Weniger Wettkampf - Bildungssenatorin kritisiert Reform der Bundesjugendspiele

Mi 05.07.23 | 08:18 Uhr
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Symbolbild:Kinder bei einem Rennen bei den Bundesjugendspielen.(Quelle:imago images/S.Simon)
Audio: rbb 88,8 | 05.07.2023 | Peter Klinke | Bild: imago images/S.Simon

Bei den Bundesjugendspielen soll künftig die Freude an der Bewegung im Fokus stehen - nicht die Jagd auf Auszeichnungen. In Berlin stoßen die Pläne auf ein geteiltes Echo.

  • Bundesjugendspiele reduzieren Wettkämpfe bei Grundschülern
  • kein genaues Messen mit Maßband oder Stoppuhr mehr
  • Spiel und Spaß an Bewegung soll im Vordergrund stehen
  • Kritik der Bildungssenatorin: Kinder wollen sich untereinander messen

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat sich kritisch zur Reform der Bundesjugendspiele geäußert, die auf weniger Wettkampf und mehr Bewegungsförderung abzielt. "Wir tun unseren Kindern keinen Gefallen, wenn wir so tun, als ob sich messen und Leistung nichts mit dem Leben zu tun hätten", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Der Berliner Leichtathletikverband begrüßt das neue Konzept. "Es ist ein guter Entschluss", sagte Vizepräsident Thomas Poller. Er hoffe, dass dadurch deutlich mehr Kinder Freude an der Bewegung finden. "Wie kommt man zum Sport? Sport soll ja Spaß machen", sagte Poller. "In der Vergangenheit war ja ein Kritikpunkt an den Bundesjugendspielen, dass nicht so talentierte Kinder diese eher als Last empfanden", so Poller.

Günther-Wünsch: "Fördern heisst auch fordern"

"Bei der Debatte rund um die Reform der Bundesjugendspiele stehen meist die vermeintlichen Schwächen einzelner Kinder im Vordergrund. Das missfällt mir sehr. Jedes Kind ist einzigartig, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen", sagte Günther-Wünsch. Beides müsse erkannt werden, um Kinder ideal zu fördern. "Und fördern heißt auch fordern - so auch beim Sport: Kinder brauchen Bewegung und sie möchten sich messen - beides macht die Bundesjugendspiele seit Jahrzehnten aus", sagte sie.

Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hält den Wettkampfcharakter weiter für wichtig. Es sei entscheidend, den Kindern den Spaß an der Bewegung zu vermitteln, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Gerhard Brand laut Mitteilung. Gerade im Grundschulalter könne ein alternativer Modus hilfreich sein. "Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Wettkampfcharakter pauschal und für alle Kinder abgeschafft wird", sagte Brand.

"Alle Kinder sollen die Möglichkeit haben, entsprechend ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten zu entscheiden, ob sie eher Spiel und Spaß oder den Kampf um den ersten Platz suchen." Das Miteinandermessen sei ein starker Leistungsanreiz.

Änderung soll ab nächstem Schuljahr gelten

Die bundesweite Ausschreibung der Sportveranstaltung sieht erstmals für das Schuljahr 2023/24 vor, dass die Disziplinen Leichtathletik und Schwimmen bis zur Klassenstufe 4 nur noch als bewegungsorientierter Wettbewerb ausgetragen werden, nicht mehr als leistungsorientierter Wettkampf. Bis zur sechsten Klasse empfehlen die Verantwortlichen den Wettbewerb.

Die Bundesjugendspiele 2023/24 sollen nach Angaben des Bundesfamilienministeriums im August ausgeschrieben werden.

Unter anderem sollen die Leistungen der Schüler nicht mehr zentimetergenau mit dem Maßband oder der Stoppuhr erfasst werden. Stattdessen gibt es künftig zum Beispiel beim Weitsprung oder Werfen bestimmte Zonen, in denen bestimmte Punkte vergeben werden, erläuterte ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums.

