Royale Union Saint-Gilloise im Porträt - Was Sie über Union Berlins Achtelfinal-Gegner wissen sollten

Mo 06.03.23 | 14:57 Uhr | Von Till Oppermann
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Die Spieler von Union saint-Gilloise jubeln (Quelle: IMAGO/Belga)
Bild: IMAGO/Belga

Der 1. FC Union trifft im Europa-League-Achtelfinale auf Royale Union Saint-Gilloise - schon wieder. Wieso der Sänger von Righeira für die Belgier jubelt - und was Eidechsenblut mit dem Erfolg des Klubs zu tun hat. Von Till Oppermann

Union gegen Union

Nach der Auslosung des Achtelfinals der Europa League waren viele Eiserne enttäuscht: schon wieder Royale Union Saint-Gilloise? Die Belgier kennt man doch schon aus der Gruppenphase. Dieses Gefühl sieht umgekehrt nicht anders aus: Karel Geraerts, Trainer von RUSG aus der belgischen Hauptstadtregion, sagte nach der Auslosung: "Union Berlin ist vielleicht kein sexy Name, aber trotzdem ein Spitzenspiel." Wie vor den Gruppenspielen gehöre der 1. FC Union zur Spitzengruppe der Bundesliga. Das sei kein Zufall, so Geraerts. Der nachhaltige Erfolg der Köpenicker macht sie in der Wahrnehmung der Belgier trotzdem nicht zum Traumlos: Sporting, Roma, Manchester United - diese Highlights wären attraktiver gewesen als das dritte und vierte Spiel gegen Union Berlin innerhalb einer Saison.

Die Angst, etwas zu verpassen, eint beide Vereine. Denn Duelle im Europapokal sind auch für Saint-Gilles keine Selbstverständlichkeit. Während die Berliner ihre vierte Saison in der Bundesliga spielen, kehrte RUSG erst 2021 nach fast 50 Jahren Abstinenz ins belgische Oberhaus zurück. Nach ihren Aufstiegen entwickelten sich beide Vereine rasant und schafften innerhalb von kurzer Zeit den Sprung ins europäische Geschäft. Dabei verwiesen die Stadtteil-Klubs jeweils auch den Lokalrivalen auf die Plätze und sind aktuell die sportliche Nummer eins in Brüssel beziehungsweise in Berlin. Auch in dieser Saison ist Saint-Gilles Zweiter in Belgien. Von einem Spitzenspiel zu sprechen, ist deshalb weiter keine Übertreibung.

Der berühmteste Anhänger

Wer sich von RUSGs Heimat St. Gilles zum Strand des belgischen Badeortes Ostende aufmacht, fährt mindestens anderthalb Stunden mit dem Auto. Obwohl Stefano Righi in den 1980er Jahren mit seiner Band Righeira den Welthit "Vamos a la Playa" landete, spielte das bei seiner Vereinswahl keine Rolle - er leidet mittlerweile seit zehn Jahren mit Royal Union Saint-Gilloise.

Damals reiste der Italiener nach Brüssel. Während seines Besuchs wollte er ein Fußballspiel besuchen. Der italienischen Zeitung "La Stampa" berichtete er, er habe vor der Abreise nach allen Teams in Brüssel gesucht, um zu schauen, wer ein Heimspiel hatte. Als er seine Freunde vor Ort nach Royale Union fragte, fand er heraus, dass viele von ihnen Fans des Vereins sind. "Da ist der Geist eines Fußballs der Vergangenheit, der Jubel, den es im heutigen Fußball nicht mehr gibt", schwärmt Righi.

Auswärts zuhause

Righis Liebe auf dem ersten Blick hat viel mit dem Stadion des Klubs zu tun. Seit 1919, also ein Jahr länger als Union an der Alten Försterei, spielen die Belgier im Stade Joseph Marien. Bekannt ist das Stadion für eine gute Stimmung und viele Stehplätze. Es liegt zwischen einem Arbeiterwohngebiet und einem Wäldchen am Brüsseler Stadtrand in einem Viertel, das auf französisch "Forest" und auf niederländisch "Vorst" heißt.

Allerdings befindet es sich in einem derart baufälligen Zustand, dass RUSG, die Heimspiele im Europacup Auswärts austragen muss. Während die Gruppenspiele im 32 Kilometer entfernten Leuven stattfanden, weicht RUSG für die K.o.-Runde ins größere Stadion des Lokalrivalen RSC Anderlecht aus. Für Fans der Eisernen ist das keine schlechte Nachricht, durch den Umzug von Leuven zurück nach Brüssel verdoppelt sich die Zahl der Gästetickets auf ungefähr 1.000. Der Lotto-Park (bis 2019 Constant-Vanden-Stock-Stadion) hat insgesamt 20.145 Plätze.

Die Fans

Das Besondere an Union? "Jeder hält zu jedem, das ist Familie." Das sagte der deutsche Stürmer Deniz Undav über seinen mittlerweile ehemaligen belgischen Verein. Nachdem er RUSG mit 25 Toren und zehn Assists in der vergangenen Saison beinahe zur Meisterschaft geschossen hatte, erfüllte Undav sich einen Traum und wechselte in die Premier League zu Brighton. Die "positiv verrückten" RUSG-Fans trägt er trotzdem noch im Herzen, wie er sagt.

Der ehemalige Erfolgs-Trainer Felipe Mazzù, der nach dem Aufstieg und der Vizemeisterschaft zum Lokalrivalen RSC Anderlecht wechselte, beschreibt den rauen Charme in Saint-Gilles: "Hier riecht es nach Gras, Hamburgern und Fritten."

Als Gäste-Fans von Beerschot im vergangenen Jahr im Stade Joseph Marien randalierten, blieben die Royale-Union-Anhänger ruhig. Sie wollten sich den Tag ihrer "Zwanze"-Parade nicht verderben lassen. Die Fan-Szene hatte einen Umzug mit Bier- und Fast-Food-Ständen abgehalten, um Geld für Fans in den Altenheimen des Stadtteils zu sammeln. Viele von ihnen erlebten den Verfall des ehemaligen Spitzenvereins seit den 1970er Jahren und sollten nun mit Freikarten für ein Spiel entschädigt werden.

Die Eidechse

Die sportliche Wiederauferstehung des Stadtteil-Vereins war kein Zufall. Er trägt auch den Namen des Engländers Tony Bloom, der als professioneller Pokerspieler zum Millionär wurde. Bloom investierte in eine Firma, die mittels Datenanalyse eine Formel fand, um mit kontinuierlichem Gewinn auf Sportereignisse zu wetten.

Was klingt wie die Schnapsidee eines Spielsüchtigen, machte Bloom derart reich, dass er sich zuerst leisten konnte, seinen Heimatverein Brighton & Hove Albion zurück in die erste Liga zu führen. Ab 2018 wiederholte er das gleiche Kunststück mit RUSG.

Bloom - dem einst ein Freund wegen seiner eiskalten Berechnung beim Pokern unterstellte, Eidechsenblut in seinen Adern zu haben - setzt dabei auf Daten-Scouting, um für günstiges Geld die perfekten Spieler für das Spielsystem seiner Vereine zu verpflichten. Deniz Undav entdeckte er beim SV Meppen in der dritten Liga.

Hinweis der Redaktion: Bei diesem Beitrag handelt es sich um die aktualisierte Fassung eines Textes, den wir bereits im September 2022 vor dem Hinspiel in der Gruppenphase veröffentlicht haben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.03.2023, 10:15 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

1 Kommentar

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  1. 1.

    Komplizierter Text. Wie bei Agatha Christie.

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