Analyse zum Sieg gegen Augsburg - Eines muss man Hertha lassen

Sa 25.02.23 | 21:00 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Die Mannschaft von Hertha BSC feiert gemeinsam mit den Fans den Heimsieg gegen den FC Augsburg (imago images/Contrast)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.02.2023 | Guido Ringel | Bild: imago images/Contrast

Mit dem 2:0 über den FC Augsburg ist Hertha BSC ein äußerst bedeutsamer Sieg gelungen. Die Berliner zeigten am Samstag zwar keine Glanzvorstellung, bewiesen jedoch wieder ihre womöglich größte Stärke: den Umgang mit Druckspielen. Von Marc Schwitzky

"Typisch Hertha", heißt es oftmals, wenn der Verein aus Berlin-Westend einmal mehr ein Spiel in den Sand setzt. Eine vielversprechende Ausgangslage nicht nutzen, dusselig in Rückstand geraten, Punkte in letzter Minute unbedarft herschenken – alles "typisch Hertha", als würden die Berliner Pleiten, Pech und Pannen magisch anziehen.

Doch da gibt es noch eine weitere, etwas verborgene Eigenschaft, die "typisch Hertha" ist: die Fähigkeit, in absoluten Druckspielen das so dringend benötigte Ergebnis zu erzielen. Jene Stärke zieht sich bereits durch die vergangenen, vom Abstiegskampf geplagten Jahre. In der Spielzeit 2020/21 gewann die "alte Dame" unter Retter Pal Dardai stets die Begegnungen, in denen Hertha aufgrund der Saisondynamik dazu gezwungen war, ein Lebenszeichen von sich zu geben.

Und auch 2021/22 gelang die Mission unter Felix Magath dadurch, dass in den größten Muss-Spielen eminent wichtige Siege errungen wurden – mit dem Rückspielsieg in der Relegation in Hamburg als dramaturgischem Höhepunkt.

Wo Hertha-Augsburg draufsteht, ist auch Hertha-Augsburg drin

Auch unter Sandro Schwarz zeigen die Blau-Weißen, wie gefährlich ein in die Ecke gedrängter Boxer sein kann. Die "Druckspiele", wie Herthas Trainer sie nennt, haben die Berliner eigentlich allesamt für sich entschieden: das Hinspiel in Augsburg, die Heimspiele gegen Schalke, Köln und zuletzt Mönchengladbach – und am Samstagnachmittag auch das Rückspiel gegen den FCA.

Trotz der Ausgangslage warf Hertha gegen den FC Augsburg mit dem Anpfiff nicht übermütig alles nach vorne. Die Berliner Hausherren begannen gegen Augsburg sehr besonnen, die erste Halbzeit diente vor allem dazu, Sicherheit zu gewinnen und sich mit dem Gegner abzutasten. Schließlich ist es gegen kaum einen anderen Bundesligisten so schwer, einen Rückstand aufzuholen, wie gegen die so defensiv- wie kampfstarken Fuggerstädter. So entwickelte sich ein äußerst tempoarmes Spiel, in dem keine der beiden Mannschaften entscheidende Akzente setzen konnte.

Das neue System tut Hertha defensiv sehr gut

Zugegeben, die erste Halbzeit hatte eine nahezu einschläfernde Wirkung. Das lag daran, dass beide Teams gegen den Ball vorbildlich eingestellt waren. Hertha und Augsburg beraubten sich gegenseitig ihrer gefährlichsten Offensivmittel. Während die Blau-Weißen Augsburgs lange Schläge und darauffolgend auch die zweiten Bälle äußerst diszipliniert verteidigten, verstanden es die Gäste gut, Hertha nicht in die geliebten Umschaltmomente zu lassen. Die Zweikämpfe wurden zwar durchweg intensiv geführt, führten jedoch jeweils zu keinerlei Raumgewinn.

So fiel beiden Mannschaften im Spiel nach vorne nur wenig ein, sie neutralisierten sich vollständig. Positiv ist jedoch festzuhalten, wie sicher Hertha nach nur wenigen Spielen im neuen System agiert. Im 3-5-2 ließen die Berliner defensiv erneut kaum etwas zu, die Abstimmung der Abwehrspieler funktionierte hervorragend – daran änderten auch der kurzfristige Ausfall von Marton Dardai und der spätere von Marc Oliver Kempf nichts. Die neugewonnene Souveränität im Abwehrverbund ist ein entscheidender Unterschied zu den ersten Partien des neuen Jahres, in den Hertha stets einem Rückstand hinterherlief und teilweise auseinanderbrach.

