Frank Steffen gewann die Stichwahl - Gewählter Landrat "besorgt" wegen AfD-Ergebnis in Oder-Spree

Mo 15.05.23 | 18:48 Uhr
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Frank Steffen vor der Landratswahl in Oder-Spree
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Audio: rbb|24 | 15.05.2023 | Tony Schönberg | Bild: rbb

Der AfD-Kandidat in Oder-Spree ist bei der Stichwahl nur knapp nicht zum bundesweit ersten Landrat seiner Partei gewählt geworden. Der SPD-Kandidat und Gewinner zeigt sich mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden - und seine Partei kritisiert die CDU.

Nach der Landratswahl in Oder-Spree zeigt sich der Wahlsieger Frank Steffen (SPD) nach dem knappen Wahlergebnis nachdenklich: "Das ist natürlich etwas, was mich besorgt macht, dass so viele Menschen bereit sind, bei der AfD ihr Kreuz zu machen", sagte Steffen dem rbb. Steffen hatte sich bei der Stichwahl am Sonntag mit 52,4 Prozent der Stimmen gegen den AfD-Kandidaten Rainer Galla durchgesetzt.

Er zeigte sich trotzdem zufrieden, dass die Mehrheit der Wähler ihm ihr Vertrauen geschenkt haben. Ihm und der SPD sei gelungen, genug Menschen zu mobilisieren, die verhindern wollten, dass Oder-Spree der erste deutsche Landkreis mit einem AfD-Landrat werde, so Steffen. Nun wolle er die Interessen aller Bürger vertreten.

Bundespolitik habe eine große Rolle gespielt

Vor allem die Briefwähler haben für Steffen votiert, der im ersten Wahlgang noch hinter Galla lag. Erfüllt wurde auch das Quorum, wonach mindestens 15 Prozent aller Wahlberechtigten für den Sieger stimmen müssen. Die Wahlbeteiligung lag bei 38,5 Prozent.

Steffen ist amtierender Bürgermeister von Beeskow und wird voraussichtlich Anfang August ins Landratsamt einziehen und als Bürgermeister zurücktreten.

Im Wahlkampf hätten viele bundespolitische Themen eine große Rolle gespielt. In Teilen der Bevölkerung herrsche eine große Unzufriedenheit mit der Bundespolitik und den mehreren gleichzeitigen Krisen. "Es ist der AfD gelungen, das zu einer Abstimmung zu machen über diese Politik." Als dringendste Aufgaben im Landkreis nannte er Schulneubauten, die Unterbringung von Geflüchteten und einen stabilen Haushalt.

Galla bewertet sein Ergebnis als Erfolg

"Herzlichen Glückwunsch an Herrn Steffen, den Kandidaten der Einheitsfront", sagte der AfD-Kandidat Rainer Galla am Wahlabend. Er sei stolz darauf, viele Wähler mobilisiert zu haben. "Das Ergebnis selbst ist für mich persönlich ein Erfolg. Wenn man so knapp verliert, dann kann man sagen, man hat fast alles richtig gemacht."

Die Menschen in Oder-Spree seien mit der gesamten Bundes-, Landes- und auch Landkreispolitik unzufrieden. Sie hätten dieser Unzufriedenheit nicht nur als Protest, "sondern als dauerhafter Wunsch nach einem Wechsel" Ausdruck gegeben, so der AfD-Kandidat. Seine Partei könne nach dem Ergebnis mit großer Zuversicht in die nächsten Kommunal- und Landtagswahlen gehen.

Die Wahl des Landrates war bundesweit beobachtet worden, denn Galla wurden Chancen eingeräumt, der erste AfD-Landrat in Deutschland zu werden. Galla ist Rechtsanwalt, er lebte bis vor vier Jahren in Bayern und arbeitet in der AfD-Bundestagsfraktion.

