Unruhe in der Gemeindevertretung - Kritiker fordern Rücktritt des Bürgermeisters von Hoppegarten

Mo 20.06.22 | 18:40 Uhr | Von Marie Stumpf
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Sven Siebert, Buergermeister der Gemeinde Hoppegarten (Quelle: imago images/Frank Sorge)
Audio: Antenne Brandenburg | 18.06.2022 | Volkmar Seidel von der SPD-Fraktion | Bild: imago images/Frank Sorge

Projekte, die nicht vorankommen. Entscheidungen über den Kopf der Gemeindevertretung hinweg. Der Bürgermeister von Hoppegarten sieht sich aktuell mit vielen Vorwürfen konfrontiert. Jetzt wird der Ruf nach einem Rücktritt lauter. Von Marie Stumpf

Die Stimmung in der Gemeindevertretung in Hoppegarten (Märkisch-Oderland) könnte derzeit wohl besser sein. Politiker aus den Fraktionen CDU, SPD, Grünen und Linken sind unzufrieden mit ihrem Bürgermeister Sven Siebert (parteilos). Ein Vorwurf: Seit Sieberts Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren sei zu wenig passiert, so der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Volkmar Seidel. Projekte kämen nicht zum Abschluss.

"Es herrscht totaler Stillstand!"

Als Beispiel nennt Seidel den Bau eines temporären Anbaus für die Lenné-Oberschule in Hoppegarten. Als Baumängel aufgetreten seien, habe sich die gesamte Abnahme des Gebäudes um fast ein halbes Jahr verzögert, weil Siebert nicht tätig geworden sei. Auch Nachfragen in der Gemeindevertretung zu verschiedenen Themen könne der Bürgermeister regelmäßig nicht beantworten. "Er tut einfach nichts", so Seidel.

Seine Darstellung bestätigen mehrere Gemeindevertreter, so auch Kay Juschka (CDU) als Vorsitzender des Gremiums. "Es herrscht totaler Stillstand", sagt er. "Mir fällt nicht ein einziges Projekt ein, das unter Herrn Siebert abgeschlossen oder angeschoben wurde."

Kämmerei seit Jahren nur teilweise besetzt

Dazu kommt der Personalmangel in der Gemeindeverwaltung. Viele Stellen seien derzeit unbesetzt, so gebe es seit längerer Zeit keinen Stellvertreter für den Bürgermeister, klagt Volkmar Seidel. Seit zweieinhalb Jahren habe es immer wieder nur zeitweise Kämmerer gegeben, zuletzt eine Abgesandte vom Kreis. Aktuell sei die Stelle wieder unbesetzt. Viele Entscheidungen verzögerten sich dadurch, so Seidel.

Desweiteren halte sich Siebert nicht an Absprachen, so habe er sich bei einer Abstimmung auf der Verbandsversammlung des Wasserverbandes Strausberg-Erkner im Dezember enthalten, obwohl er zuvor in der Gemeindevertretung erklärt hatte, mit Nein stimmen zu wollen. Damals ging es um die geplante Wasser-Rationierung.

Siebert bestätigt das gegenüber dem rbb. Vor der Abstimmung sei es in der Verbandsversammlung zu einer kontroversen Diskussion gekommen, in dessen Verlauf er sich umentschieden hätte. Siebert weist jedoch darauf hin, dass sein Abstimmungsverhalten keinen Einfluss auf das Ergebnis gehabt hätte. Einen offiziellen Beschluss der Gemeindevertretung dazu, wie Siebert abstimmen sollte, gab es nicht. Man müsse sich aber auf die Aussagen des Bürgermeisters verlassen können, sagt Kay Juschka.

Siebert bestreitet Investitionsstau

Die anderen Vorwürfe bestreitet Siebert, so etwa den Investitionsstau. "Gewisse Projekte brauchen natürlich eine Vorlaufzeit", erklärt er gegenüber dem rbb. Dennoch habe er seit seinem Amtsantritt mehrere Dinge bewirkt, so etwa den Kauf des Grundstücks auf dem ehemaligen KWO-Gelände am S-Bahnhof Hoppegarten. Dort will die Gemeinde eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe bauen. Das Vorhaben sei inzwischen auch Teil des Schulentwicklungsplans des Kreises, so Siebert. Als weiteres Beispiel führt der Bürgermeister das neue Feuerwehrgerätehaus in Hönow an. Baubeginn sei noch für dieses Jahr geplant. Dafür gebe es erstmals Fördermittel aus dem Programm kommunale Infrastruktur.

Fragen der Gemeindevertreter würde er stets beantworten, so Siebert weiter. "Mitunter dauert es manchmal etwas länger, weil zuständige Mitarbeiter zu den einzelnen Sachbearbeitungen auch mal nicht vor Ort sind. Nicht zu vergessen, dass wir uns in den letzten zwei Jahren unter besonderen Arbeitsbedingungen, sprich Corona, befunden haben."

Den Personalmangel räumte Siebert dagegen teilweise ein, er kümmere sich jedoch darum. So habe er beispielsweise eine neue Kämmerin gefunden. Sie soll am 1. Juli anfangen.

Vorwurf der Korruption

Der neueste Vorwurf gegen Siebert ist nun auch der schwerwiegendste: Korruption. Hintergrund ist ein Streit über den Winterdienst im vergangenen Jahr. Nach Aussage mehrerer Gemeindevertreter soll es Siebert versäumt haben, den Winterdienst rechtzeitig auszuschreiben. Die daraufhin überteuerten Angebote der Firmen habe Siebert dann gegen das Votum der Gemeindevertretung angenommen.

