Interview | Ex-Cottbuser und -Hachinger Gerhard Tremmel - "Ich würde die Relegation abschaffen"

Di 06.06.23 | 11:40 Uhr
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Gerhard Tremmel (l.) und Claus-Dieter Wollitz jubeln gemeinsam für Energie Cottbus in der Saison 09/10. Quelle: imago images/Ulmer/Cremer
Audio: rbb24|inforadio | 06.06.2023 | Andreas Friebel | Bild: imago images/Ulmer/Cremer

Gerhard Tremmel stand in der Bundesliga für Cottbus und Unterhaching im Tor. Vor dem Relegationsduell beider Teams erklärt Tremmel, wem er die Daumen drückt, was er von der Aufstiegsregelung hält und warum Pele Wollitz der Richtige für Energie ist.

rbb|24: Herr Tremmel, Sie sind gebürtiger Münchner, standen in der Jugend und später in der Bundesliga im Tor der SpVgg Unterhaching. 2006 kamen Sie nach Cottbus, blieben dort vier Jahre. Hand aufs Herz, welchem Team drücken Sie in der Relegation (Hinspiel am Mittwoch, 20:30 Uhr im rbb Fernsehen (Brandenburg) und im rbb|24-Livestream) die Daumen?

Gerhard Tremmel: Das ist eine schwierige Frage; eher Unterhaching, muss ich sagen. Da liegen meine Wurzeln, das ist meine Heimat gewesen. Ich habe bei Bayern und 1860 München in der Jugend gespielt, meine Familie stammt aus dieser Stadt. Ich wollte immer in München bleiben, das war mein großer Traum. Aber im Leben eines Profis gehört es dazu, die Vereine zu wechseln. Wobei ich sagen muss, ich hatte in Cottbus auch eine schöne Zeit im Laufe meiner vier Jahre dort.

Eine emotionale Verbundenheit mit Energie ist also nach wie vor vorhanden?

Ja, weil ich dort meine beste Bundesliga-Zeit hatte. Im ersten Jahr habe ich kaum gespielt, es war eine extrem schwere Zeit für mich, aber am Ende hat sich alles zum Guten gewendet. Ich hatte zwei tolle Jahre in der Bundesliga, anschließend ging ich mit dem Verein nochmal in die zweite Liga, obwohl ich eigentlich nach Hamburg hätte wechseln sollen. Aber daraus wurde nichts, weil dort Dietmar Beiersdorfer entlassen wurde, von dem ich bereits die Zusage hatte, und so blieb ich Energie ein weiteres Jahr erhalten.

Sie spielten dann auch eine Saison unter Trainer Claus-Dieter Wollitz. Welche Erinnerung haben Sie an ihn?

Jeder kennt Pele Wollitz. Er ist sehr emotional und nimmt kein Blatt vor den Mund. Er versprüht viel Energie in der Umkleidekabine und versucht seine Mannschaft immer permanent zu pushen. Wir beide hatten auch ein sehr gutes Verhältnis. Ich denke, er ist ein guter Trainer, der auch sehr gut zu Energie Cottbus passt.

Zur Person

Gerhard Tremmel im Trikot von Energie Cottbus. (Bild: IMAGO / MIS)
IMAGO / MIS

Gerhard Tremmel, Jahrgang 1978, ist gebürtiger Münchner und spielte in der Jugend für den FC Bayern, 1860 München und die SpVgg Unterhaching. Im April 2000 kam er als dritter Torwart unverhofft zu seinem Bundesliga-Debüt im Derby gegen 1860, nachdem beide Stammtorhüter kurzfristig ausfielen.

2002 wechselte Tremmel zu Hannover 96, ehe er sich 2004 Hertha BSC anschloss, dort aber nur Ersatz war. 2006 führte ihn sein Weg nach Cottbus, in der Lausitz wurde er zum Bundesliga-Stammkeeper und kam in vier Jahren auf 101 Pflichtspiele für Energie.

