Gestiegene Nichtschwimmerquote - "Das sichere Schwimmen ist die beste Lebensversicherung"

So 21.05.23 | 08:55 Uhr | Von Sylvia Lundschien
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Kinder und Erwachsene baden und sonnen sich am 30.06.2019 im Sommerbad Wuhlheide. (Luftaufnahme). (Quelle: dpa/Gregor Fischer)
Bild: dpa/Gregor Fischer

Das Wetter wird wärmer und für viele heißt das: ab ins Freibad, an den See oder Pool. Doch mit dem Beginn der Badesaison 2023 sind nicht alle Kinder und Erwachsenen sichere Schwimmer. Grund ist pandemiebedingter Nachholbedarf. Von Sylvia Lundschien

Hartgesottene Schwimm-Fans hält kaum etwas vom Wasser fern. Ob Corona-Maßnahmen, eingeschränkte Wasserflächen oder niedrige Wassertemperaturen - unbeirrt ziehen sie ihre Bahnen, drinnen wie draußen.

Vielen anderen sind die Wassertemperaturen Ende Mai an den Seen und Flüssen in Berlin und Brandenburg aber noch etwas zu frisch. Dennoch: Die Badesaison ist offiziell in beiden Bundesländern eröffnet, die Wasserqualität ist in Brandenburg vielerorts hervorragend. In Berlin sind außerdem schon einige Sommerbäder geöffnet. Ideal also für einen Ausflug ans und ins Wasser - egal ob in Badehose, Bikini oder Neopren.

Doch wirklich sicher schwimmen können dabei nicht alle: Im April 2022 teilte die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie mit, dass 35 Prozent aller Kinder in Berlin nicht schwimmen können. Die Zahl hatte sich seit 2017 quasi verdoppelt: Damals waren es nur 17 Prozent aller Berliner Kinder, die nicht schwimmen konnten. Aktuelle Zahlen für die Saison 2023 liegen der Senatsverwaltung derzeit noch nicht vor, so ein Sprecher auf Anfrage.

In Brandenburg war ebenfalls ein Rückgang der Schwimmerquoten und Fünftklässlern zu verzeichnen. Im Schuljahr 2010/11 konnten 94,5 Prozent der Kinder schwimmen, im Schuljahr 2019/2020 nur noch 91,4 Prozent.

Aktuell sind es sogar noch weniger: Unter den erfassten 17.294 Schülerinnen waren zum Ende des Schuljahres 2021/22 laut dem Sportministerium Brandenburg 5.370 Nichtschwimmer. Ihr Anteil beträgt damit 31 Prozent.

Allerdings seien diese Quoten nicht mit den Quoten der Vorjahre zu vergleichen, so Ministeriumssprecher Alexander Engels. Denn seit dem Schuljahr 2021/2022 wird die Schwimmfertigkeit auf Grundlage des neuen Niveaustufenkonzepts geprüft. Dieses löse den Frühschwimmer - das sogenannte "Seepferdchen" - ab und stelle höhere Anforderungen.

Hohe Nichtschwimmer-Quote aufgrund der Pandemie

Bundesweit konnten 2022 laut einer Umfrage der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und Forsa [dlrg.de] etwa 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen. 2017, als die letzte Umfrage dazu stattfand, konnten nur zehn Prozent der Kinder nicht schwimmen.

Unter den Erwachsenen waren 2022 laut derselben Umfrage über die Hälfte nicht in der Lage, sich sicher im Wasser fortzubewegen. Konkrete Zahlen zu erwachsenen Nichtschwimmern liegen laut DLRG weder für Berlin noch Brandenburg vor.

Grund für die rückläufigen Zahlen ist vor allem die Corona-Pandemie, durch die viele Schwimmkurse ausgefallen sind. Außerdem wurden durch Energieeinsparungen im vergangenen Winter, aber auch Sanierungen an manchen Standorten Bäder zeitweise geschlossen.

Schwimmkurse für die Sommerferien geplant

Bei den Berliner Bäder-Betrieben (BBB) ist entsprechend die Nachfrage nach Schwimmkursen für Kinder ab fünf Jahren sowie Erwachsene ungebrochen. "Wir sind ausgebucht, kommen gar nicht mehr hinterher", sagt Claudia Blankennagel von den Bäder-Betrieben. Die Schwimmkurse werden in der Regel online angeboten, seien immer "unendlich schnell weg", so Blankennagel. Nur wenige Kurse könnten auch direkt an den Kassen erworben werden.