Der Wettbewerb schließe Bewegung ja nicht aus. Und aus der Breite heraus könnte man einzelne Kinder auch an Leistung heranführen und möglicherweise auch für den Sport in Vereinen begeistern, so Poller. In Berlin bieten demnach etwa 45 Berliner Vereine Kinder-Leichtathletik für die Altersklassen 7-14 an. Etwa 4.100 Kinder sind in dem Bereich aktiv.

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68 Kommentare

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  1. 68.

    Es ist schon interessant, wie hier die "Experten" für Erziehung unsere Kinder (eigene werden sie vermutlich oft gar nicht haben) zum Höher, Schneller, Weiter antreiben wollen. Meine Schule hatte heute Bundesjugendspiele, glücklicherweise nach Notenschluss, so dass wenigstens nicht die Sportnoten von diesem antiquierten Wettkampf beeinflusst wurden. Ein Drittel der Schülerinnnen und Schüler macht erst gar nicht mit, und das kann ich aufgrund meiner eigenen Erinnerungen gut nachvollziehen. Ich bin selbstverständlich für das Einfordern von Engagement und Leistung, aber diese sollte im Sportunterricht nicht primär in Metern und Sekunden gemessen werden. Bei mir hat der damalige Sportunterricht nichts zu meiner positiven Einstellung zur Bewegung beigetragen, die musste ich mir selbst erarbeiten. Das Motivieren gerade der sportlich eher schwachen Kinder gelingt den Kolleginnen und Kollegen heute viel besser, die Bundesjugendspiele in ihrer bisherigen Form tragen dazu aber wenig bei.

  2. 67.

    Ja, lasst uns alle fröhliche teilnehmer werden. Das dehnen wir dann auch noch auf den beruf aus wo wir dann auch nur noch teilnehmen.
    Wir sind nun mal eine leistungsgesellschafft und je früher wir darauf vorbereitet werden, um so besser.
    Diffamierung und mobing gehören nicht dazu und müssen vermieden werden. Denn schließlich hat jeder stärken und schwäschen.

  3. 66.

    ..., denn es steht und fällt mit den Lehrern und den Vorbereitungen. Bei uns gab's überhaupt keine richtige Einweisung in die Disziplinen. Den Lehrern ist es nicht gelungen, uns den Spaß an Leichtathletik und das Hinfiebern auf diese Spiele zu vermitteln. Plötzlich war Tag X und dann konnten wir zusehen, wie der Otto-Normal-Schüler gegen Kinder, die in Sportvereinen waren abstinken.
    Ein Wettkampf ist keine schlechte Sache, wenn der sportliche Gedanke mit dabei ist.
    Sport frei! :)

  4. 65.

    Herrn Poller als Experten heranziehen ist vielleicht nicht hilfreich. Denn er hat den Mini Marathon „erfunden“ und sich danach als „der Erfinder“ vermerktet. Die Berliner Leichtathletik hat sicher andere und erfahrene Personen oder gar Persönlichkeiten, welche zu diesem Thema aussagen treffen können.

  5. 64.

    "Spiel und Spaß an Bewegung soll im Vordergrund stehen"

    So, wie später im Berufleben, wenn einem die Kollegen die Butter vom Brot nehmen, weil Spiel und Spass in der Erziehung wichtiger war.

  6. 63.

    Ihre Einlassung ist nicht korrekt, schon allein, weil sie nicht dem entspricht nicht dem Berliner Schulgesetz entsprichtn. Die meisten der wenigen Montessori-Schulen raten, so zu verfahren.
    Kinder vergleichen sich trotzdem, das können sie auch allein. Wichtig ist doch, das Ergebnis richtig einzuordnen. Und da ist die Erziehung durch Erwachsene gefragt, damit es kein Mobbing wird.
    Leistungskontrollen in den Sportdisziplinen gibt es mit und ohne Bundesjugendspiele. Wozu also die Debatte?