Nach weiteren Stationen bei RB Salzburg, Werder Bremen und Swansea City beendete Tremmel 2017 im Alter von 38 Jahren seine aktive Karriere und arbeitet seither als Scout.

Was macht die Klubs Unterhaching und Cottbus aus?

Außer, dass beide Bundesliga gespielt haben, gibt es eigentlich kaum Gemeinsamkeiten. Beide hatten zuletzt mit finanziellen Problemen zu kämpfen, aber da gibt es ja mehrere Vereine in der dritten und vierten Liga, die ähnliche Probleme haben. Cottbus ist ein großer Verein des Ostens und Haching im Gegensatz dazu nur ein Vorort von München, der es 1999 geschafft hat, in die Bundesliga aufzusteigen. Das war im Grunde eine einmalige Geschichte. Das wäre so, wie wenn heute Sandhausen in die Bundesliga aufsteigen würde. Einfach unglaublich. Es war klar, dass Haching irgendwann wieder runtergeht und nicht die Power hat, um sich langfristig in der ersten oder zweiten Liga zu halten.

Bei der SpVgg hat man das Gefühl, das ist ein kleiner Verein mit familiärer Atmosphäre, wo nicht alles vom sportlichen Erfolg abhängt. Liegt auch deshalb der Druck in den beiden Relegationsspielen eher bei Energie?

Ja, irgendwie hat man bei Haching fast das Gefühl, sie möchten gar nicht aufsteigen. Vor circa einem Jahr war ich mal wieder dort. Es hat sich nicht allzu sehr verändert im Vergleich zu früher. Man kann dort in Ruhe arbeiten. Der Verein ist für junge Trainer eine sehr gute Plattform. Das hat man jetzt auch gesehen mit Sandro Wagner, der dort wirklich einen guten Job als Trainer gemacht hat. Das muss man ganz klar sagen, weil die finanziellen Rahmenbedingungen dort wahrlich nicht so gut sind.

Sie haben mit Energie Cottbus 2009 selbst Relegation gespielt, damals um den Verbleib in der Bundesliga gegen den 1. FC Nürnberg. Cottbus stieg am Ende ab. Wie haben Sie damals die Relegation erlebt?

Es war eine sehr hohe nervliche Belastung. Wir hatten nicht die beste Saison gespielt und hatten dann über die Relegation nochmal die Chance, in der Bundesliga zu bleiben. Damals hatte ich aber das Gefühl, dass die Mannschaft nicht bereit war für diese Spiele, obwohl ich mit aller Macht die Klasse halten wollte. Doch die Vorzeichen waren nicht gut, um dort als Sieger hervorzugehen, denn die Mannschaft war einfach nicht intakt. Das Hinspiel haben wir dann 0:3 verloren. Einige Transfers waren damals nicht so gut integriert, aber das ist elementar für eine Mannschaft wie Cottbus. Da muss die mannschaftliche Geschlossenheit zu 100 Prozent da sein, sonst hast du keinen Erfolg.

Wie stehen Sie zur Relegation?

Ich würde sie abschaffen, ganz eindeutig. Nehmen wir mal das Beispiel Hamburger SV: Die haben letztes Jahr eine gute Saison gespielt, sind Dritter in der zweiten Liga geworden. Scheitern dann in der Relegation gegen eine schwache Mannschaft von Hertha BSC, die es eigentlich nach den Leistungen nicht verdient gehabt hätte, in der Bundesliga zu bleiben. Jetzt war der HSV wieder in der Relegation und hat es gegen Stuttgart erneut nicht geschafft. Diese Regelung wird dem Sportlichen einfach nicht gerecht. Ich denke, dass das englische Modell wesentlich reizvoller ist: Mit drei direkten Absteigern, zwei Aufsteigern und der dritte Aufstiegsplatz wird dann im Playoff ausgespielt. Das steigert am Ende auch die Wertigkeit der zweiten Liga, weil es definitiv drei Aufsteiger gibt.

In der Regionalliga Nordost steigt momentan ja nicht mal der Meister auf ...

