Union Berlin nach der Niederlage gegen Frankfurt - Wenn Durchhalteparolen zur Antwort werden

Sa 04.11.23 | 20:42 Uhr | Von Till Oppermann
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Union-Spieler Robin Gosens rutscht am Tor vorbei (Bild: Imago Images/Matthias Koch)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.11.2023 | Tabea Kunze | Bild: Imago Images/Matthias Koch

Der 1. FC Union hat schon wieder verloren. Trotz großem Aufwand gelang es der Mannschaft bei der 0:3-Niederlage gegen Frankfurt nicht, ein Tor zu schießen. Zumindest glauben die Spieler noch an sich. Von Till Oppermann

Schon nach zwei Minuten wusste eigentlich jeder in der Alten Försterei, wie das Heimspiel des 1. FC Union Berlin gegen Eintracht Frankfurt enden würde. Etwa zehn Meter vor dem eigenen Strafraum beging Union ein Foul. Den fälligen Freistoß der Gäste konnten die Eisernen zwar noch verteidigen, aber im Rückraum lauerte Eintracht-Stürmer Omar Marmoush. Seinen Schuss ins linke untere Eck konnte Union-Keeper Frederik Rönnow nicht abwehren. Nach weniger als 120 Sekunden stand es 1:0 für die Gäste. An einen Heimsieg glaubten nur noch unverbesserliche Optimisten – zu bekannt war das Szenario.

Mal wieder kassierte Union ein Gegentor nach einem Standard. Mal wieder lag Union zurück. Was in der letzten Saison noch Anlass für Trotz war, sorgte nach elf Niederlagen in Serie für Resignation. Spieler und Fans schauten sich ungläubig an. Es ging einfach so weiter, wie es beim letzten Ligaspiel in Bremen aufgehört hatte. Kapitän Christopher Trimmel analysierte nach Spielende trocken: "In den letzten Wochen sind wir einfach nicht gut genug für dieses Niveau."

Aufbruchstimmung im Keim erstickt

Und dennoch hatte man vor dem Spiel in Köpenick trotz der Negativserie so etwas wie Aufbruchstimmung gespürt. Diskussionen um den Job von Trainer Urs Fischer hatte Präsident Dirk Zingler mit einem Vorwort im Stadionheft abgewürgt. Der Verein habe überprüft, wem man die anspruchsvolle Aufgabe anvertrauen solle, die Mannschaft wieder in die Spur zu bringen und zum Klassenerhalt zu führen. "Die Antwort auf die Frage, wer das tun soll, lautet: Urs Fischer", hatte Zingler geschrieben – und damit beim Publikum offenbar einen Nerv getroffen.

Vor dem Spiel rief das ganze Stadion minutenlang Fischers Namen. Und auch Fischer versprach: "Wir haben uns entschieden, diesen steinigen, mühsamen Weg gemeinsam zu gehen". Sportlich hatte der Schulterschluss zwischen Vereinsführung, Fans und Trainer vorerst keinen Effekt: Nach dem 0:3 gegen die Eintracht bleiben viele offene Fragen.

Großer Aufwand

So viele, dass sowohl Trimmel als auch Nationalspieler Robin Gosens eine Vokabel in den Mund nahmen, die allen Unionern aus den letzten Wochen nur zu gut bekannt ist: "unerklärlich". Wäre Unions Saison ein Filmklassiker, dann würde Bill Murray die Hauptrolle spielen. Aber "Und täglich grüßt das Murmeltier" wurde in den letzten Wochen zu "Und alle drei Tage grüßt die Niederlage".

Wie in den Spielen zuvor betrieben die elf Spieler in Rot am Samstagnachmittag trotz des geringen Ertrags einen enormen Aufwand: 126,2 Kilometer Laufleistung gleichen der Intensität eines WM-Finals und nicht der eines durchschnittlichen Bundesligaspiels. Union war sowieso schon eine der beiden laufstärksten Mannschaften der Liga und übertraf gegen die Eintracht den eigenen Durchschnitt nochmal um fünf Kilometer. "Wir haben heute wieder einen unglaublichen Aufwand betrieben", schnaufte der erschöpfte Gosens nach der Partie zurecht.

Kein Ertrag

Auch Trimmel sagte: "Ich spüre zwar jeden Tag, dass der Trainer und auch die Mannschaft alles geben – trotzdem reicht es aktuell einfach nicht". Die Wahrheit liegt im zweiten Teil seines Statements: Spätestens nach der Niederlage gegen Frankfurt ist Union an einem Punkt, an dem sich Aussagen über den Aufwand, die Motivation und die Leidenschaft abnutzen. Wenn die Mannschaft ihre Laufleistung noch weiter steigern will, müsste Torhüter Frederik Rönnow 90 Minuten in seinem Strafraum im Kreis laufen. Den Beweis, dass die Spieler unbedingt gewinnen wollen, haben sie erbracht.