Mit dem Schnee kommt die Führung

Anders ausgedrückt: Um ein Spiel zu gewinnen, ist es ratsam, gar nicht erst in Rückstand zu geraten. Das gelang Hertha in den ersten 45 Minuten, mit 0:0 ging es in die Halbzeitpause. Zum Wiederanpfiff brachte Schwarz Dodi Lukebakio in die Partie, der ihr mit seinem Tempo und Spielwitz eine neue Note verlieh. Der Belgier und das Wetter hatten wohl einen entscheidenden Einfluss auf den weiteren Spielverlauf. Mit dem stärker werdenden Schneefall im zugigen Olympiastadion wurde auch die Begegnung etwas offener und schneller.

In der 61. Minute fasste sich Marco Richter ob des für Torhüter unangenehmen Wetters ein Herz. Augsburg klärte einen Freistoß von Marvin Plattenhardt vor die Füße des Flügelspielers, der aus der Distanz einfach mal draufhielt. FCA-Schlussmann Rafal Gikiewcz sah dessen Schuss spät und konnte das 1:0 nicht mehr verhindern. "Ich bin ein Typ, der ab und zu von weiter weg schießt – mit der Innenseite bekomme ich dann manchmal einen guten Flatterball hin, das Schneegestöber hat sein Übriges dazu getan", erklärte Richter, der schon im Hinspiel gegen seinen Ex-Klub getroffen hatte.

Es war ein Treffer aus dem Nichts, der Hertha den Komfort schenkte, nun aus einer eher lauernden Position das geübte Umschaltspiel zu praktizieren. Es war jedoch erneut der ruhende Ball, der das 2:0 (70. Minute) einleitete. Ein weiter Freistoß aus der eigenen Hälfte von Agustin Rogel rutschte durch Freund und Feind, fand Lukebakio, der frei vor Gikiewcz einschieben durfte. Der Angreifer nutzte Augsburgs unerklärliches Abwehrverhalten eiskalt. Da Hertha im Anschluss nichts mehr anbrennen ließ, wurde der 2:0-Sieg recht ungefährdet über die Zeit gebracht.

Hertha schon beinahe Union-esk

Offensiv unheimlich effizient, gegen den Ball exzellent organisiert und im Abwehrverbund über 90 Minuten abgebrüht – Herthas Sieg über den FC Augsburg fühlte sich schon beinahe Union-esk an. Zwar mag die B-Note am Samstag gelitten haben, im ergebnisorientierten Abstiegskampf hat sie aber bekanntlich kaum einen Wert. Viel zu oft musste Hertha sich in der Hinrunde nach Niederlagen damit vertrösten, eigentlich ja gut gespielt zu haben.

Einmal am Tiefpunkt – vier Niederlagen in Serie zum Jahresbeginn – angekommen, scheint sich bei Hertha nun einiges zu drehen. Mit der Systemumstellung hat die Mannschaft neue Sicherheit erlangt, sie wirkt seit der zweiten Halbzeit in Frankfurt deutlich gefestigter und widerstandsfähiger. "Unter der Woche habe ich gepredigt, dass das Spiel hart wird, der FCA ist gegen den Ball sehr unangenehm", so Ex-Augsburger Florian Niederlechner. "Wir haben die Situation angenommen, sind füreinander gelaufen und haben füreinander gefightet – nur so geht es im Abstiegskampf."

In dieser Form ist die "alte Dame" eindeutig konkurrenzfähig, doch Tolga Cigerci hält treffend fest: "Darauf können wir uns jetzt aber nicht ausruhen, sondern müssen weiter so arbeiten und punkten." Denn es ist auch Hertha selbst, das sich durch ausbleibende Ergebnisse in Kann-Spielen immer wieder in die Situation für Pflichtsiege bringt. Es wird nun die Aufgabe sein, es gar nicht erst auf Muss-Spiele ankommen zu lassen – denn irgendwann wird diese Rechnung nicht mehr aufgehen, und dann wird sie sehr teuer werden.

