrrad Lobbyisten verstehen es sowieso nicht, die sind so in Stein verankert dehnen ist nicht mehr zu helfen. Habe ich auch schon versucht, ohne Erfolg!
    Gott sei Dank, darüber haben andere zu bestimmen!

  12. 191.

    Weiß nicht was sie wollen,ich stehe in diesem Thema zu der Frau Senatorin. Lassen sie bitte das "wir" weg. Sie sind eine Minderheit die nur zuviel Aufmerksamkeit hat. Danke rbb. Ich bin selbst mein Leben lang Radfahrer,weil ich kein Auto brauche, aber ich veranstalte nicht so ein TamTam. Wenn's ihnen nicht gefällt, die Welt hat noch schöne andere Orte

  13. 190.

    Bin auch der Meinung, die SPD hätte das Verkehrsressort nicht an die CDU abgeben dürfen. Die SPD hat viel Know-How auf diesem Gebiet und könnte hier viel Positives bewirken.

  14. 189.

    Wann kommt die U-Bahn von Mariendorf endlich bis Lichtenrade? Der Bau ließe sich in offener Bauweise in kürzester Zeit realisieren.

  15. 188.

    Wohnungsbau ist wichtiger als temporäre Schönwetter-Radwege

  16. 187.

    Meine Güte, Sie begreifen es einfach nicht. Alle Steuern sind NICHT zweckgebunden. Das heißt, dass jeder Steuerzahler sowohl die Kosten der Straßen als auch die der Radwege tragen. Also zahlen Autofahrer u.a. die Radwege und Radfahrer u.a. die Straßen. Und Autofahrer die Straßen und Radfahrer die Radwege. Alles klar ?

    Ansonsten, zum x-ten Male:
    https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ueber-die-kfz-steuer-bezahlen-autofahrer-die-radwege-fuer-fahrradfahrer.f561e91c-7304-4e58-8416-ee52a77f5050.html

  17. 186.

    Ich bin ein Frau Dr. Schreiner-Fan!

  18. 185.

    Antwort auf Immanuel
    Was sind Radwege keine Mehrkosten?
    Ich sage ja jeder der was will soll auch zahlen habe nicht gesagt das Radfahrer genau dieselbe Höhe von Steuern zahlen sollten sondern entsprechend der Kosten.

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