Was Union noch dringender braucht, sind fußballerische Erfolge. Und zwar hinten und vorne: "Im Moment ist es so, dass wir einfach nicht gut genug sind. Nicht nur, dass wir keine Tore schießen – wir haben auch wieder drei bekommen", fasste es Trimmel zusammen. Elf zu vier Torschüsse, 92 zu 82 Prozent Passquote, 65 zu 35 Prozent Ballbesitz, 126,2 zu 123,5 zurückgelegte Kilometer, 0:3 Tore. Unions Aufwand brachte keinen Ertrag, noch schlimmer: Die Unioner stehen jetzt auf dem Relegationsplatz.

Der Mannschaft bleiben Durchhalteparolen

Nachdem Trainer Fischer gegen Frankfurt zum dritten Mal binnen einer Woche sein System umstellte und am Samstag mit einem 5-2-3 ins Spiel ging, ist klar, dass Unions Probleme nicht taktischer Natur sind. Wie schon häufiger in dieser Saison kam Union gegen die Eintracht durchaus zu klaren Torchancen. David Datro Fofana hätte in der 18. und 19. Spielminute gleich zweimal treffen können, als er erst frei zum Schuss kam und dann den Ball an die Latte köpfte.

Mal wieder stellte der junge Angreifer unter Beweis, dass er das Format für die Bundesliga besitzt. Aber ein Tor wollte ihm nicht gelingen. Seit Beginn der Saison wartet er auf ein Erfolgserlebnis und steht damit stellvertretend für die gesamte Mannschaft. Mit jedem Spiel sinkt das Selbstvertrauen in der Mannschaft. Der Ausweg daraus kann nur noch ein Sieg sein – egal ob verdient oder glücklich. "Wir müssen die guten Sachen, die es heute trotz des Resultats gab, mitnehmen und weiter an uns glauben", sagte Robin Gosens und seine Durchhalteparole macht irgendwie Mut: Die Spieler scheinen nicht aufzugeben. Genau wie ein Fan, der sich nach dem Spiel aufwärmen wollte und fünf Minuten am Bierstand versuchte, ein warmes Getränk zu bestellen. Seine Forderung: "Aufwachen, Glühwein machen."

Sendung: rbb24, 04.11.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

34 Kommentare

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  1. 33.

    Eigentlich ja. Nur Hertha ist ein schlechtes Beispiel für ein Wirtschaftsunternehmen. Bayern dagegen wirtschaftet gut. Man sollte sich doch eher an guten Unternehmen orientieren.

  2. 32.

    Natürlich wie Hertha BSC. Nur backt das Wirtschaftsunternehmen Hertha BSC in dieser Saison viel kleinere Brötchen als Union. Deshalb sind die Ansprüche auch bescheidener, und in diesem Rahmen dürfen wir Herthaner uns zumindest über eine Stabilisierung freuen.

  3. 30.

    Wenn Sie am Trainer festhalten ist es gut wenn nicht sind sie ein gewöhnlicher Verein. Wenn sie das nicht schon sind.

  4. 29.

    Doch!
    Allein der Aufstieg war eine begrüßenswerte Sensation.
    Es stimmt schon, wir sind auf der Tribüne für Stimmung bekannt,
    ruhig da sitzen wie beim Tennis ist im Großen und Ganzen nichts für uns.
    Wir wollen gewinnen aber akrzeptieren den Misserfolg!
    EISERN!

  5. 28.

    Die Zeiten kenn ick ooch noch. Ihr in Prag und wir über die Grenze in die AF.
    Hahohe

  6. 27.

    Die Vergangenheit, die ja für einen selbsternannten Kultverein gar nicht so lang ist, mal eben unter den Tisch zu kehren - das können sie in Köpenick.
    Es ist noch gar nicht lange her, da wurden Fans von St. Pauli durch die Wuhlheide gejagt, nur um kurze Zeit später sich genau bei denen anzubieten um sich als "St. Pauli des Ostens" zu bezeichnen.
    Nach meiner Erfahrung sind deren Alt-Fans eher die, die St. Paulianer jagen und die Anbiederer die neuen Erfolgsfans.
    Beide verklären ihren Verein, der 2023 nicht "anders" ist. Er ist genauso ein Wirtschaftsunternehmen wie Bayern, der BVB oder RB Leipzig.

  7. 26.