  7. 61.

    Lieber Roman, ich habe 20 Jahre als Erzieherin gearbeitet und ich kann Ihnen sagen, Ihre Kinder tun mirfast leid. Sie erziehen offenbar abseits jeglicher Anforderungen, das heißt, Ihre Kinder werden in diesem Gesellschaftssystem massive Probleme haben, die hausgemachte sind. Die ewige Stuhlkreis- Taktik hilft nicht mehr lange. Leistung ist unabdingbar und auch nicht so schwer, tut nicht weh. Geht schon.

  8. 60.

    Meinen Sie mir ging es zu meiner Zeit besser? Unser Lehrer war 1964 in Tokio bei der Olympiade in der türkischen Tunermannschaft. Wir als Jungs wollten Leichtathletik und Fußball. Doch der Lehrplan sah auch Turnen an verschiedenen Geräten vor. Und was Lehrer gemacht? Er sagte zu uns, wenn einer von euch das nachtuenden was euch zeige machen wir ein Spiel und was kam dann? Mindestens drei Felgen am Reck und wir 14jährige Rabauken mussten geschlagen geben. Turnen fand ich schrecklich, Leichtathletik dagegen spitze!

  9. 59.

    Weil's bei Ihnen nicht so gut lief, werden - nach Ihrer Darstellung - die "Stärken" anderer nicht gefördert?
    Bei Ihren Mitschüler wurde evtl. in Mathe auf den "Schwächen" rumgehackt.
    Ich hätte gern Physik abgeschafft, die anderen lieber Chemie und ca. fünf andere fanden Erdkunde ganz schrecklich.

  10. 58.

    Alles abschaffen!
    Diese Leistungsgesellschaft!
    Und dann noch "regelmäßige Quälerei" in Deutsch, Mathe, Nawi!
    Unseren Kindern fehlt eindeutig die "Freude in ihren Alltag".

  11. 57.

    Sehe ich auch so. Schule sollte sich am Leben orientieren. Da muss man sicher auch mal was lernen, was einem nicht so gefällt. Aber vor allem sollte man die Stärken des Kindes fördern und nicht ständig auf den Schwächen herumhacken.

  12. 56.

    Die allermeisten sind für den Leistungssport eh nicht geschaffen und der Schulsport stellt für einige eine regelmäßige Quälerei dar.
    Das Zauberwort heißt "freiwillig" und deshalb ist auch eine weitreichende Schulreform seit Jahrzehnten überfällig, denn ein 08/15 Lehrplan, der allen Schüler:innen gleichermassen übergestülpt wird, anstatt sie nach Lesen und Schreiben selbst ihre Interessensschwerpunkte und Wissensinhalte auswählen zu lassen und damit mehr Freude in ihren Alltag zu bringen, behindert eher die Entwicklung als sie zu unterstützen.

    Von Minderjährigen sollte auch nicht erwartet werden, wozu wir als "vorbildliche Erwachsene" überwiegend selbst nicht bereit sind, denn wer will sich selbst als Erwachsener ernsthaft und freiwillig regelmäßig mit Gleichaltrigen im Sport messen?

  13. 55.

    Der Sportunterricht sollte ganz aus dem regulären Lehrplan verschwinden und als freiwillige Angelegenheit TÄGLICH außerhalb des regulären Unterrichts angeboten werden, dafür ersatzweise nach JEDER einzelnen Unterrichtsstunde 2 Minuten das Fenster geöffnet, aufgestanden, sich durchgestreckt und bei Bedarf ausgeschüttelt werden.

  14. 54.

    In einigen Fällen sind die guten Sportler nicht unbedingt die "Guten" in Mathe/Deutsch ect.
    Zu meiner Zeit hatten dann diese Mitschüler "ihre Erfolgserlebnisse" und haben's denn anderen mal gezeigt.
    Gewinnen und Verlieren gehört zum Leben und muss auch gelernt werden.
    Vorallem sind im Sport - gerecht - messbare Leistungen, die jeder akzeptieren muss.
    Also lasst bitte weiter alles wie bisher!