Sendung: rbb24, 25.02.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

18 Kommentare

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  1. 18.

    Wer absteigt hat es auch verdient, ansonsten bis zum schluss warten.

  2. 17.

    Das sind Geschichten aus langer Vergangenheit
    Interessiert heute kaum noch jemand
    Wer fragt heute noch danach das zb. der FC kaiserslautern als einziger Aufsteiger Meister geworden ist ??

  3. 16.

    Das Sie sich daran erinnern? Schön. Wahrscheinlich stehen die vergilbten Fotos im blau-weißen Schrein der Erinnerungen an vormals bessere Zeiten der Hertha. Lang ist es her. Heute geht es um den Abstieg in die 2.Liga.

  4. 15.

    Wir sprechen nochmal, wenn Union in der CL gegen eines der derzeit besten Teams einen Punkt holt ( Hertha gegen Milan) und Barcelona besiegt (wie Hertha). Dann ist Union insgesamt auf Augenhöhe. Und die Liga bitte 15 Jahre und länger halten.. was union gerade macht hat hertha genau so schon mal gemacht

  5. 14.

    Hertha hat endlich den Abstiegskampf angenommen....und sie können ihn offenbar auch. Mit dieser Einstellung werden sie,obwohl es schwer wird,die Klasse halten.

  6. 13.

    Ja, und? Abstiegskampf ist nunmal Abstiegskampf. Dein Nick ist dagegen ziemlich merkwürdig…

  7. 12.

    Meine Güte ihr Herthaner
    Von einem Sieg ist noch keiner Meister geworden
    Kommt mal wieder ein wenig runter von dem hohen Ross

  8. 11.

    Drei wichtige Punkte gegen den Abstieg. Kämpferisch top, spielerisch eher mau. Ob es am Ende reichen wird ?

  9. 10.

    Ich freue mich riesig für diesen Verein und für die Fans.
    Da wird gefeiert, getanzt: drei Punkte auf 20, ein Punkt vor der Abstiegszone um Stuttgart, Hoffenheim und Bochum mit 19 Punkten.
    Egal, heute wird getanzt und der blau/weiße Schal geschwungen. Ich gönne euch das.
    Von 22 Spielen 12 verloren und 5 unentschieden. Da freut man sich auf den 5 Sieg der Saison wie Bolle.
    Wenigstens hat dann heute ein Berliner BL-Fußballverein gewonnen.
    Hertha-Fans, versteht es jetzt nicht falsch. Bei euch geht es um den Abstieg, bei Union um die Meisterschaft und um einen Champions League-Platz.

  10. 9.

    Das ist doch - mit Verlaub - Quatsch. Gewiss darf, kann man das so formulieren - wenn man Hertha nicht mag. Ich mag Hertha u deshalb freue ich mich über dieses zarte Pflänzchen Aufschwung. Und allen Hertha-Wohlgesonnenen ist doch klar - ein Abstieg ist eine Katastrophe: Vor allen Dingen finanziell: Deutlich weniger TV-Gelder, Sponsoren werben gewiss nicht sonderlich gerne mit Absteigern & Zweitligisten, der hauseigene Mitarbeiterstab muss - geschätzt - halbiert werden, der Kostenersparnis wegen. Wohin das führt, sehen wir exemplarisch beim HSV - Daueraufenthalt in Liga 2!
    Übrigens - ich freue mich sehr über die tolle Entwicklung von Union. Ich bin nämlich leidenschaftlicher Berliner und gratuliere den Köpenicker von ganzem Herzen!
    Rajko P. Petrow

  11. 8.

    Kevin hat eindeutige Beispiele aufgelistet, in denen nicht "gelobt", sondern sachlich die gestrige Situation beschrieben wird. Sowohl von Ihnen, als auch Nils, steht einfach nur die Behauptung im Raum, der Artikel sei "voll des Lobes". Also: Wo denn? Meinen Sie den letzten Absatz mit dem Union-Vergleich? Dass Union diese Saison besonders wegen einer Starken kämpferischen Leistung, hervorragender Abwehrarbeit und mannschaftlicher Geschlossenheit so erfolgreich gestaltet wird doch von keinem Unioner bestritten. Das ist dann nicht immer schön anzusehen, aber (auch) so geht moderner Fußball.
    Und auch Hertha BSC kann nur gegen die Teams gewinnen, gegen die sie spielen! Auch am Ende dieser Saison werden maximal drei Mannschaften aus der 1. Bundesliga absteigen. Sehr wahrscheinlich wird Hertha BSC bis zum letzten Spieltag da unten dabeibleiben und zittern. Aber die anderen Mannschaften am Tabellenende sind doch auch nicht nur deshalb dort, weil sie danach gefragt haben.