    So ist es. Aber Unioner sind noch nie am Ergebnis interessiert gewesen, sonder nur am Event. Was auf dem Platz passiert, ist denen egal. Hauptsache man kann zusammen singen und saufen. Und Veränderungen mag der klassische Unioner auch nicht.

  8. 25.

    Schade, dass jegliche konstruktive Kritik mit einer Beleidigung in Richtung Hertha beantwortet wird. Was ist denn los mit euch Unioner?

  9. 24.

    Kann mich noch gut an die 90er erinnern, in dem der "Kiezklub" nicht müde wurde zu monologisieren, dass "Geld keine Tore schießt", man "Erfolg nicht kaufen kann" und der entsprechende Konkurrent mit "Sch... Millionäre" betitelt wurde ... passt

  10. 23.

    Ich denke nicht, dass sich Hertha bzw. die Herthafans vom Verhalten der Unionfans etwas abschauen müssen. Dieses völlig unkritische Jubeln ist m.E. keine wünschenswerte Ausdrucksform von Fans, die dem Verein enger verbunden sind als die Akteure auf dem Platz und ermöglicht diesen und der Vereinsführung, sich die Lage weiter schönzureden. Auch ich erwarte nicht den Abstieg Unions, aber was da gerade geboten wird, ist eines CL-Teilnehmers mit teurem Kader unwürdig. Wenn die Unionfans trotzdem zufrieden sind, soll es mir Recht sein, andernfalls empfinde ich das Bauchpinseln der Mannschaft als unangebracht.

  11. 22.

    Danke. Darf ich ergänzen mit einem sehr passenden Zitat aus "Eisernet Lied" von Sporti?
    "Doch die Mannschaft weiß,
    dass wir hinter ihr stehn
    und wer dit nich kapiert,
    der soll zu Hertha jehn!"
    Hier wird die Mannschaft nicht ausgepfiffen. Dit is Union. Jibt andere Vereine für andere Leute.

  12. 21.

    Interessant wie hier mit einer kritischen Meinung eines Fans umgegangen wird.

    Negative Kritik soll bedeuten, dass er kein "richtiger" Union-Fan ist?!
    Was ist denn ein "richtiger" Fan?
    Einer der nur klatscht, singt und Bierchen trinkt im Stadion, egal was auf dem Platz passiert???

  13. 20.

    Das sagt kein richtiger Unioner! Wahrscheinlich ist Lutz ein Herthafan, der einfach nur Unruhe stiften will. Ich finde es bewundernswert, wie die Mannschaft immer noch von den Fans unterstützt wird. Davon könnte z.B. Hertha sich ne Scheibe abschneiden!

  14. 19.

    Das ist wie bei der Tulpenhause der Holländer.
    Wie ein Kommentator neulich trefflich anmerkte, haben sich die Mannschaften auf die Strategie und Taktik des 1. FC Union eingestellt und Gegenmaßnahmen getroffen.
    Es hätte mich insgesamt auch extrem verwundert, wenn dem nicht so wäre. Denn der märchenhafte Aufstieg eines Drittligisten in die 1. Fußballbundesliga und darüber hinaus, ist de facto völlig unmöglich.
    Das muss denen gerade wehtun, sie aus ihrem Märchentraum in die Realität zurückgeholt werden.
    Union…meine Fresse…die kochen auch nur mit Wasser.

  15. 18.

    Ab jetzt spielen wir gegen den Abstieg, wie kann man solche Lösung vom Verein her Vorschlagen und das am 10. Spieltag. Damit verunsichere ich die Mannschaft total. Meine Meinung man wartet auf Köln bis dort einer entlassen wird dann ist sofort ein neuer Trainer da. Wetten

  16. 17.

    Was soll passieren,sollen sie ihr Trikot in den Dreck schmeißen, oder sollen die Ultras die eigenen Spieler jagen! So wie bei einem anderen Berliner Verein.Das wird NIE passieren. Kritik tragen wir nie nach außen.Kümmert euch um euern Verein,damit habt ihr genug zutun.

  17. 16.

    Manchmal könnte man denken, Sportvereine generell werden dafür bezahlt, das sie verlieren oder gewinnen

  18. 15.

    Sie haben Union nicht kapiert, das kann man allerdings auch nicht vor dem TV. Würde das Androhen von Gewalt aus der Kurve (Stuttgart!), das geforderte Zwangsausziehen der Trikots (Hertha, Nürnberg!) oder das Ausheben von elf Gräbern auf dem Trainingsplatz (Dresden!) Leistungsbereitschaft und Selbstbewussts fördern?
    Interessant, dass nun die Ultras - auf die verbal-medial gern eingeprügelt wird - für ihren Support nach 12! Pflichtspielniederlagen kritisiert werden!

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