Aktuell laufen die Kurse noch bis Juni, dann sollen im Sommer Intensivschwimmkurse folgen. Der geplante Vorverkauf starte am 27. Juni, so die BBB-Mitarbeiterin. Am 10. Juli geht es dann mit den Schwimmkursen für Kinder los – 1.600 Plätze soll es dafür insgesamt geben. Weitere Infos finden Interessierte auf der Webseite der Berliner Bäder-Betriebe [berlinerbaeder.de].

Berliner Schwimm-Verband kritisiert fehlende Wasserflächen

Auch der Berliner Schwimm-Verband unterstützt Schwimmfähigkeiten bei Kindern - unter anderem mit dem Projekt "Schulschwimmzentren“. Dabei stehen die Lehrkraft und ein Trainer gemeinsam am Beckenrand, etwa um Kinder mit Wasserangst oder unterschiedlichen Fähigkeiten besser zu betreuen. Durch das Projekt, so Geschäftsführer Manuel Kopitz, konnten einige Bezirke mit hohen Nichtschwimmer-Quoten wie Neukölln oder Mitte diese "erheblich senken". Geplant sei zudem ein Projekt für die Wassergewöhnung von Kita-Kindern in Neukölln und Mitte, das zum August 2023 starten soll.

Aus seiner Sicht sei derzeit das größte Problem beim Abbau der Nichtschwimmer-Quoten der Mangel an Wasserflächen in den Berliner Schwimmhallen, sagt Kopitz. "Kinder aus Kita und Schule können meistens erst zwischen 16 und 18 Uhr vorbeikommen", erklärt er. "Wir nennen das die 'Schokoladen-Zeiten'", denn zu diesen Zeiten gebe es Nutzungskonflikte mit anderen Schwimmerinnen und Schwimmern. Der Geschäftsführer plädiert daher für eine Offensive, um mehr Kindern das Schwimmen beizubringen: "Auf dem Problem werden wir sonst noch eine ganze Weile sitzenbleiben.“

Brandenburg fördert mit Intensiv-Schwimmkursen

In Brandenburg sei der pandemiebedingt ausgefallene Schwimmunterricht zum Teil über die Schulschwimmzentren oder in Eigenverantwortung der Schulen nachgeholt worden, sagt Alexander Engels, Sprecher des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg. Zusätzlich wurden im Rahmen des Programms "Aufholen nach Corona" Intensiv-Schwimmkurse angeboten, bis Ende April 2023 fanden mehr als 100 Intensiv-Schwimmkurse statt und 1.905 Gutscheine für Teilnahmen an weiteren Kursen wurden ausgestellt. Das Land Brandenburg habe für die Intensivkurse 500.000 Euro bereitgestellt, wovon bislang 150.000 Euro abgerufen worden seien.

Eltern können Kindern auch Schwimmen beibringen

Dabei muss es nicht zwangsläufig ein Schwimmkurs sein, um Grundschulkindern das Schwimmen beizubringen. Auch Eltern und Großeltern oder andere schwimmbegeisterte Erwachsene könnten dies tun, erklärt Claudia Blankennagel von den Berliner Bäder-Betrieben. "Die Schwimmkurse sind vor allem dafür, um die Technik zu lernen."

Der Berliner Schwimm-Verein arbeite an einer App, die es Eltern erleichtern soll, Kindern das Schwimmen beizubringen, sagt Geschäftsführer Manuel Kopitz. Die App könnte voraussichtlich Ende des Jahres veröffentlicht werden. Der Verbands-Geschäftsführer ergänzt: "Wegen der Sicherheit ist es aber weiter sinnvoll, auch noch einen Schwimmkurs mit den Kindern zu machen."

Wer seine Fähigkeiten unter Beweis stellen möchte, kann dies am 21. Mai in vielen Berliner und Brandenburger Schwimmhallen oder Freibädern tun. Am "Schwimmabzeichentag 2023" [dlrg.de] können sich alle, die bis dahin das Schwimmen gelernt haben, prüfen lassen und ein Schwimmabzeichen erhalten.