Klingbeil: CDU habe mit dem Feuer gespielt

Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil hat nach der Wahl einen Appell an die CDU gerichtet. Die Christdemokraten spielten mit dem Feuer, sagte Klingbeil im rbb24 Inforadio am Montag. Die CDU müsse darauf achten, dass die Brandmauer gegen Rechts weiter besteht. Der Bundesvorsitzende wirft den Christdemokraten vor, den SPD-Kandidaten nicht unterstützt zu haben. Der Kreisverband der CDU und die Freien Wähler hatten im Vorfeld der Stichwahl keine Wahlempfehlung abgegeben. Sie riefen die Bürger dazu auf, wählen zu gehen.

Woidke: Ging um mehr als nur den Landratsposten

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat angesichts des knappen Wahlausgangs eine klare Haltung der demokratischen Kräfte angemahnt. Woidke sagte dem rbb am Montag, er hätte sich eine breite Front der demokratischen Parteien gewünscht, um zu verhindern, dass Brandenburg insgesamt in ein schlechtes Licht gerückt wird. Es sei um mehr gegangen als nur den Landratsposten. Woidke erwartet ähnliche Herausforderungen bei kommenden Wahlen in Brandenburg. Er sei sich aber sicher, dass das Land diese meistern werde.

Brandenburgs Linke-Chef Walter nannte es "fahrlässig und unverantwortlich", dass CDU und auch Freie Wähler keine Empfehlung für die Wahl abgegeben haben.

"Was ich wirklich sehr fatal finde, ist, dass wir - anders als in Cottbus bei der Oberbürgermeisterwahl vor einigen Monaten - keine gemeinsame Mobilisierung der demokratischen Parteien hatten", sagte der Politikprofessor Gideon Botsch von der Universität Potsdam am Montag. "Der Effekt, einen AfD-Kandidaten zu verhindern, ist in dieser Wahl offensichtlich nicht eingetreten", stellt er fest. "Das hatten wir bei den letzten Wahlen in den ostdeutschen Ländern relativ oft, dass die Menschen mobilisiert wurden, um eine AfD als stärkste Kraft zu verhindern, und das auch getan haben", unterstrich Botsch.

CDU-Chef Redmann räumt Fehler ein

Unterdessen räumt Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann Fehler ein. "Wir alle haben die Stichwahl unterschätzt", sagte Redmann am Montag auf Anfrage. Das Wahlergebnis müsse ein Weckruf sein, betonte er. "Einfach nur Unterhaken gegen die AfD ist zu wenig, um sie klein zu kriegen."

Es gebe eine Entfremdung zwischen der Politik und den Menschen vor Ort, konstatierte Redmann. "Wir müssen dem Frustrationsverstärker AfD ein pragmatisches, positives Angebot entgegenstellen", forderte er. "Es bedarf einer Politik, die Mut macht und Lösungen für die allgegenwärtigen Probleme der Leute anbietet."

Freie-Wähler-Landeschef Péter Vida hatte knapp erklärt, beide Kandidaten - Steffen und Galla - seien für die Freien Wähler aus unterschiedlichen Gründen nicht wählbar gewesen.

Vorgänger Lindemann zeigte sich erleichtert

Der bisherige Landrat von Oder-Spree, Rolf Lindemann (SPD), nahm das Ergebnis zwar mit Erleichterung auf, zeigte sich aber wie Steffen über den knappen Ausgang besorgt. "Es zeigt, dass die bürgerliche Mitte in der Politik Wähler in Größenordnungen nicht mehr erreicht." Lindemann, der in den Ruhestand gehen wird, verteidigte seine Politik in Oder-Spree. So habe beispielsweise der Landkreis aktuell keine Schulden. Seine Partei müsse daran arbeiten, dass Ergebnisse bei der nächsten Wahl besser werden.

Sendung: rbb|24, 15.05.2023, 13:00 Uhr

39 Kommentare

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  1. 39.

    "... Um so weniger bleibt für ÖPNV, Infrastruktur, Digitalisierung, Rettungsdienste, Feuerwehren, Umweltschutz etc. ..."
    so wird es leider kommen.
    M.E. darf auf keinen Fall die Kinder-/Jugend-/Familienarbeit (Treffs, Clubs ect.) nicht dem Rotstift zum Opfer fallen, sondern muss dringend "ausgebaut" werden.