  15. 53.

    Ich persönlich habe Schulsport nur als Drill empfunden und niemals als Anregung zur Bewegung. Schwerpunkte waren Leichtathletik, Geräteturnen und Ballspiele, keine Gymnastik. Die Lehrer ließen schlechte Schüler schweißtreibende Übungen immer wieder wiederholen, um dann festzustellen: „Da ist Hopfen und Malz verloren.“ Loser wurden verspottet. Ich allerdings nie, denn alle wussten, dass ich sie dann nicht mehr abschreiben lassen würde. Später bei der vormilitärischen Ausbildung war der Sport wie der Schulsport. Meiner Tochter ging es 30 Jahre später ähnlich. Endlose Läufe um das Schulgebäude. Und die Ergebnisse aller(!)Teilnehmer der Bundesjugendspiele von dieser Schule wurden in der Schule ausgehängt. Erst als sie die Sportrichtung selbst wählen konnte, machte Bewegung Spaß und sie hatte statt einer 4 plötzlich eine 1.

  16. 52.

    Ich war im Sport eine totale Niete: 100 Meter fast als Letzter, Weitsprung wie ein nasser Sack, und beim Kugelstoßen fiel mir die Kugel fast auf den Fuß. Für eine Ehrenurkunde hat's nie gereicht. Aber die BJS haben verdammt viel Spaß gemacht! Die Lust an der Bewegung hat mir dieser eine Tag im Jahr NICHT genommen. Dafür war eher der reguläre Sportunterricht mit wenig einfühlsamen Lehrern verantwortlich.

  17. 51.

    "sich anzustrengen und auf ein Ziel hin zu arbeiten macht erfolgreich!"
    Was für ein Ziel denn, drei Meter weit springen?
    Da gibt es nun echt andere Ziele, auf die man hinarbeiten könnte und die unsere Kinder zu erfolgreichen Tüftlern oder guten Ärzten machen, nicht zu vergessen hingebungsvolle Lehrer, Erzieher und Pfleger.
    Muss man sich für all das nicht anstrengen und auf ein Ziel hinarbeiten?
    Klar sollen sich die Kinder bewegen, aber ob einer nun zehn oder zwanzig Meter weit wirft, was soll das denn für ein Ziel sein...?

  18. 50.

    Das kann ich mir vorstellen. Oft finden Menschen, die sich nicht bewegen wollen, einen Grund in ihrer Kindheit oder bei anderen Menschen dafür. Das ist ein verbreitetes Phänomen. Allerdings haben wir zu jeder Zeit im Leben die Möglichkeit, uns zu verändern, unseren Körper zu modellieren, unsere Haltung und Einstellung zur Bewegung zu verändern. Bewegung beginnt im Kopf.

  19. 49.

    Die BJS eifern nicht nach Höchstleistungen. Laufen, Springen, Werfen sind Basics menschlicher Bewegung.
    Bekanntlich waren die Nazis keine hellen Köpfe, sondern haben sich aus allen Kulturen und Kulturepochen der Welt(Geschichte) Ideen geklaut, um ihre Ideologie zusammenzukleistern. Carl Diem z.B. griff auf den Sport der Antike zurück. Schon 2.000 Jahre vor ihm strebten die griechischen Poleis (z.B. Athen und Sparta) nach körperlicher Vervollkommnung und Schönheit, Ehre und Ruhm im Sport. Dabei standen die klassischen Disziplinen Speerwurf, Boxen, Laufen, Diskuswurf und Springen im Mittelpunkt.
    Na ja, und die Deutschen haben schließlich beide Weltkriege verloren, trotz Körperertüchtigung, Carl Diem und Olympische Spiele 1936 in Berlin. Also, was soll dieser Griff in die Mottenkiste?

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