  12. 7.

    Hier haben gestern 2 Glasklare Abstiegskandidaten gegeneinander gespielt, deswegen sollte man den Sieg nicht überbewerten
    Das wird meiner Ansicht schon ein wenig gemacht
    Verdient wäre der Abstieg, vielleicht wäre er ein Start in den Neuanfang, der schon Jahrelang nötig wäre
    Der Support der Fans ist erstklassig , gestern im Stadion erlebt, halt eher als Augsburgfan
    Am 11. März kommt mein Verein nach Berlin, da bin ich auch dabei

  13. 6.

    Nils hat recht
    Sellten so einen Text voll des Lobes gelesen, wo 2 sehr schwache nicht bundesligataugliche Mannschaften gegeneinander gespielt haben
    Herthi sollte Absteigen und mit sich selbst klar kommen

  14. 5.

    Wo wird im Text "hoch gelobt"??

    - ...entwickelte sich ein äußerst tempoarmes Spiel...
    - ...die erste Halbzeit hatte eine nahezu einschläfernde Wirkung...
    - ...fiel beiden Mannschaften im Spiel nach vorne nur wenig ein...
    - ...ein Treffer aus dem Nichts...

    Das die Defensive sich im neuen System deutlich stabilisiert hat ist Fakt und natürlich erwähnenswert.

    Und das man Ziele hat, an sich glaubt und den Abstieg verhindern möchte ist einfach nur legitim und kein Traum.

    Wenn Hertha "schön spielt" und verliert, wird gemotzt.
    Wenn Hertha über den Kampf gewinnt, wird gemotzt.

    Aktuell darf man sich offensichtlich über gar nichts freuen was die Hertha betrifft!?

    In einem Punkt stimme ich aber zu. Der Support derer auf die es ankommt, ist absolut erstklassig!! Wenn ich da an die beschämenden Zeiten der "nächsten zu zündenden Stufe" oder auch Trikot-Niederlegungen denke, bin ich jetzt wieder gerne im Stadion und trage voller Stolz das Trikot.

  15. 4.

    Wer hier ständig gehypt wird oder auch in der Abendschau ist Union.
    Die „Fans“ hier auf der Plattform fühlen sich wie sonst was und sind nicht mehr objektiv.
    Spielt mal erst in der Championsklasse, dann habt ihr vielleicht etwas geschafft.
    Wobei ich die Arbeit bei Union nicht schlecht finde.

  16. 3.

    Gut gemacht Hertha. Mit Geduld ans Ziel für heute gekommen. Und das gegen eine Mannschaft an der sich in den letzten Wochen schon Einige abgearbeitet haben und in den nächsten Wochen auch noch scheitern werden. Weiter so und es klappt auch am Ende der Saison mit den Zielen. Und danke auch das man Schwarz weitermachen lies. Auch er hat mit einer Systemumstellung seine Lernfähigkeit bewiesen.

  17. 2.

    Hier wird eine Mannschaft so hoch gelobt die einen gleich schwachen Gegner mit Hängen und Würgen geschlagen hat
    Wau, da wird wieder mal geträumt
    Der Support der Fans ist das einzige das bei Hertha der Bundesliga würdig ist

  18. 1.

    Mein Gott, da haben die maaal gewonnen und der @RBB hypt das wieder bis aufs geht nicht mehr... @RBB gibt es keine anderen Themen, wo ihr nicht nur abschreibt, sondern recherchiert?! Abgerechnet wird bekanntlich zum Schluss! Bin mal gespannt ob ihr Hertha noch immer so aufbauscht, wenn die nicht mehr in der 1. BL spielen. Fussball ist nicht mein Sport, aber es nervt bei jeden Pups muss ne Meldung her...

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