  2. 38.

    "Nun wolle er die Interessen aller Bürger vertreten." Der Fokus wird auf Schulneubauten, Flüchtlinge und Haushalt gelegt. Der Fokus sollte vielmehr auf die Interessen der Bürger des LOS gerichtet sein, da sie die Steuerzahler sind, die den Haushalt des LOS mitfinanzieren. Wollen die Bürger Schulneubauten und eine weitere Unterbringung der ungesteuerten illegalen Migration? Schulneubauten sind zwar schön, interessieren jedoch nur die Eltern, die schulpflichtige Kinder haben. Schulen allein nützen nicht viel, wenn es die Lehrer dazu nicht gibt. Auch sollte der Landrat lieber seinen Draht nach Potsdam (Woidke, Scholz) nutzen und auf eine Begrenzung der Migration hinwirken, da der Haushalt wieder einen grossen Teil für die Unterbringung einplanen wird. Um so weniger bleibt für ÖPNV, Infrastruktur, Digitalisierung, Rettungsdienste, Feuerwehren, Umweltschutz etc.

  3. 37.

    Werter Dominik, auf diese tolle Idee ist ja noch keiner gekommen. Ich denk das mal für Sie zu Ende : Die ungültigen Stimmen helfen bei einer Stichwahl nur dem Gewinner, sofern er das Quorum erreicht. Deshalb ist es sinnlos, den Wahlschein ungültig zu machen. Kein Politiker schert sich um ungültige Stimmen...

    Danke, gern geschehen ...

  4. 36.

    "Nun wolle er die Interessen aller Bürger vertreten." Die Interessen der Bürger sollen Schulneubauten, die Massenmigration und ein ausgeglichener Haushalt sein. Schulneubauten mögen schön sein, machen aber allein das Bildungswesen nicht besser. Und ein ausgeglichener Haushalt bei anhaltender Massenmigration läßt erahnen, was andere, die auf Leistungen des Landkreises angewiesen sind, zu erwarten haben. Viel Spaß mit diesem Landrat.

  5. 35.

    Gut im anderen Artikel zu der Wahl war ein Kommentar, der sich darüber beschwerte, dass niemand darüber informiert hätte was ein Landrat machen würde.

    Die RBB Moderation hat dann den Link zu dem Artikel des RBB vor ein paar Tagen gepostet, in dem genau das erklärt wurde.

    Wenn Sie politische Bildung mit Indoktrination gleichsetzen wollen....liegt wohl an Ihrer DDR Erfahrung. Schade.

  6. 34.

    Kleiner Tipp:

    Man kann Wahlzettel ungültig machen, wenn man dieses Zeichen abgegeben will.

    Ansonsten bleibe ich bei purem Desinteresse.

  7. 33.

    Was ist den "der Bürgerwille".

    Kennen Sie den? Sind Sie der Prophet "des Bürgerwillens"?

    Woher kenne ich diesen Absolutismus? Ach ja von den Grüppchen die "Wir sind das Volk" brüllen...

  8. 32.

    Ihre Aussage strotzt nur so vor Überheblichkeit. Die Bürger interessiert Politik genau da, wo sie selbst davon betroffen sind. Was Sie hier als Informationslücke darstellen wollen, meint wohl eher mangelnde Indoktrination. Wenn Menschen sich von der bestehenden Politik benachteiligt, abgehängt oder ungehört fühlen, dann hat das konkrete Gründe und auf die wird reagiert. Eine andere Perspektive, etwas zu ändern, hat die Mehrheit nicht. Selbst Parteieintritt ist sinnlos, wenn man dort nur gegen alte Mauern rennt und die Mehrheit hat auch nicht die Zeit dafür. Entsprechende Gruppen und Infos in den sozialen Netzwerken sind doch nicht die Ursache, anders zu wählen sondern ein Symptom, dass etwas falsch läuft.