Nach der Brandenburgischen Kommunalverfassung ist der Bürgermeister aber an die Beschlüsse seiner Gemeindevertretung gebunden und darf sich nicht über sie hinwegsetzen. Nach Informationen des rbb soll Siebert den Winterdienst außerdem schon beauftragt haben, bevor er die Gemeindevertretung am 16. Dezember fragte. Juschka, der Vorsitzende der Gemeindevertretung, wirft Siebert deswegen Korruption vor. Der Hauptausschuss in Hoppegarten habe veranlasst, die Staatsanwaltschaft Neuruppin zu benachrichtigen, die eine Schwerpunktabteilung zur Korruptionsbekämpfung besitzt.

Auf Nachfrage bestätigte diese den Eingang eines solchen Schreibens. Aktuell werde geprüft, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Gleichzeitig prüft die Kommunalaufsicht des Landkreises zwei Anträge der Gemeindevertretung Hoppegarten zur Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Siebert.

Siebert beruft sich auf Sorgfaltspflicht

Im Gespräch mit dem rbb bestätigt Siebert, dass er den Winterdienst vor und gegen den Beschluss der Gemeindevertreter beauftragt hatte. Zur Begründung verwies er auf die Pflicht der Kommune zur Gefahrenabwehr. Die Korruptionsvorwürfe weist er zurück. "Ich konnte nicht riskieren, dass hier kein Unternehmen beauftragt wird", so Siebert. "Im Dezember 2021 waren die Wettervorhersagen für den bevorstehenden Winter, sowie Februar und März mit Schnee und Eis prognostiziert." Kurzfristige Winterdienste in Form von Tagesaufträgen seien nicht möglich gewesen, weil die angefragten Firmen wegen der dichten Auftragslage nicht so spontan ausrücken konnten.

Seine Entscheidung, den Winterdienst auch ohne Zustimmung der Gemeindevertreter zu beauftragen, habe er zudem zuvor mit dem Landrat und der Kommunalaufsicht abgestimmt, so Siebert.

Was ist mit dem nächsten Winterdienst?

Landrat Gernot Schmidt (SPD) bestätigt das. Er habe Siebert auf dessen Nachfrage auf seine Daseinspflicht hingewiesen. Diese könne im Notfall auch Entscheidungen gegen das Votum der Gemeindevertretung rechtfertigen. Ob dieser Notfall durch eine frühere Ausschreibung hätte verhindern können, sei aber Sache der Gemeinde Hoppegarten, so Schmidt.

Siebert räumt hier Probleme im Ablauf ein. Erst sei nicht genügend Geld für den Winterdienst im Haushalt eingeplant gewesen, dann habe es bei der Ausschreibung unter anderem wegen des fehlenden Kämmerers Verzögerung gegeben. Man habe aber daraus gelernt: Für den Winterdienst in diesem Jahr sei die Ausschreibung vorbereitet. Am 19. September sollen die Gemeindevertreter dann über eine Beauftragung entscheiden.

Nicht alle Gemeindevertreter gegen Siebert

Wegen der vielen Vorwürfe hat Juschka den Bürgermeister zum Rücktritt aufgefordert. Mehrere Gemeindevertreter aus SPD, Grünen und Linken unterstützen das. Siebert lehnt einen Rücktritt bisher ab.

Doch es gibt auch andere Meinungen. Mirko Dachroth vom Bündnis "Zukunft für Hoppegarten" und Maurice Birnbaum von der AfD sehen zwar auch Kritikpunkte, verweisen jedoch darauf, dass Hoppegarten viele Probleme schon vor Siebert gehabt habe.

Birnbaum nennt etwa die Unordnung bei den Haushaltsmitteln. Beim Thema Personalmangel habe Siebert allerdings schon tätig werden könne, es fehle ihm an Führungserfahrung. Birnbaum plädiert dafür, Siebert bis Ende des Jahres noch eine Chance zu geben.

Auch Dachroth will lieber auf Gespräche mit dem Bürgermeister setzen, statt auf Rücktrittsforderungen. Den Vorwurf der Korruption bezeichnete er als "abwegig": Siebert habe beim Thema Winterdienst zwischen zwei Stühlen gesessen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.06.2022, 16 Uhr

Beitrag von Marie Stumpf

2 Kommentare

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  1. 2.

    Mit dem Antritt als Bürgermeister hat es sich Hr. Siebert nicht einfach gemacht. Weder in der Verwaltung noch in der GV. Und genau das ist das Problem. Herr Dachroth sagt es richtig, miteinander kommunizieren hilft eher als Schuldzuweisung. Schuldzuweisungen helfen nicht bei der Realisierung von anstehenden Aufgaben. Die hier Schuldzuweisungen tätigen sollten überlegen, ob die Schuldzuweisung angebracht ist. Diese Diskussion hier ist völlig überflüssig, wenn GV und Bürgermeister/Verwaltung an einem Strang ziehen würden! Lösungsansätze finden um Aufgaben zu erledigen, nur so kommt man zum Ziel! Erfahrungen nutzen und umsetzen! Gemeinsam die Aufgaben lösen. Bekanntes Sprichwort: "So wie jemand in den Wald ruft, so schallt es heraus!" Mein Tipp: Offen und ehrlich miteinander umgehen!

  2. 1.

    Scheint Gang und Gebe zu werden, unliebsamen Gemeindevertreter durch die Kollaboration aus verschiedenen Gruppierungen loszuwerden.
    Sie wähnen sich als Demokraten und es ihnen egal, ob die Demokratie darunter leidet.
    Leider aber ist es zur Tagesordnung geworden, dass wer am lautesten schreit auch Gehör bekommt.
    Das kann man tagtäglich im politischen Leben erleben.

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