(unterbricht) ... das finde ich auch eine schwachsinnige Regelung. Für mich gehört der Meister in die nächsthöhere Liga. Punkt. Wofür spiele ich denn? Wenn du Meister wirst, musst du einfach aufsteigen. Eine Mannschaft steht die ganze Saison oben und am Ende steigt sie nicht auf, weil sie die Relegation verliert. Das geht so nicht. Vielleicht muss man die Regionalliga auf vier Staffeln reduzieren, aber das ist dann wahrscheinlich wieder eine Frage des Geldes. Ein Meister der Regionalliga sollte aufsteigen. Das hört man ja fast von allen Seiten.

Wer wird am Ende in die dritte Liga aufsteigen, Cottbus oder Haching?

Das kann ich nicht beurteilen, weil ich die Mannschaften zu wenig kenne. Solche Spiele sind immer 50:50-Angelegenheiten, da kommt es viel auf die Tagesform an. Einen Favoriten gibt es aus meiner Sicht nicht.

Sie haben viel erlebt in Ihrer Karriere: Sie gaben im Jahr 2000 völlig überraschend Ihr Debüt in der Bundesliga im Derby gegen 1860, beim legendären 2:0 von Haching gegen Leverkusen am letzten Spieltag standen Sie im Tor, mit Swansea gewannen Sie den englischen Ligapokal in Wembley. Was war Ihr sportliches Highlight?

Es gab viele Höhepunkte, aber der Ligapokal mit Swansea war mit Sicherheit das Größte. Im Sport geht es ja immer darum, etwas zu gewinnen. Bei den Olympischen Spielen sind es Medaillen und im Fußball sind es eben Meisterschaften und Pokale. Solche Titel bleiben aber für viele Profis unerreichbar. Deshalb steht dieser Pokalsieg in England für mich ganz oben.

Herr Tremmel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Fabian Friedmann, rbbSport.

Gerhard Tremmel wird sowohl am Mittwoch als auch am Sonntag der TV-Experte der rbb|24-Übertragung der Relegationsspiele zwischen Energie Cottbus und der SpVgg Unterhaching sein.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.06.2023, 12:15 Uhr

8 Kommentare

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  1. 8.

    " Der HSV hat aber auch schon von der Relegation profitiert "

    Und genau das habe ich ja u.a. auch versucht mit meiner Antwort auszudrücken . Das es durchaus seinen Reiz hat mit der Relegation und mal hat man Glück und ein anderes mal nicht .

  2. 7.

    Der HSV hat aber auch schon von der Relegation profitiert. Sonst wären sie noch eher von der ersten Liga vor ein paar Jahren abgestiegen.

  3. 6.

    " Warum? "

    Ich finde es gut das nicht alle 3 letzten Plätze sofort absteigen müssen sondern Platz 16 der jeweils höher gelegenen Liga noch einmal eine sogenannte Schonfrist bekommt . Das mag für die aufsteigenden Mannschaften und dort insbesondere Platz 3 sicher nicht so schön sein aber es siegen ja nicht immer automatisch die Gegner aus der jeweils höheren Liga und deshalb hat es für mich als Zuschauer durchaus seinen Reiz . Schwierig wird es sicher wenn der eigene Lieblingsverein davon betroffen ist aber auch in diesem Fall sollte man es versuchen sportlich zu sehen auch wenn ich schon etwas Mitleid mit den HSV Fans habe die jetzt schon zum 2. mal die Relegation vermasselt haben .

  4. 4.

    Voriges Jahr hat Cottbus nicht so viel gejammert. Ach ja richtig da waren sie ja nicht betroffen. Ihr müsst doch nur gewinnen mehr nicht.

  5. 2.

    Ich finde Relegation gut !!

  6. 1.

    Spielzeit 2023/2024 (wie auch 2020/2021) steigt der Meister Nordost direkt auf. Nicht vorher jammern (siehe HSV), wenn es nicht klappen sollte. Nächstes Jahr braucht Cottbus nur Erster zu werden.

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