  9. 30.

    Es wählt ja kaum einer die Partei Die Linke.
    Die klassische Wählerschaft stirbt aus. Die Leute wählen AfD.
    Schauen sie sich die Wahlergebnisse der letzten Jahre an und vergleichen sie die Zahlen mit der demographischen Entwicklung im jeweiligen Wahlkreis.

  10. 29.

    Warum wohl wenden sich die Bürger von den alteingesessenen Parteien ab? Diese Frage stellt sich Hr. Woidke aber nicht. Die anderen auch nicht. Wer die Politik nicht am Bürgerwillen ausrichtet darf sich nicht wundern wenn Alternativen gesucht werden.

  11. 28.

    Wenn auf dem Wahlzettel "Keine von den beiden Pfeifen" gestanden hätte, wäre das Ergebnis eindeutig gelaufen

  12. 27.

    Keine Sorge. Herr woidke „wird nicht zulassen...“
    Meint er Ungerechtigkeiten abbauen? Kann man sich darauf verlassen?

  13. 26.

    " was mich besorgt macht, dass so viele Menschen bereit sind, bei der AfD ihr Kreuz zu machen",

    Besorgnis reicht nicht sondern eruieren warum das so ist , will man aber wohl nicht

  14. 25.

    Vielleicht schlicht aus Faulheit?

    Was interessiert einen eine Landratswahl?

    Also ich frage ja gerne mal politisches in Runden in denen man nicht immer ist. Fie wenigsten interessieren sich für Politik, dementsprechend ist auch das Wissen oft Bild Niveau, oder noch schlimmer besonders erleuchtet mit FB/YT-Diplom....

  15. 24.

    Was ist das für ein Wahlsieg wenn man um Stimmen mit Angst der Wähler wirbt? Die SPD sollte sich mal überlegen, welche Wähler sie wirklich vertritt. Ich bin somit zu einem Nichtwähler verdammt, der es leid ist, jemanden zu wählen den er eigentlich überhaupt nicht will. Demokratie ist jemanden zu wählen, den man für den richtigen hält! Seit Schröder hat die SPD mich endgültig verloren.

  16. 23.

    Ist in diesem Artikel eigentlich unüberlesbar verlinkt:

    https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/politik/2023/05/landrat-oderspree-rolflindemann-taetigkeiten-interview.html

  17. 22.

    Genau, die Wahlbeteiligung sagt alles!
    So braucht sich der Herr Klingbeil nicht aufregen und mehr Wahlbeteiligung fordert der aktuelle Landrat für die nächsten Wahlen. Liebe Politiker, aber auch Beamte es geht um vor Ort Politik überall, mehr Bürgerbeteiligung und mal zuhören und nicht nur die Gesetze im Schnellverfahren machen und noch Gesetz, noch ein Gesetz. Vor allem wird seit mehr als 10 Jahren geredet weniger Gesetze und wo ist der Abbau mindestens 5 Aktenordner für Bauanträge oder auch anderen Gesetzgebungsverfahren.

  18. 21.

    >"Ach ja, Wahlbeteiligung bei ca. 38%., davon waren 47,6% für die AfD.
    Fazit, die Wahlbeteiligung zu niedrig, das Quotum für die AfD zu hoch, und was sagt uns das?"
    Das sagt uns, dass geringe Wahlbeteiligung immer Minderheiten pusht. Die, die Demokratie und Freiheit für selbstverständlich halten, gehen leider viel zu selten zur Wahl. Weil... ist ja selbstverständlich! Kommt schon so... irgendwie wird das schon...
    Ja klar!

  19. 20.

    Was sagt uns das? Es sagt uns, dass die AfD Wähler zur Wahl gehen, die Mehrheit der potentiellen Wähler das aber nicht tut und ihnen trotzdem das Vertrauen in die derzeitige Politik fehlt. Deshalb war ich auch nicht wählen. Sie erfahren es sozusagen aus erster Hand.

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