DLRG befürchtet keinen Anstieg von tödlichen Badeunfällen

In der vergangenen Badesaison sind in Berlin 16 Menschen, in Brandenburg 17 Menschen bei tödlichen Badeunfällen verunglückt. In Berlin hat sich im Vergleich zu 2021 die Zahl der Badetoten verdoppelt (2021: 8 Tote), in Brandenburg kaum verringert (2021: 18 Badetote).

Dennoch rechnen sowohl die DLRG in Berlin und Brandenburg in der aktuellen Saison nicht mit mehr Badetoten - trotz der gestiegenen Zahlen an Nichtschwimmern. Erfahrungsgemäß liegen laut DLRG die Unfallursachen oft woanders - beispielsweise fehlende Badeaufsicht, Selbstüberschätzung, Risikoverhalten oder Alkoholkonsum. Dennoch, so DLRG-Sprecher Keip, ist "aus unserer Sicht das sichere Schwimmen die beste Lebensversicherung".

Coronabedingt fehlen in Berlin und Brandenburg überall Rettungsschwimmer

Eine wichtige Rollen spiele auch die pandemiebedingte verschleppte Ausbildung von Rettungskräften, so Keip. 2022 wurden beim DLRG Brandenburg 906 erfolgreiche Rettungsschwimmer-Prüfungen abgenommen, davon waren 593 Neuerwerbungen. Ob damit alle benötigten Stellen abgedeckt würden, ließ der Sprecher offen. Es sei jedoch "unmöglich", in der aktuellen Saison jede der zahlreichen Brandenburger Badestellen zu jeder Zeit zu bewachen - zumal weniger als zehn Prozent der Bade-Spots mit Rettungskräften gesichert seien. Dies entscheide auch oft die örtliche Kommune oder die Haushaltslage, so Keip.

Auch in Berlin mangelt es an Rettungsschwimmern - ein weiterer Grund sei der demografische Wandel, so Michael Neiße vom DLRG Berlin. Rettungsschwimmer sei zudem ein Ehrenamt, aufgrund des veränderten Freizeitverhaltens würden sich dafür weniger Menschen engagieren. Alle zu besetzenden Wasserrettungsstationen würden aber in diesem Jahr besetzt werden können, so Neiße.

Bei den Berliner Bäder-Betrieben sei der Bedarf an Rettungskräften nicht mehr "so akut wie nach Corona", sagt Claudia Blankennagel. Derzeit werde aber noch für die Freibäder Verstärkung bei den Rettungsschwimmern gesucht.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.05.2023, 11:57 Uhr

Beitrag von Sylvia Lundschien

25 Kommentare

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  1. 25.

    Na ja, laut Umfragen gibt es kaum noch Eltern, die ihren Kindern vorlesen, und wie man liest, das Schwimmen bringen ihren Kindern nur wenige von ihnen bei.

  2. 24.

    Vielen Dank für Ihren Hinweis. Es handelt sich um das Sommerbad Wuhlheide, wir passen dies an.

  3. 23.

    Die Not an Rettungsschwimmern ist offensichtlich nicht so groß, wie geschrieben. Wenn ein Kurs seit März 2022 immer wieder verschoben wird, um letzte Woche ganz abgesagt zu werden, scheint der Bedarf nicht vorhanden zu sein. Und jetzt findet man natürlich keinen Kurs mehr bis zum Sommer. Es sind noch nicht einmal Termine. Traurig! - Und dann heißt es, die Jugendlichen würden sich für nichts interessieren oder gar engagieren. In Cottbus gibt es noch immer keine Auskunft, ob es im Sommer Intensivkurse geben wird. Aber was nützen auch die ausgebildeten Trainer, wenn sie keinen Rettungsschwimmer haben?

  4. 22.

    "Eltern sind oft selbst zu faul, bitter."
    Diese sicher fundierte Erkenntnis haben Sie woher?
    Eben mal schnell aus den Fingern gesogen, damit Sie etwas Senf dazugeben können?
    Oder was wäre die Quelle

  5. 21.

    An die liebe Redaktion:

    laut der Beschreibung des Titelbildes dieses Artikels (siehe entsprechendes HTML-Attribut) handelt es sich hierbei um eine Luftaufnahme des Sommerbades Mariendorf.
    Der Hinweis macht mich stutzig, da das Abbgebildete dem Sommerbad Wuhlheide doch sehr ähnelt. Bei einer oberflächliche Internetrecherche konnte ich keine Ähnlichkeiten zu Ihrer Luftaufnahme erkennen, stattdessen aber zum Sommerbad Wuhlheide, was meinen ersten Eindruck bestätigt.
    Hat sich hier möglicherweise ein Fehler eingeschlichen?

    Vielen Dank!

  6. 20.

    'ne App um Kindern das Schwimmen zu lehren. Na, hoffentlich ist das Schmartpfohn der Eltern auch wasserdicht. Langsam wundert mich nix mehr.

  7. 19.

    Ich kann mich noch an Zeiten erinnern da kam ich für 50 Pfennige ins Schwimmbad und hab 10,50 DM verdient . heute zahle ich 5 Euro und verdiene 20. Irgendwie hält mich dieses Missverhältnis vom Schwimmsport im Schwimmbad ab .Andere Sachen im Leben und zum Leben sind wichtiger ,obwohl ich gut und seit dem 4 . Lebensjahr schwimmen kann.

  8. 18.

    Hatten Sie nicht geschrieben, dass es kein Problem ist, wenn man nicht schwimmen kann?
    Auch 10-, 12-, 14-jährige sind Kinder, auch 22jährige.

  9. 17.

    Sie tun ja gerade so, als ob man jederzeit und überall der Gefahr zu ertrinken ausgesetzt wäre. Niemand muss am Rand eines Sees/Teiches/Flusses lang gehen und erst recht nicht in unbeaufsichtigte Gewässer oder im Schwimmbad ins Schwimmerbecken oder Wellenbad. Und Kinder verfügen über Erziehungsberechtigte die sich kümmern sollten. Es gibt keinen 100%igen Schutz, auch nicht für Schwimmer.

  10. 16.

    Über 30 %der Kinder sind übergewichtig, Leiden unter Bewegungsmangel und falscher Ernährung. Kinder lernen von ihren Eltern.

  11. 15.

    "Frage mich, wie die Lage in 5 Jahren aussehen wird."

    Sie werden es uns mitteilen!

  12. 14.

    Das steht im IGLU-Monitor, vergleichbare Studie wie Pisa nur bezogen auf Lesen können und das gelesene auch inhaltlich erfassen zu können.

  13. 13.

    Lorenzo hat Recht! Das hat überhaupt nichts mit negativer Stimmung zu tun. Das sollten sie anerkennen. Hauptsache ist, wir geben 2,75 Milliarden für Waffen aus, ich könnte k.....

  14. 12.

    Eben , weil das Positive in uns selbst verborgen ist, habe ich als Mutter dafür gesorgt, das mein Kind in der 4.Klasse gut lesen und schwimmen kann.
    Da ich viele Realitäten kaum beinflussen kann, nehme ich diese zu Kenntnis, aber Schönreden gehört nicht zu meinen Kompetenzen, gilt eh als kontraproduktiv.

  15. 11.
    Antwort auf [Soso] vom 21.05.2023 um 11:47

    Also Kinder von jeglichen Wasserstellen fernhalten?

  16. 10.

    https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/iglu-studie-lesekompetenz-der-viertklaessler-verschlechtert-sich-deutlich/

  17. 8.

    Vor kurzem wurde in rbb24 berichtet, dass jeder vierte Vietklässler in Berlin nich richtig lesen kann, laut einer Untersuchung.

  18. 7.

    Na mal ganz ehrlich:
    Wann kommt der Punkt, wo Lern- und Bildungserfolge wieder sichtbar nach oben gehen?
    Das hat nichts mit schlechter Laune zu tun.
    Warum soll man sich mit 3 Millionen offiziellen Arbeitslosen und inoffiziell noch mehreren einfach abfinden?
    Hier werden Bildungsauafälle zementiert und mit Geld zugekleistert.
    Am Ende kippt unser komplettes Ausbildungs- und Wohlstandsmodell.

  19. 6.

    Wo steht denn, dass angeblich 25% der Viertklässler*innen nicht lesen können?

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